Manfred Haferburg / 06.12.2020 / 06:10 / Foto: NJCHCI / 45 / Seite ausdrucken

Mobiles AKW läuft und läuft: Licht und Wärme für Sibirien

Vor gut zwei Jahren berichtete Achgut.com über den Reisebeginn des schwimmenden Kernkraftwerkes „Akademik Lomonossow“ in Richtung Sibirien, wo es das Tschukotische Inselnetz mit Strom versorgen sollte. Der Weg wurde begleitet von lautstarken Protesten von Greenpeace, die das schwimmende KKW als „Schwimmendes Fukushima“ bezeichneten und den baldigen Untergang prophezeiten.

Seither schweigt sich die deutsche Presse weitgehend über das Projekt aus, die letzten Meldungen sind fast zwei Jahre alt. Und sie sind natürlich mit den Warnhinweisen von Greenpeace über das „Tschernobyl auf dem Wasser“ versehen.

Die schwimmende Energieeinheit „Akademik Lomonosov“ ist der Prototyp einer Reihe von mobilen Kernkraftwerken mit zwei Reaktoren einer Leistung von je 40 Megawatt. Es ist für den Betrieb als schwimmendes Kernkraftwerk (APEC) konzipiert und stellt eine neue Klasse von Stromerzeugungsanlagen dar, die auf der russischen Nuklearschiffbautechnologie basiert.

100.000 Menschen mit Strom und Wärme versorgen

Der Typ Kernkraftwerk „Akademik Lomonosov“ soll der Energieversorgung von großen Industrieunternehmen, Hafenstädten, Öl- und Gasverarbeitungskomplexen dienen und wird auf der Grundlage des seriellen Baus von nuklearen Eisbrechern erstellt, einer Technologie, die bereits während ihres langen Betriebs in der Arktis getestet wurde.

Die „Akademik Lomonosov“ ist mit zwei Reaktoranlagen KLT-40S ausgestattet. Gemeinsam sind sie in der Lage, 70 MW Strom und bis zu 50 Gcal/h thermische Energie in Onshore-Netze zu liefern, um Strom und Heizwasser für Städte zu liefern.

Ohne Wärmeauskopplung beträgt die Stromerzeugungskapazität etwa 76 MW. Bei der Abgabe einer maximalen Wärmeleistung von ca. 146 Gcal/h beträgt die elektrische Leistung, die an das Netz abgegeben werden kann, etwa 44 MW. Die „Akademik Lomonossow“ wird somit in der Lage sein, eine Bevölkerung von etwa 100.000 Menschen mit Strom und Wärme zu versorgen. Das Projekt ist für die zuverlässige ganzjährige Wärme- und Stromversorgung in den entlegensten Gebieten der Arktis und des Fernen Ostens konzipiert.

Achgut.com berichtete auch schon über den Start des ersten Reaktors des schwimmenden Kernkraftwerkes. Wie ist der Stand heute?

Der Bau der „Akademik Lomonosov“ wurde 2006 bei Sevmash FGUP in Severodvinsk, im Auftrag des russischen Staatskonzerns Rosenergoatom, der alle russischen Kernkraftwerke betreibt, begonnen. Ab 2009 wurde im Baltic Shipbuilding Werk in St. Petersburg weitergebaut.

Die „Akademik Lomonossow“ löst gleich zwei Probleme

Am 30. Juni 2010 fand der Stapellauf der „Akademik Lomonossov“ statt. Im Jahre 2011 wurde der Schiffspram an den Anlagenbauer für die Energieanlagen ausgeliefert.

Am 7. Dezember 2012 unterzeichneten der Konzern Rosenergoatom und Baltic Shipbuilding Ltd. einen Vertrag über den Anschluss des schwimmenden Kernkraftwerks an das Tschukotische Stromnetz. Der Anschlussstandort befindet sich in der sibirischen Stadt Pevek der autonomen Region der Tschuktschen in der Nähe der Beringstraße, im hohen Norden Sibiriens.

Am 28. April 2018 wurde das schwimmende Kernkraftwerk über die Ostsee nach Murmansk geschleppt und machte am Atomflot-Standort für die Verladung und Erprobung von Kernbrennstoffen fest. Dieser Standort ist auch die Basis der russischen Atom-Eisbrecher-Flotte.

Am 23. August 2019 begann der Transport der „Akademik Lomonosov“ von Murmansk in die Stadt Pevek, wo sie am 9. September ankam.

Am 19. Dezember 2019 lieferte das schwimmende Kernkraftwerk im Probebetrieb den ersten Strom an das sibirische Insel-Netz. Der Probebetrieb war am 22. Mai 2020 abgeschlossen und die industriemäßige Produktion lief an. Am 30. Juni 2020 wurde die Wärmeauskopplung für Pevek an die Energiekreisläufe des Kernkraftwerkes gekoppelt.

Die „Akademik Lomonossow“ löst gleich zwei Probleme. Erstens handelt es sich um den Ersatz der alten Reaktoren des Kernkraftwerks Bilibino, das seit 1974 in Betrieb ist, sowie des Kohleheizwerkes Chaun, das mehr als 70 Jahre alt ist. Zweitens versorgt sie die wichtigen Bergbauunternehmen im westlichen Bilibino-Bezirk mit Energie – einem großen Erz-Metall-Cluster, einschließlich Goldminen und der Entwicklung der Baim-Erzzone.

Das Projekt „schwimmendes Kernkraftwerk“ hat weltweit keine Analogie. Daher erregt es besondere Aufmerksamkeit. Heute interessieren sich viele Länder in Südostasien und dem Nahen Osten für das Konzept der schwimmenden Kernkraftwerke. Das Projekt rechnet sich für die Russen, wenn sie mehr als sechs dieses Typs bauen können.

Noch eine Nachbemerkung:

Gerade hat der schwedische Staatskonzern Vattenfall den Zuschlag für die Abschaltung eines der modernsten Kohlekraftwerke der Welt, des Hamburger Doppelblocks Moorburg bekommen. Fast drei Milliarden Euro investiertes Geld sind futsch und Vattenfall bekommt noch mehr als 200 Millionen Steuergeld für die Stilllegung eines drei Jahre jungen Kraftwerks von 1.600 MW, das eigentlich noch eine Lebenserwartung von mindestens 30 Jahren vor sich hätte. Moorburg könnte ständig so viel Strom produzieren wie etwa 3.000 Windräder. Nur – auch bei Nacht und Flaute.

Was kaum jemand weiß: Moorburg gehört zu den ganz wenigen „schwarzstartfähigen“ Kraftwerken Deutschlands. Das bedeutet, dass dieses Kraftwerk imstande wäre, nach einem Blackout ohne ein funktionsfähiges Landesnetz wieder angefahren werden zu können. Nur mittels solcher schwarzstartfähigen Kraftwerke ist es überhaupt möglich, nach einem Blackout Strom zu erzeugen und das Netz schrittweise wieder aufzubauen. Noch zur Information: Windräder und Solarpaneele sind nicht „schwarzstartfähig“.

Wenn jetzt nicht noch die Netzbetreiber dazwischen grätschen und Moorburg als „Systemkraftwerk“ einstufen, kommt bald die Abrissbirne. Nur komplett Irre machen so etwas. Aber vielleicht schicken die Russen ja ein schwimmendes Kernkraftwerk nach Hamburg, wenn es hart auf hart kommt. Das ist nämlich „schwarzstartfähig“.

 

Weihnachten und Lockdown ist Lese- und Schenkenszeit. Manfred Haferburg ist Autor des Romans „Wohn-Haft“. Das Buch basiert auf einer wahren Geschichte und erzählt, wie ein selbst denkender Mensch in einer sozialistischen Diktatur zum Spielball und Opfer der Mächtigen und ihrer Mitläufer wird. Wir müssen alle aufpassen, dass aus „Wohn-Haft“ nicht ein Science-Fiktion-Roman wird.

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Eugen Richter / 06.12.2020

Nicht schwarzstartfähig? Das wußte ich auch noch nicht? Vor 20 Jahren regte ich mich wegen den Kosten einer Eiskugel auf? Jetzt könnte ich im Dauerstrahl k….n. Jefferson sagte einmal, sinngemäß: wer die Freiheit (Kapitalismus) zugunsten der Sicherheit (Wohlfahrt, Bürgergeld etc) aufgibt wird am Ende beides verlieren. Er ist selbst schuld und hat es (Armut) auch verdient. In Klammern zur Interpretationshilfe der unter 40jährigen Woken und Berufstrolle.

Frank Torzinski / 06.12.2020

Tolles Buch, Herr Haferburg. Vieles hat mich auch an eigene Erlebnisse erinnert. Um so aufregender war es für mich, dies zu lesen. Aber, ich fürchte, der Inhalt ist schon die neue Gegenwart. Zu spät für eine Warnung. Wir leben schon in der DDR 2.0, nur damals hat man weder Wirtschaft noch die Bevölkerung so absichtsvoll kaputt gemacht…

K.H. Münter / 06.12.2020

So ein schwimmendes Atomkraftwerk auf der Binnenalster hätte nach dem Abriß von Moorburg und einem nachfolgenden Blackout durchaus einen gewissen Charme.

Dr. Joachim Lucas / 06.12.2020

Die Ökotaliban müssen alle Schiffe verbrennen nachdem sie auf der Insel der Seligen angekommen sind: Hat System. Die energiepolitische Steinzeit muss unumkehrbar gemacht werden. Hitlers Nero-Befehl als großes Vorbild. Es ist eben Wahnsinn mit Methode. Ideologen kennen keine Menschen, nur fixe Ideen und gerne auch Leichen. Das Aufräumen nach diesem Rausch wird wahnsinnig teuer (falls überhaupt noch Geld da ist) und das zahlen dann die, die heute hüpfen. Ein Trost.

Volker Voegele / 06.12.2020

Zum Abschaltungs-Szenario des erwähnten, sehr modernen Kohlekraftwerks Hamburg-Moorburg einige Passagen eines Berichts von Holger Douglas in Tichys Einblick vom 02.12.2020: „Der Industrieverband Hamburg sorgt sich um die Versorgungssicherheit Hamburgs – Grüne jubeln. Der grüne Umweltsenator Jens Kerstan jubelt: ‘Es ist für den Klimaschutz eine gute Nachricht, wenn es jetzt deutlich früher vom Netz geht als ursprünglich geplant.’ Er sieht die Abschaltung des Kraftwerkes nach nur sechs Jahren Laufzeit als einen Erfolg grüner Energiepolitik…..Dafür will Hamburg Buschholz aus Namibia verfeuern. Dort gebe es ein Problem mit der Verbuschung der Landschaft, sagt wiederum die Hamburger Umweltbehörde und schlägt vor, dass diese ‘Biomasse’ dann in Form von Holzpellets mit dem Schiff nach Hamburg transportiert und dort verfeuert werden könnte…“ Voll-verblödete „Biomasse“-Politiker gewählt von voll-verblödeten „Biomasse“-Wählern! „Deutschland hat abgeschaltet.“

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