Manfred Haferburg / 11.05.2019 / 12:30 / Foto: Barley/Facebook / 90 / Seite ausdrucken

Mit Katarina ganz groß aus dem Atom aussteigen

Katarina die Große will Europas Kernkraftwerke abschalten. Alle, nicht nur die Deutschen und schon ganz mittelfristig. Henryk Broder sagte einmal über bestimmte Menschen, sie wären „eine Mischung aus Größenwahn und Impotenz“. Ein wahrer Satz, für den mir aus dem Hut dutzende Beispiele in der deutschen Politik einfallen. 

Ich beziehe mich allerdings hier und heute ausschließlich auf die Spitzenkandidatin der SPD zur Europawahl. Katarina Barley will aus ihrem Wahlkreis in Trier „rauchende Meiler von Cattenom“ ausgemacht haben. Ihnen den Garaus zu machen, hat sie sich daher nach Ihrem Wahlsieg und glorreichem Einzug ins Europaparlament zur Aufgabe gemacht. Und weil das so gut klingt, will sie auch bei der Gelegenheit eben mal allen Kernkraftwerken Europas an den Kragen. 

Barley im Interview mit Welt:

Das ist sehr ambitioniert, klar! Aber ich möchte, dass es mittelfristig gar keine Atomkraftwerke mehr in Europa gibt. Dafür müssen wir den Ländern, die bisher noch auf Kernkraft setzen, beweisen, dass wir in Deutschland beides hinkriegen (gefragt wurde nach Kernkraft- und Kohleausstieg gleichzeitig) …Atomkraft ist für mich ein No-Go. Ich kann von meinem Wahlkreis aus die rauchenden Meiler von Cattenom sehen, das ist einer der Pannenreaktoren in Frankreich, die ständig abgeschaltet werden, weil irgendwas kaputtgeht. Wenn da was schiefgeht, dann ist mehr als nur meine Heimatregion nicht mehr bewohnbar…Bei der Speicherung und Verteilung von regenerativer Energie müssen wir noch besser werden. Aber dass wir das Ziel haben, unseren Wirtschaftsstandort auch mit energieintensiven Betrieben ohne Atomkraft zu betreiben, das ist richtig“.

Liebe Frau Spitzenkandidatin, wenn Sie von Ihrem Wahlkreis aus Rauch über Cattenom sehen können – was ich auf Grund der Entfernung gleichwohl anzweifele –, dann sehen Sie nicht rauchende Meiler, sondern höchstens Wasserdampf aus Kühltürmen. Das ist was ganz anderes und noch nicht mal das böse CO2 dabei.

80 Prozent des Stroms in der Region Grand Est – CO2 frei

Und Cattenom besteht auch nicht nur aus einem „Pannenreaktor“. Nein, es sind gleich vier. Und, Sie werden es nicht glauben: EDF rüstet gerade das Kraftwerk für eine Laufzeit von 60 Jahren aus und investiert in seine Kernkraftwerke frankreichweit 50 Milliarden Euro, damit zum Beispiel Cattenom bis 2048 in Betrieb bleiben kann. Da sind Sie schon lange in Ihrer wohlverdienten Rente.

Das Kernkraftwerk Cattenom deckt mit einer Produktion von 36,37 Milliarden Kilowattstunden rund 80 Prozent des Stromverbrauchs in der gesamten Region Grand Est – und das CO2 frei. Und „Pannenreaktoren“ dort gibt es wohl eher bei den deutschen Medien und Politikern. Eine Panne ist höchstens das militante Eindringen von Greenpeace auf das Kraftwerksgelände gewesen, wo die Umweltschützer ein Feuerwerk zündeten – wohl wissend, dass die Gendarmen auf keinen Fall auf junge Leute mit Greenpeace-Plakaten schießen würden.

Wenn Sie, Frau Barley, europaweit aus der Kernenergie aussteigen wollen, müssten Sie vielleicht zuerst mal Ihren Parteikollegen 100 Prozent Schulz bitten, mit seinem Freund Macron zu telefonieren. Vielleicht kann ja der Martin den Emmanuel davon überzeugen, die vier 1.300-MW-Reaktoren von Cattenom abzuschalten und die anderen 54 französischen Reaktoren noch dazu. Das wären dann so um 75 Prozent der französischen Stromproduktion. Frankreich produziert nämlich weniger als ein Prozent seines Stroms aus Kohle. Umso enthusiastischer feierten die deutschen Qualitätsmedien auch sein Versprechen, bis 2022 aus der Kohleverstromung auszusteigen.

16 Baustellen mit Neubau-Kernkraftwerken stoppen

Dann muss der Martin noch mit Finnland, Slowakei, Tschechien, Bulgarien, Rumänien, Litauen, Belgien, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich, Slowenien und weiteren EU-Ländern telefonieren, damit die auch ihre verbliebenen 124 Pannenreaktoren schließen. Zum guten Schluss müssen Sie dann nur noch dafür sorgen, dass die 16 Baustellen mit Neubau-Kernkraftwerken stoppen. Wenn Sie das alles geschafft haben, dann können Sie sich ja daran machen, die europäischen Kohlekraftwerke abzuschaffen. Das lohnt richtig, davon gibt es ein paar tausend. 

Und dann können Sie endlich die ganze Welt retten, die wartet schon darauf, von der Spitzenkandidatin der SPD gerettet zu werden. Da haben Sie sich allerdings was vorgenommen – weltweit sind 1.400 Kohlekraftwerke in 59 Ländern in Planung und Bau. Da muss der Martin dann zuerst mit dem Trump in den USA, Putin in Russland und Jinping in China telefonieren, bevor er Kovind in Indien anruft (hier schon mal die Vorwahl: +91)

Nur zu, Frau Barley, wenn die SPD erst die Mehrheit im Europaparlament stellt, schaffen Sie das. Das ist sehr ambitioniert, klar! Aber der Strom kommt ja dann auch weiter aus der Steckdose. Ganz bestimmt, versprochen.

Korrektur: Ein Leser machte uns darauf aufmerksam: Frau Barleys Wahlkreis befindet sich nicht im Saarland wie ursprünglich geschrieben, sondern im benachbarten Trier (Rheinland-Pfalz). Und je nachdem, wo man sich im Wahlkreis Trier aufhält, kann man  den von Cattenom aufsteigenden Wasserdampf sehen.

Foto: Barley/Facebook

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Rico Martin / 11.05.2019

SPD: Schni schna schnappi, überschnappi schnapp! Einfach mal machen und abwählen. Ich wünsche der momentanen SPD 3,9 %

Juergen Grossheim / 11.05.2019

Da kann sich Frau Barley mit den Grünen verbünden. Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen. Wer den Planeten retten will fängt bei unserem Kontinent an. So ein Slogan auf einem GroßPlakat der Grünen in NRW.

Frank van Rossum / 11.05.2019

Nachtrag: Mathias Richling als Gerhard Schröder und Helmut Schmidt: Schröder:” Die SPD wird 150 - wie hat sie das nur geschafft?” -  Antwort Helmut Schmidt(zündet sich eine Zigarette an): “Es ist wie bei mir- alles an Ihr war Rauch”.

J. Braun / 11.05.2019

@Ulli Post, „… wo uns dummen Volk auch immer völlig ungefährlichen Wasserdampf ausstoßende Kühltürme gezeigt werden, wenn es um die “bösen” Kern(auch Kohle-)kraftwerke geht!“—Es ist noch besser: Wasserdampf führt zu Wolkenbildung, Wolken sind weiß und reflektieren die Sonnenstrahlen und damit—genau!—sie verhindern die Aufheizung der Atmosphäre. Kernkraftwerke sind also allein schon wegen der CO2-freien Wolkenbildung ein probates Mittel, die Erderwärmung aufzuhalten. Laßt sie uns bauen, wenn wir weiter in unserem kühlen Mitteleuropa frieren wollen. Da ich nicht gern friere, bin mehr für Kohlemeiler.

Dr. Joachim Lucas / 11.05.2019

“Der Rauch aus Cattenom” ist fast so gut wie “das Netz ist der Speicher”. Da sind zwei intellektuelle Hirnamöben auf Augenhöhe in Bodennähe. Es genügt ja nicht nur nichts drauf zu haben, man muss auch unfähig sein den Blödsinn wenigstens gekonnt verbal auszuscheiden. Aber die SPD ist mit solchen Gestalten nicht allein auf weiter Flur. Bald kommt, wie es hier bei Achgut mal hieß, der gute, grüne, saubere Strom Dank SPD-Leuchte Barley dann über das grün-gelbe Kabel in der Steckdose. Das ist extra eingebaut für den grünen Zukunftstrom aus heimatlichen Windmühlen auf Bezugskarte. Der schmutzige Strom des braunen und blauen Kabels wird dann abgeschaltet und stillgelegt.

Susanne v. Belino / 11.05.2019

Es ist schon ziemlich beängstigend, wenn jemand, der in Deutschland ein Ministeramt bekleidet und zudem noch danach trachtet, demnächst die Geschicke Europas mit zu gestalten, nicht einmal imstande ist, zwischen Dampf und Rauch zu unterscheiden. Au weh!

H. Schmidt / 11.05.2019

Abschalten kann man alles. Von heute auf morgen. Wo der Strom in Europa dann herkommen soll um die ganzen Elektro-Vehicle zu nutzen verraten dieses Traumtänzer aber nicht. Ganz zu schweigen davon wer das bezahlen soll und was es am Ende wirklich für einen Unterschied macht. Abwählen wäre die sauberst Lösung.

Christian Wolff / 11.05.2019

@M.Friedland / 11.05.2019: Gaaanz toll, wie sie hier den Einfluss von Wasserdampf aus einem Kühlturm auf das Klima hochrechnen: Können Sie sich vorstellen, wieviel Energie in nur einem einzelnen Hurrican steckt? Und wieviel das im Verhältnis zur Gesamtleistung eines Kernkraftwerkes ist? ganz abgesehen von dem bisschen Wärme in dem Wasserdampf aus einem Kühlturm! Das ist ungefähr so wichtig, als wenn sie ein Sandkorn auf die Zugspitze legen und verlangen, dass deren Höhe jetzt neu vermessen wird.

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