Michael Miersch / 23.02.2009 / 23:05 / 0 / Seite ausdrucken

Mit Elefantenmist in die Zukunft

Kolumne von Maxeiner & Miersch, erschienen in DIE WELT am 20.02.2009

München ist ganz doll öko. Die Stadtwerke betreiben ein Windrad auf einem früheren Müllberg. Jeder, der von Norden in die Stadt kommt, sieht es. Manche sagen, es sei bekannter als die Frauenkirche. Über dieses Windrad gibt es eine bunte Broschüre, die erklärt, wie bedeutend es für die Stromversorgung ist. Auch die Elefanten im Tierpark Hellabrunn leisten einen Beitrag, damit München leuchtet. Ihr Dung wird in einer Biogasanlage vergoren. Das daraus gewonnene Gas dient als Brennstoff für ein Blockheizkraftwerk. Auch darüber gibt es eine schöne Publikation. Wer in München wohnt, hat immer wieder Broschüren im Briefkasten, in denen die Stadtwerke kundtun, wie wunderbar grün sie sind. Darin klingeln die Worte wie die Glöckchen am Rathausturm: alternativ, regenerativ, öko. Leider gibt es keine Broschüre über das Atomkraftwerk Isar 2, an dem die Stadtwerke München zu 25 Prozent beteiligt sind. Dabei könnte man auch von dort Interessantes berichten. Isar 2 war schon viermal der produktivste Kernkraftwerksblock der Welt. Aber das scheint den Stadtwerken irgendwie peinlich zu sein. Womit wir beim Problem wären.

Politiker beklagen gern, dass die Bevölkerung so technologiefeindlich sei. Viele Deutsche würden nicht begreifen, wie wichtig Atomkraft für die Stromversorgung ist oder welche Potenziale in der Grünen Gentechnik stecken. Doch wie sollen die Normalbürger darauf kommen, wenn man diese Technologien vor ihnen versteckt? Wenn Atomkraftwerke hinter einer bunten Kulisse aus Windrädchen und Elefantenbiogas verschwinden. In der politischen Rhetorik wird ein technologischer Märchenpark herbeiphantasiert, der immer weniger mit der Realität zu tun hat.

Das ist nicht nur in München so. Frau Aigner und die CSU haben sich fest vorgenommen, ganz Deutschland zum Märchenpark zu machen. Anstatt die Falschbehauptungen der Anti-Gentechnik-Aktivisten entschlossen zu widerlegen, stellt sich die Landwirtschaftministerin an die Spitze der Bewegung und verzaubert Deutschland – simsalabim – zur gentechnikfreien Zone. Doch unsere Stalltiere werden mit gentechnisch veränderter Soja gemästet, unsere Lebensmittel mit gentechnisch erzeugten Enzymen und Aminosäuren hergestellt. Millionen Diabetiker und andere Kranke nehmen tagtäglich Medikamente aus gentechnischer Produktion zu sich. Was zu der absurden Konstellation führt, dass Menschen sich gentechnisch erzeugte Substanzen in die Blutbahn spritzen lassen, sich aber vor Popcorn aus Genmais grausen. Millionen deutsche Touristen, die nach Kanada, Australien, Brasilien, China oder in die Vereinigten Staaten reisen, essen dort Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Pflanzen. Unser Geld besteht aus gentechnisch veränderter Baumwolle, ebenso wie T-Shirts und Tampons. Willkommen im gentechnikfreien Deutschland. Es ist so gentechnikfrei wie München atomkraftfrei ist.

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