Von Marei Bestek
Gern würde ich in Zeiten des Weinstein-Skandals einen Text über Feminismus schreiben. Leider verstehe ich die aktuelle kultige und moralisch inszenierte Frauenbewegung nicht mehr, die einerseits alle Geschlechterunterschiede aufheben möchte, andererseits aber die Weiblichkeit zum Mittelpunkt einer ganzen Debatte werden lässt. (Eine Dialektik, die offenbar viele Emanzen nicht durchschauen.)
Im Grunde ist der heutige westliche Feminismus das genaue Gegenteil der Gleichstellung von Mann und Frau. Schließlich fordert er von der Frau, dass sie sich zunächst als Opfer definiert, bevor sie handlungsfähig wird. Mit Hilfe der eigenen Stigmatisierung kann sie in der Gesellschaft nicht nur um Akzeptanz werben, sondern gleichzeitig Macht erwirken, die sie letzten Endes dazu nutzt, eigene Bedürfnisse zu befriedigen und sich Privilegien zu sichern. Das entspricht nicht meinem Verständnis einer selbstbestimmten Frau, werden ihr auf diese Weise doch Souveränität und Leistungsfähigkeit aberkannt. (Oder braucht es wirklich überall Gleichstellungsbeauftragte?)
Kind oder Karriere? Bluse auf oder Bluse zu? (Danke, Frau Kelle!) Klagen oder „die eigene Frau stehen“? Flirt oder kalte Schulter? Reaktion oder Nichtbeachtung? Letztlich sind das Entscheidungen, die in die persönliche Kontrolle und das persönliche Ermessen einer Frau fallen, wobei sie dabei auch durch unseren Rechtsstaat unterstützt wird. Diese Entscheidungen aus Bequemlichkeit, Feigheit oder Angst vor der eigenen Verantwortung auf die Gesellschaft zu schieben und den Mann zum ewigen Gegenspieler, Täter und Sündenbock zu stilisieren (oder zu sterilisieren), entspricht nicht dem ursprünglichen Geist der Emanzipation.
Die eigene Unabhängigkeit mutiert wieder zur verdeckten Abhängigkeit vom Mann – allerdings heute in umgekehrter Form (Kann sie doch nicht ohne IHN!?). Indem Frauen dagegen ankämpfen, das „schwache Geschlecht“ zu sein, machen sie sich zu eben diesem. Im Grunde eine Bestätigung des Macho-Manns, der ‚normale‘ Mann hingegen wird weiter verunsichert. Die Tatsache, dass sich Frauen immer öfter als Opfer sehen wollen (Hilfe, er hat mich schön genannt!) oder ihre Weiblichkeit als Entschuldigung einsetzen, lässt echte Fälle von Sexismus und Unterdrückung nicht das Gehör und die Missbilligung finden, die sie verdienen.
Body-Shaming statt Mister Universum
Da ich mit dem derzeitigen Kult-Feminismus also nichts anfangen kann, aber trotzdem gern meine Stimme für die Schwächeren in der Gesellschaft erheben möchte, habe ich mich dazu entschlossen, meine Aufmerksamkeit einer anderen ausgestoßenen und verfemten Gruppe zu widmen: der des weißen, heterosexuellen Mannes.
Schließlich sehen sich weiße, heterosexuelle Männer fast täglich mit Alltagsdiskriminierung konfrontiert. Viele von ihnen haben jahrelang studiert und stehen erfolgreich im Berufsleben, um letztendlich nur auf ihr Äußeres reduziert zu werden. Sie können fachlich noch so qualifiziert, belesen, gebildet und erfahren sein, am Ende sind sie immer nur die alten, heterosexuellen, weißen Männer, die man nicht ernst nehmen muss.
Auch dem Thema „Body-Shaming“ wird heutzutage viel zu wenig Beachtung geschenkt, gleichwohl der heterosexuelle, weiße Mann dem ständigen Druck ausgeliefert ist, ein völlig falsches Körperbild und Schönheitsideal erfüllen zu müssen, das uns täglich von den Medien und Kaufhäusern präsentiert wird. Groß und muskulös sollte er sein, mit markantem Gesicht, vollem Haar, Waschbrettbauch und durchtrainiertem Bizeps, Trizeps und Quadriceps. Wann erfolgt der mediale Aufschrei und die Qualen des heterosexuellen, weißen Mannes werden endlich beendet? Wir wollen echte Männer auf den Laufstegen sehen! Mit Bierbäuchen und lichtem Haaransatz, Brusthaaren und gepflegtem Bauarbeiter-Dekolleté. Schließlich sind alle Männer schön!
Dennoch schreitet die plumpe Verdinglichung des heterosexuellen, weißen Mannes immer weiter voran. In der Talkshow der erfolgreichen amerikanischen Komikerin ‚Ellen DeGeneres‘ gehören halbnackte und gut gebaute Männerkörper längst zu einem festen Bestandteil der Show. Unter tosendem Applaus des meist weiblichen Publikums wirken sie bei Spielen mit oder agieren mit den Studiogästen, während sie dem Fernsehzuschauer als reine Lustobjekte verkauft werden. Dabei ist der weiße, heterosexuelle Mann viel mehr als nur sein Waschbrettbauch.
Das Schlimmste ist natürlich: Es gefällt den Frauen auch noch! Und so ist die schamlose Entseelung des heterosexuellen, weißen Mannes längst zu einem Problem geworden, das sich durch alle Gesellschaftsschichten zieht. Frauen interessieren sich auf einmal für Fußballspieler (Sicherlich nur wegen der guten Interviews in der Nachberichterstattung.), kreischen beim Auftritt ihrer Lieblings-Boy Band oder glorifizieren Schauspieler. Der heterosexuelle, weiße Mann mit Herz und Verstand wird plötzlich zum stumpfen Alpha-Tier simplifiziert. Schutzlos ist er den größtenteils jungen Frauen ausgeliefert, die sich mit dem Dekolleté voran an ihn schmeißen, um seine Vorzüge von Status, Schutz und Sicherheit zu genießen. Und während sich die Frau noch Sorgen macht, dass ihr Körper zum Lustobjekt werden könnte, ist der heterosexuelle, weiße Mann zusätzlich einem ständigen Leistungsdruck ausgesetzt. Schließlich soll er es der Frau besorgen. Am besten gleich dreimal.
Gleichzeitig muss er noch die Familie ernähren, Windeln wechseln und in der freien Hand ein Schwert führen, mit dem er bei Gefahr tapfer seine Angehörigen verteidigt. Zu viel Krieger darf er dann aber auch nicht sein. Eben nur ein bisschen. Besser lässt er sich stattdessen eine Fluse vom Hemdkragen streichen.
Liebe heterosexuelle, weiße Männer! Wir sehen euer Leid! Hashtag: #wetoo
Marei Bestek (25) wohnt in Köln und hat Medienkommunikation und Journalismus studiert.