Weil der „Puma“ den Geist aufgibt, muss der „Marder“ ran, der schon ein halbes Jahrhundert auf der Uhr hat. Mit Material ausgestattet, das teils doppelt so alt ist wie seine Bediener, sollte die Bundeswehr wohl lieber gleich überlegen, wie sie anständig kapituliert.
Jetzt ist es amtlich. Die Bundeswehr, dieser lustige Haufen, bei dem jeder mitmachen darf, der drei Liegestütze schafft, ohne körperlich am Ende zu sein, wird auf den 50 Jahre alten Marder-Panzer zurückgreifen, da der funkelnagelneue „Puma“ so ein paar kleine Schwächen hat. Wie beispielsweise die, dass es bei Starkregen zu den Luken hereinregnet. Nicht schön. Ob er mittlerweile tatsächlich schwangerentauglich sein soll oder ist, das entzieht sich meiner Kenntnis.
Die Verteidigungsministerin und ihr an der Hüfte angewachsener Sohn beteuern jedenfalls treuherzig, dass sie nichts damit zu tun hätten und auch nichts dafür können. Wie das im Verteidigungsministerium seit jeher üblich ist: sich vor die Kommandanten stellen und lauthals den alten Handwerkerspruch beschwören, „dass das jetzt aber keiner von unserer Firma war. Das hätten wir besser gemacht!“
Ich will dabei gar nicht so sehr auf den Schützenpanzer eingehen, von dessen 18 Exemplaren in der praktischen Erprobung 18 Exemplare ausgefallen sind. Ich bin kein Ingenieur und kein Militär. Immerhin sollte ein Schützenpanzer fahren, schießen und Leute von A nach B transportieren können. Das schafft der Marder auch. Und lustigerweise sogar besser und zuverlässig. Ich will auch nicht darüber sinnieren, ob das Produktionskonsortium zwischen Krauss-Maffai Wegmann und Rheinmetall die wirklich beste Lösung zur Entwicklung eines neuen Panzers war. Mir geht es darum, was es im Vergleich bedeutet, wenn das tapfere Panzergrenadierens mit dem unbestimmten Geschlecht dem potenziellen Feind mit dem Marder zu Leib und Leben entgegenrückt.
Sitzblockaden vor den Panzerspitzen der 7. russischen Stoßarmee
Ein 50 Jahre alter Panzer ist so, als hätte die Bundeswehr Ende der 60er Jahre mit dem A7V aus dem Ersten Weltkrieg abschrecken wollen. Oder als wäre die Luftwaffe 1964 mit Doppeldeckern gegen die Migs der Russen aufgestiegen. Das ist, als würden heute in der Hauptsache Faxgeräte und analoge Funkgeräte zur Kommunikation verwendet oder als hätte die Bundeswehr 1966 zur Kommunikation hauptsächlich auf Brieftauben vertraut.
Wir leben in einer Zeit, in der Flugzeugträger nach zehn Jahren ausgemustert werden und Gewehre ein Haltbarkeitsdatum von vielleicht 20 Jahren in der Truppe haben. Zumindest, wenn es eine deutsche Truppe ist, die mit dem Ding nicht nur um die Ecke schießen kann, sondern sogar muss. Der Grenadier vor seinem alten Marder läuft immer noch mit dem G36 durch die Gegend. Er darf es eben nicht „heißschießen“.
Im Lichte dessen, dass wir die Bundeswehr mit Material ausstatten, das teilweise doppelt so alt wie seine Benutzerdoppelpunktinnen ist, sollte sich die Bundeswehr vielleicht künftig darauf konzentrieren, wie man ordentlich kapituliert, Sitzblockaden vor den Panzerspitzen der 7. russischen Stoßarmee organisiert oder sich bei Fulda wirkungsvoll auf die Autobahn klebt. Es ist ja nicht so, dass mich noch irgendetwas in diesem Land überrascht, aber selbst Morgenthau wäre nicht auf derart irre Dekonstruktionsideen gekommen wie die derzeitige Ampelregierung, in der ausgerechnet Christian Lindner den noch geistig gesundesten Eindruck macht. Und dann feiert man sich im Bendler-Block vulgo Verteidigungsministerium noch dafür, elf (in Zahlen: 11) Panzerhaubitzen 2000 in die Ukraine geliefert zu haben, von denen es nur noch zehn Stück gibt, weil die elfte als Ersatzteillager missbraucht wird.
Versteigerung alter Wolldecken
100 Milliarden Euro – oder, zum leichteren Verständnis, einhunderttausend Millionen Euro – „Sondervermögen“ soll die Bundeswehr zur Renovierung erhalten. Bis die aber frei sind, um die neuen Panzer wenigstens mit WindowsME zu bestücken, finanziert sich die Bundeswehr durch die Versteigerung von alten Wolldecken erst einmal selbst. Zum Vergleich: Der komplette Bundeshaushalt beträgt 2022 knapp 500 Milliarden Euro. Welcher Leser setzt sich hin und berechnet die Energiemenge, die 100 Milliarden Euro in 10-Euro-Scheinen bei Verbrennung erzeugen? Brauchen wir da noch Gas- oder Kohlekraftwerke (und ich weiß – einer wird es tun!)?
Bei einer derartigen Mangellage nimmt es nicht wunder, dass ein paar Verwirrte mit Kochkellen und Dosenravioli losziehen, um einen neuen Kaiser zu inthronisieren. ’S gibt ja nüscht! Die hatten ja nüscht. Unsere wirklich bestimmt tapferen Soldaten und Soldatinnen tun mir leid, derart verblödete und unfähige Dienstherren zu haben. Ich würde es ihnen nicht übelnehmen, wenn sie im Ernstfall nach hinten Reißaus nehmen. „Kämpfen bis zur letzten Patrone“ bedeutet eine Einsatzzeit von ca. 15 Minuten. Das lohnt sich ja gar nicht.
(Weitere unhaltbare Vergleiche des Autors unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.