Peter Grimm / 04.04.2018 / 14:30 / Foto: FaceMePLS / 8 / Seite ausdrucken

Mit der Schusswaffe gegen die Langeweile

Manchmal sind es ja die kleinen Meldungen, die zeigen, wie sehr Deutschland, das ja geraume Zeit als eher langweiliges Land galt, in den letzten Jahren an Erlebnisreichtum gewonnen hat. Nehmen wir beispielsweise Bahnfahrten. Nein, hier soll jetzt nicht billig gekalauert werden, dass ja früher fast alle Züge pünktlich fuhren und man heute schon nach wenigen Schneeflocken, nassem Laub auf den Gleisen, stärkerem Wind, angeblichen oder tatsächlichen Polizei- und Notarzteinsätzen, Weichenstörung, Signalstörung, Schäden am Zug, fehlendem Personal oder einfach nur wegen „Störungen im Betriebsablauf“ (für Nicht-Bahnreisende: O-Ton Bahnhofsansage) mit Reise- und Wartezeiten überrascht wird, die die Älteren vielleicht noch aus Großmutters Erzählungen über die Zustände kurz nach dem Krieg kennen. Nur die früheren Bewohner der DDR können noch mit deutlich frischeren Erinnerungen an ein vergleichbares Chaos aufwarten.

Aber darum geht es jetzt nicht. Noch sind es deutsche Bahnreisende schließlich trotz alledem gewöhnt, letztlich doch sicher am Zielort anzukommen, ohne auf der Fahrt allzu großen Aufregungen ausgesetzt zu sein. Langweilig eben. Doch inzwischen gehört auch das Abenteuer zu Deutschland. Dass Mitreisende im Osterverkehr plötzlich eine Schusswaffe ziehen, um den Schaffner von der Sinnlosigkeit einer Fahrkartenkontrolle zu überzeugen, das kannten deutsche Bahnkunden vielleicht aus alten Western. Doch inzwischen wurden zahlreiche Fachleute für die Erzeugung spannender Momente im Alltagsleben in unser Land eingeladen, so dass eine derartige kurzweilige Einlage wie die, von der am Ostermontag berichtet wurde, durchaus häufiger die bislang monotonen Bahnfahrten auflockern könnte.

Wir lesen in rp-online: „Ein betrunkener 31-Jähriger hat in einem ICE von Hamm nach Hannover eine Schusswaffe aus seiner Tasche geholt, durchgeladen und gedroht. Der Kirgise besaß zudem keinen Fahrschein und ist gegen den Zugbegleiter aggressiv geworden.“

Die Polizei muss auf gute Bekannte nicht verzichten

Falls Sie nun fürchten sollten, es handele sich um einen kirgisischen Touristen oder Geschäftsreisenden, der bald wieder daheim in Kirgistan weilt und uns nicht mehr mit seinem anregenden Reise-Brauchtum bereichert, so ist Ihre Angst vollkommen unbegründet. Der Mann hat das Angebot, seinen Wohnsitz in einer deutschen Stadt zu nehmen, nicht ausgeschlagen. Es muss auch niemand fürchten, dass der unterhaltsame Kirgise nun weggesperrt und den Deutschen damit sein auflockerndes Treiben künftig vorenthalten würde. Beruhigend heißt es in der Meldung:

„Der Mann aus Viersen am Niederrhein sei wegen diverser Gewaltdelikte polizeibekannt, er sei jedoch wieder auf freiem Fuß.“

Die deutsche Politik ist ja bekanntlich umsichtig genug, dafür zu sorgen, dass die Polizei auf solch gute Bekannte nicht verzichten muss. Wer wird so kleinlich sein und einen Mann, der sich um die Unterhaltung deutscher Bahnreisender kümmert, nur wegen „diverser Gewaltdelikte“ ins wilde Kirgistan abzuschieben. Es war schließlich alles nur ein Spaß, denn bei der Waffe handelte es sich um eine Schreckschusspistole, wie die Bundespolizei feststellen konnte, nachdem einige Beamte den Mann überwältigt hatten.

Gegen ihn wird nun zwar wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz und des Erschleichens von Leistungen ermittelt, aber das muss Freunde abenteuerlicher Bahnreisefolklore nicht beunruhigen. Diese Ermittlungen werden sicher ebensowenig wie die bisherigen „diversen Gewaltdelikte“ dazu führen, dass der Mann zwangsweise aus dem Bahnverkehr gezogen wird. Und das Land, in dem wir gut und gerne leben, wird auch künftig nicht auf ihn und seinesgleichen verzichten müssen.

Der Beitrag erschien auch hier auf sichtplatz.de.

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Leserpost

netiquette:

Karla Kuhn / 04.04.2018

“„Der Mann aus Viersen am Niederrhein sei wegen diverser Gewaltdelikte polizeibekannt, er sei jedoch wieder auf freiem Fuß.“    Das ist alles nicht mehr zu fassen. WIESO darf eine Person, die andere Menschen, bzw. einen mit der Schußwaffe bedroht überhaupt auf freiem Fuß sein ?? Vor allem wenn sie bereits wegen “diverser” Gewaltdelikte polizeibekannt ist ??Muß der Mann erst zum Mörder werden ?? Oder sind unsere Gesetze außer Kraft ??  Und überhaupt, WARUM wird diese Person nicht sofort abgeschoben ?? Was will der hier in Deutschland ?? !! Das wird ja immer schöner.!!  Aber mit dieser Groko wird es wahrscheinlich nicht besser. die ja weiterhin für offene Grenzen eintritt, obwohl jeder weiß, daß auch viele Verbrecher mit ins Land kommen. Übrigens, in der DDR sind früher, in den sechziger-siebziger Jahren die Züge, vor allem die alten Modelle meist pünktlich ans Ziel gekommen. Ich mußte jahrelang jeden Tag fahren. Zwar nicht sehr komfortabel aber immer geheizt im Winter. Und eine Schußwaffenbedrohung habe ich nie erlebt. Messer reichen wahrscheinlich nicht mehr, die geben keinen Kick, da muß die Schußwaffe her, so wie bei der türkischen Hochzeit. Das gehört jetzt wohl auch zu oder nach Deutschland ?? Armes Deutschland.

Gudrun Meyer / 04.04.2018

Der Kirgise liefert halt ein cooles Kabarettprogramm. Oder einen spannenden Wildostfilm, je nach Definition. Aber eins haben Sie vergessen: dass nämlich der Kampf gegen Rächz außer von “Bunt-statt-Braun”-Initiativen und endlosen Staatskampagnen wie “Demokratie leben” oder “Aufstehen gegen Rassismus”, die dann über äußerst verdienstvolle Staatsalimentierte etwa der Amadeu-Stasi-Stiftung laufen, auch von derart mutigen und humorvollen Alleinunterhaltern bestritten wird.

Mike Loewe / 04.04.2018

Manchmal hat man wirklich das Gefühl, es liegt am übermäßigen Konsum von Filmen oder Serien aus Hollywood, dass ein ziemlich großer Anteil der Bevölkerung sich anscheinend wohl fühlt, wenn es ab und zu rummst und knallt und möglichst viele skurrile Typen mit Messer in der Tasche die Städte bevölkern.

Roland Stolla-Besta / 04.04.2018

Danke für diesen aufmunternden Beitrag! Erfreulich, daß Sie auch die positiven Seiten dessen sehen, was uns eine bekannte weise Seherin aus der grünlichen Ecke einst prophezeite („Unser Land wird sich verändern, und zwar drastisch…“). Ich habe mir daher vorgenommen, künftig öfter mit dieser unserer Eisenbahn zu reisen. Für solches Unterhaltungsprogramm nimmt man doch gerne auch mal eine mehrstündige Verspätung in Kauf…

Georg Dobler / 04.04.2018

Der Mann hat es versäumt rechtzeitig nach Hamburg umzuziehen, als Herr Scholz, der neue Finanzminister, dort noch regierender Bürgermeister war. Von dem hätte er einen Brief bekommen mit der Bitte doch einen Deutschen Pass anzunehmen und sich einbürgern zu lassen. Zitat aus der Hamburger Morgenpost vom 26.12.2016: ” Seit 2012 haben sich insgesamt 30.720 Hamburger mit ausländischer Staatsangehörigkeit für den deutschen Pass entschieden” und das Tollste: Er hätten den Kirgisischen behalten können “Die Möglichkeit einer doppelten Staatsangehörigkeit ist bei Afghanen besonders ausgeprägt. Fast alle Antragsteller haben sich für diese Variante entschieden”. Na also, geht doch. Einfach mal den neuen Bürgermeister fragen. Kohle kommt vom Finanzausgleich.

Bernd Ackermann / 04.04.2018

Früher träumte ich immer von Bahnreisen in fernen Ländern: mit der transsibirischen Eisenbahn durch Russland, mit dem Texas Eagle durch die USA. Neuseelands Inseln mit den Coastal Pacific erkunden und mit dem Tren Crucero durch die Anden. Mangels Penunze ist das damals nichts geworden. Heute könnte ich mir das zwar leisten, brauche es aber nicht mehr. Eine halbe Stunde in einer beliebigen deutschen Regionalbahn und man hat die ganze Welt gesehen. Danach fährt man dann lieber mit dem Auto nach hause.

Monique Basson / 04.04.2018

In Berlin sind die täglichen Fahrten in U- und S-Bahn zu einer unzumutbaren Tortur geworden. Ich habe seit 2015 unaussprechliche Dinge erlebt und beobachtet. Es geht nicht nur um das übliche Schubsen, Pöbeln, Spucken, Klauen und Grapschen. Zweimal haben, in meinem Beisein, Gruppen von “Bereicherern” mit gezogenem Messer den Deutschen angedroht sie zu “schlachten”. Diese Todesangst sorgt nicht nur dafür, dass man sich fast in die Hose macht, man vergisst so etwas auch nie wieder und der eigene Alltag passt sich den drastischen Änderungen an, allerdings ohne sich darüber zu freuen, Frau KGE!

Frank Stricker / 04.04.2018

Da bekommt doch der Begriff “Fahrkarte schießen” mal wieder eine völlig neue Bedeutung….......

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