Henryk M. Broder / 15.10.2018 / 12:00 / Foto: Cai Tjeenk Willink / 34 / Seite ausdrucken

Mit eiskalter Glut

Wer die Ereignisse der letzten drei Jahre aktiv – im Beruf – oder auch nur passiv – im Fernsehen – verfolgt hat, der kann nur zu einem Schluss kommen: Die Bundesrepublik ist ein Irrenhaus. 

Historiker kommender Generationen werden alle Hände voll zu tun haben, um herauszufinden, wie es so weit kommen konnte. Wie ein politisch zwar träges aber alles in allem doch gut funktionierendes föderales System dermaßen enteiert werden konnte, dass alle relevanten Entscheidungen nur noch an einem Ort – in Berlin, im Bundeskanzleramt, im sogenannten Koalitionsausschuss, einer Regierung in der Regierung – getroffen wurden, in endlosen Sitzungen, die bis zum Morgengrauen dauerten, als ob die Teilnehmer tagsüber nicht zum Regieren kämen, weil sie sich um Pflegefälle innerhalb ihrer Familien kümmern müssten. 

Wie es dazu kommen konnte, dass zwei Tage vor dem großen Fest der nationalen Einheit 2018 ein „Umsturzversuch“ bekannt gegeben wurde, den acht rechtsradikale Irre geplant und schon mal in einem Chemnitzer Gartenlokal geübt hatten. Unter Umgehung aller Regeln zur Unschuldsvermutung, die selbst für jene gelten, die auf frischer Tat beim Abfackeln von parkenden Autos erwischt werden, wurde der Eindruck vermittelt, als wäre die Bundesrepublik in letzter Minute vor einem Staatsreich bewahrt worden. 

Wie es dazu kommen konnte, dass die Dieselfrage zu einer Angelegenheit von Leben oder Tod hochgefahren wurde, während die „innere Sicherheit“ und die infolge einer hysterischen „Willkommenskultur“ entstandenen Probleme als „gefühlte Gefahren“ verharmlost wurden.

Jeder Tag, den der Herr uns schenkt, beweist aufs Neue die Richtigkeit einer Sottise von Oskar Panizza. „Der Wahnsinn, wenn er epidemisch wird, heißt Vernunft.“ Ich vermute, der Satz steht, in eine Tafel aus Marmor gemeißelt, auf dem Schreibtisch von Angela Merkel und auch auf den Karten, die sie bei ihren Reisen durch die Republik signiert. Ich bin mir nur nicht sicher, ob sie ihn richtig verstanden hat.

Es bleibt nur ein Trost: Nichts bleibt unbemerkt. Es wird alles protokolliert, von den Anmoderationen Claus Klebers im heute journal bis zu den Reden der Kanzlerin und ihrer Klone. Historiker kommender Generationen werden genug Material vorfinden, um sich ein Bild machen zu können, wie die drittgrößte Industrienation der Welt, der Weltmeister der Herzen, die Brutstätte des kategorischen Imperativs und des Ehegattensplittings sich so weit von der Wirklichkeit entfernen konnte, bis nur noch das Reinheitsgebot übrig blieb, wonach Bier aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser hergestellt werden darf.

Zu den Materialien, die den Historikern dabei helfen werden, gehört auch dieses Buch. Markus Vahlefeld hat es mit eiskalter Glut geschrieben. Mögen sich die Richtigen daran die Finger verbrennen.

Markus Vahlefeld: Macht Hoch die Tür – Das System Merkel und die Spaltung Deutschlands, Aschenputtel-Publishing, Oktober 2018, 236 Seiten, EUR 16,00; Infos unter: www.markus-vahlefeld.de

Foto: Cai Tjeenk Willink CC BY-SA 3.0 via Wikimedia

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Lutz Herzer / 15.10.2018

“...in endlosen Sitzungen, die bis zum Morgengrauen dauerten…”  Schlafentzug gehört zu den Standardmethoden totalitärer Regime. Und ob selbst Sie, Herr Broder, nach einem sechsstündigen Aufenthalt zusammen mit Angela Merkel in einem geschlossenen Raum mit der gleichen Standfestigkeit behaupten würden, Sie seien kein Huhn, mit der Sie das vor dem Petitionsausschuss getan haben? In meinem Fall zumindest wäre ich mir da nicht so ganz sicher.

Siegmar Sulzer / 15.10.2018

Ich sehe es mal so. Wenn der Blitz ins Bundeskanzleramt einschlaegt, darf de Feuerwehrwagen wegen seinen Dieselemissionen und fahrverbot sowieso nicht herausruecken. Die Feuerwehrmaenner muessen schnell ins technische Museum um eine pferdegezogene Feuerwehrkutsche ausleihen und dann zum Kanzleramt damit fahren. Die brennt dahin bis zu ihren Grundmauern nieder.  Oder die Feuerwehr aktiviert die alten benzinbetriebenen russischen LKWs wie SIL und URAL, um den Dieselverbot umzugehen. Jedenfalls wird spannend

Rudolf Stein / 15.10.2018

@ Hartmut Laun / 15.10.2018 Sie haben die wahrscheinlichste Varaiante von Merkels Abgang nicht erwähnt: Sie wird im Bundestag stehen und der Bundespräsident wird ihr bescheinigen, sich ums “Vaterland” verdient gemacht zu haben. Ein anderer Abgang ist für micht nicht denkbar, denn dafür ist der Deutsche Michel nicht gemacht.

Volkmar du Puits / 15.10.2018

Tut mir leid, Herr Broder: Hefe hat im Reinheitsgebot und im Bier nichts zu suchen!

Andreas Huber / 15.10.2018

Niemand bringt die aktuelle Situation so präzise auf den Punkt wie Henryk Broder. Dankeschön !

Gudrun Meyer / 15.10.2018

Ihr Wunsch in Gottes Gehörgang, aber da dürfte er nicht unverändert ankommen. Nicht die Richtigen, sondern wir Bürger werden uns die Finger nicht an Vahlefelds Buch, aber an den Tatschen eines zusammenbrechenden Landes verbrennen. Die Realsatire wird die herrschende Politik bleiben, bis der politisch-mediale Komplex es geschafft hat, eine Mischung aus oberflächlichen Resten der früheren Strukturen und einem supi Multikulti-Islamistan zu schaffen. Dann “dürfen” wir alle (ausgenommen die Juden, die bis dahin teils in Israel, teils unter der Erde sind) eine total coole Langeweile genießen, die mit cooler Korruption, Despotie und noch cooleren Brutalitäten untermischt ist. Dieser typisch totalitäre Zustand wird allerdings nicht die treffen, die ihn uns eingebrockt haben, denn die residieren dann in sicheren Ländern, z.B Kanada, die nie einen wilkommens-extremistischen Wahn in Politik umgesetzt haben. Im Dezember wird unsere Regierung unterschreiben, dass sie zwecks “Bestandserhaltungsmigration” ein paar bis etliche Millionen weitere Goldstücke, Menschengeschenke und kulturelle Bereicherer aufnehmen wird. Bereits in ein paar Jahren dürften diese Entscheidungsträger/Volksvertreter nicht uns, aber sich selbst in Ottawa, Sidney, Baltimore oder selbst Tokio vertreten. Na, ist das nichts?

Martin Landvoigt / 15.10.2018

Zwar mag man über Kants ‘kategorischen Imperativ’ Zweifel hegen, ob es nun ein Missverständnis oder gerade Kants Webfehler war, der aus einer gefühlten Gesinnungsethik ein dominantes Prinzip machte. Vermutlich war es Kant so ferne, dass man die Konsequenzen des eigenen Handelns so sehr ausblenden könne und sich doch moralisch verpflichtet sieht, auch wenn die Sache böse enden muss:  Allein der gute Wille zählt und wird zum Diktum jenes Imperativs. Meine Kritik an Kant geht aber weiter: Denn die Maxime des Handelns muss gar nicht das persönliche Handeln unter eherne Regeln stellen. Mitgefühl kann im Persönlichen ganz ohne Formalisierung ein situatives Handeln rechtfertigen, dass aber für eine generelle Gesetzgebung völlig ungeeignet und schädlich ist.

Frank Baumann / 15.10.2018

Ich muß Ihnen leider widersprechen Herr Broder, so sehr ich mir auch wünsche, daß Sie Recht hätten, denn eine Aufabeitung würde implizieren, daß sich etwas ändern wird. Aber dies, so befürchte ich, wird nicht der Fall sein. Es ist vorbei, die vermittelte vorgebebene Einheitsmeinung von der Kita, Schule, bis zur Universität, über Medien und Politik hat sich etabliert, sie ist unumstößliches Dogma geworden. Die Mehrheit der Bevölkerung, vielleicht sogar die absolute, glaubt an den alltäglichen Wahnsinn, der sich längst als neue Vernunft etabliert hat. Ich gehe eher davon aus, daß in naher Zeit systematische Verfolgungen Anddersdenkender beginnen werden, von einem Lokalpolitiker der Linken in Bayern wurde ja erst kürzlich die “zentralisierte Unterbringung” von “Neonazis” gefordert. Soweit mir bekannt, zählt die Achse auch als “rechtsextreme” Plattform, was heute im allgemein vermittelten Empfinden als deckungsgleich mit “Neonazi” anzusehen ist.

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