Thilo Schneider / 02.10.2023 / 16:20 / Foto: Murray Foubister / 20 / Seite ausdrucken

Mit der Deutschen Bahn in die Wüste

Beatrix von Storch kritisiert bei Twitter / X wegen einer erheblichen Verspätung die Bahn, und deren Social-Media-Team will witzig sein und schickt die AfD-Politikerin per Bildmontage in die Wüste – ohne Rückfahrticket, wie sie sagt.

Die Geschichte geht so: Beatrix von Storch, gewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestags, wollte, ganz brav, ordentlich und ökologisch, mit der Deutschen Bahn fahren. Das hat sie auch getan. Nachdem ihr ICE sowieso schon 25 Minuten Verspätung hatte (was in Deutschland mittlerweile zur „akademischen Verspätung im tolerablen Rahmen“ zählt), musste der ICE noch eine „Drehfahrt“ von 15 Minuten auf die Gleise legen. 

Wie jeder Bahnreisende fand das Beatrix von Storch nicht so prickelnd und schoss ein Selfie von sich vor dem betreffenden Zug, den die Deutsche Bahn ganz hübsch und respektvoll mit einer Regenbogenfahne verziert hat. Jenes Selfie stellte BvS, wie ich sie nenne, um nicht jedes Mal den Namen voll ausschreiben zu müssen, auf X und kommentierte es mit dem Satz:

„Die Bahn kann wirklich NUR NOCH WOKE: 25 Minuten verspätete Abfahrt. Nach 3 Minuten Fahrt Durchsage: wir müssen nach dem nächsten Halt noch eine Drehfahrt machen – zusätzlich 15 Minuten. Wie ganz Deutschland: nix mehr auf die Kette kriegen, aber im rosa Tütü mächtig viel Regenbogen-Haltung zeigen.“

(Schreibfehler aus dem Original übernommen, die Worte „Deutschland“ und der „Regenbogen“ sind im Originaltext durch Icons ersetzt) Dazu BvS im Reiseoutfit mit Sonnenbrille, lila Jacke und rosa Hemd. So weit, so gut. Oder schlecht. Und wäre es dabei geblieben, hätte das nur die Fans der Band von „Beatrix und die Alternative“ interessiert.

One-Way-Ticket in die Wüste

Die Deutsche Bahn wollte aber die Kritik – am Regenbogenvorzeigen, nicht an ihren relativen Verspätungen – so nicht stehen lassen, sondern anders: Sie montierte das Selfie-Bild von BvS vor einen Wüstenhintergrund und antwortete BvS keck:

„Wir freuen uns, dass Sie Ihr Ziel trotzdem erreicht haben. Die Rückfahrt fällt leider aus.“ Na? Witzig, oder? Total schlagfertig und im wahrsten Wortsinne bahnbrechend. Da isser, der deutsche Böhmermannhumor. Sie werden sich in der Pressestelle der Deutschen Bahn ob ihrer Eloquenz sicher gegenseitig abgeklatscht haben. 

Die Reaktionen auf X zur Causa sind in diesem Zusammenhang recht interessant. Gemeinsam mit meinem Kollegen Claudio Casula habe ich mich ein bisschen auf der Plattform umgesehen. Erklärte AfD-Feinde freuen sich selbstverständlich über den Bahn-Post (mehr als 25.000 Likes), auch Renate Künast lässt es sich nicht nehmen, ein Herzchenaugen-Emoji zu hinterlassen. Viele User sind allerdings auch entsetzt und beklagen, dass der Rechtsnachfolger der Deutschen Reichsbahn von einer Reise ohne Wiederkehr schwadroniert. So meint der Influencer Ali Utlu in einem Kommentar, illustriert mit Menschen in einem Viehwaggon: „Menschen zu deportieren, ist ja nichts Fremdes für die ehemalige Reichsbahn, vor allem ohne Rückfahrt.“ Die Ex-AfD-Politikerin Joana Cotar schreibt

„Sagen Sie mal, geht's Ihnen noch gut? Ihr Verein ist so kaputt, dass ausländische Touristen sogar davor warnen, in Deutschland die Bahn zu benutzen und Sie wollen - als Staatsbetrieb - Ihnen nicht genehme Politiker, die genau diese Zustände anprangern, ins Nirgendwo deportieren? Himmel, sind Sie erbärmlich.“

Kommt drauf an, wer kritisiert...

Überwiegend wird auf die zahlreichen Defizite der Bahn auf ihrem eigentlichen Terrain hingewiesen. Von „Statt lustig sein vielleicht besser Ihre schlechte Performance auf der Schiene verbessern?“ bis „Als ob die DB es bis in die Wüste schaffen würde“. Markus Krall deutet an, dass es mit den hochnäsigen Albernheiten irgendwann vorbei sein könnte: „Wisst Ihr, was das beste an der Deutschen Bahn 2025 sein wird? Dass wir die komplett per Versteigerung privatisieren und 80% der Jobs von solchen satirischen Rohrkrepierern dann entfallen werden und die sich eine produktive Tätigkeit suchen müssen. Ich freu mich drauf.“

Interessant auch, dass Carsten Brennecke, Rechtsanwalt für Presserecht, Partner bei Höcker Rechtsanwälte, sich ebenfalls mehrmals bei der Bahn beschwerte – das Unternehmen sei ein „Katastrophenverein“ und „Dilettantenclub“, jeder Bahnanbieter in Drittweltländern sei mittlerweile verlässlicher als die Bahn und er werde wieder aufs Flugzeug umsteigen –, die Bahn es aber nicht für angeraten hielt, ihn ähnlich geschmacklos anzugehen wie Frau von Storch, sondern gar nicht. Was daran liegen könnte, dass Herr Brennecke nicht der AfD, sondern im Gegenteil den Grünen angehört.

Was der zur Causa meint? „Natürlich kann die Deutsche Bahn Witzchen über Storch machen. Vielleicht konzentriert sie sich aber auch einfach endlich mal aufs Kerngeschäft, einen verlässlichen Personenverkehr. Damit hat sie offensichtlich alle Hände voll zu tun.“

(Weitere bahnbrechende Artikel des Autors unter www.politticker.de

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Rainer Hanisch / 02.10.2023

“Vielleicht konzentriert sie sich aber auch einfach endlich mal aufs Kerngeschäft, einen verlässlichen Personenverkehr.” Dazu fehlt es halt; lieber drischt man noch auf die Kunden ein, damit die letzten auch noch abhauen. Vor Jahren wurde mit großem Geschrei die “Modernisierung” der S-Bahn-Streecke Nürnberg-Neumarkt bejubelt. Vorteiel sollten ein 20-Minuten-Takt und “keine Verspätungen” sein. Alles hohle Versprechen - Verspätungen und Zugausfälle (auch ohne Baumaßnahmen in Dänemark, Herr Lohmar) sind nach wie vor “üblich”, der 20-Minuten-Takt ein Wunschtraum. Dafür sind durchgängige Zugverbindungen weggefallen, Umsteigen in Nürnberg ein Muss. Na gut, fahre ich eben mit dem PKW: 35 Minuten zur Arbeit in Fürth, mit den “Öffis” dauert es nun 1,5 Stunden.  ÖPNV? Nein danke. In der letzten TV - hören und sehen war ein interessanter Artikel über eine realistische und kostengünstige Variante der Klimarettung abgedruckt! Würde dem Staat aber kein Geld einbringen. Also wird das Volk weiter belogen, die CO2-Steuer muss gesichert bleiben!

Arnold Balzer / 02.10.2023

Die Pleite-Bahn will also die unbeliebte Frau von Storch in die Wüste fahren? Ha, ha, ha! Die schaffen’s von Berlin doch nicht einmal bis Hannover, oder gar Frankfurt, geschweige denn bis an die Staatsgrenze!

Thomas Hechinger / 02.10.2023

@Wilhelm Lohmar. Ich habe mir Ihren Kommentar mehrfach durchgelesen, ob ich vielleicht den Sarkasmus oder die Ironie nicht entdeckt hätte. Aber ich glaube, Sie meinen das wirklich ernst. Haben Sie den Tweet von Frau von Storch tatsächlich gelesen? Mit keinem Wort wird ein Bediensteter der Bahn am unteren Ende der Lohnskala damit angegriffen. Der Tweet zielt eindeutig auf die Bahnführung. Und die kann man gar nicht genug schelten. Wenn ich eine Fahrkarte löse, darf ich erwarten, daß mein Vertragspartner, die Deutsche Bahn, den Beförderungsvertrag auch einlöst. Wenn es nach Fahrplan um 9.31 Uhr losgeht und die Fahrt um 13.47 Uhr mit Erreichen des Ziels vorbei ist, dann habe ich auch einen Anspruch darauf, um 9.31 Uhr loszufahren und um 13.47 Uhr anzukommen. So einfach ist das. Nun kann es in jedem Vertragsverhältnis vorkommen, daß ein Vertragspartner wegen höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände den Vertrag nicht einhalten kann. So etwas muß aber die Ausnahme bleiben. Bei der Bahn ist das aber die Regel. Wenn die Bahn erwartbar die Leistungen, die sie anbietet, nicht erfüllen kann, dann muß sie sich ehrlich machen und sagen: Wegen Überlastung der Strecke können wir nicht mehr stündlich einen ICE von Großstadt X nach Großstadt Y anbieten. Das würde natürlich mit dem Versprechen der Politik nach einer Verkehrswende kollidieren. Das große Verkehrswendelügengebäude würde damit zusammenbrechen. Und so wird einfach weitergelogen. Und wenn jemand wie Frau von Storch sich beschwert, wird über sie auch noch Hohn und Spott ausgegossen. Das ist eine bodenlose Unverschämtheit. Nach dieser Entgleisung müßte der Bahnvorstand eigentlich zurücktreten. Aber wir sind ja in Deutschland…

Regina Becker / 02.10.2023

@Wilhelm Lohmar - Wie bitte? Vernachlässigt worden? Es wurden große Prestige-Projekte angeleiert. Berliner Hauptbahnhof, Stuttgart 21, Umbau Hannover Hbf, MegaHub Lehrte, SFS Wendlingen - Ulm usw. usf. Es wurden viele elektronische Stellwerke gebaut und in Betrieb genommen ... um Personal einzusparen. Bahnhöfe wurden personalfrei gemacht. Neue Züge wurden gekauft. Bei Störungen haben die Techniker weite Anfahrtswege. Die Bahn ist so unpünktlich und unzuverlässig wie noch nie zuvor. Es gibt als Maßstab nur die Pünktlichkeit. Danach kommen Service und Komfort. Mit Baustellen muss die Bahn umgehen können. Dafür werden Fahrpläne bekanntlich angepasst Diese temporären Aushänge kennt jeder Bahnreisende. Darum geht es hier aber nicht. Es geht um die alltäglichen Abweichungen durch miserable Logistik und fehlendes motiviertes und gut ausgebildetes Personal. Statt dessen gern Wokeness, das stimmt schon. Wenn man dann noch so pampig reagiert… Es wäre wohl eher eine Entschuldigung für die Zumutungen fällig gewesen. Frau von Storch wird ja nun nicht die einzige Betroffene gewesen sein. Sollen alle anderen Reisenden auch mit dem Sonderzug ohne Rückfahrt in die Wüste?

Silas Loy / 02.10.2023

Got broke? Get woke!

Hans Bendix / 02.10.2023

Nun, den Bildern nach müsste es sich dabei um die deutsche Bagdadbahn handeln. Zum Glück fährt die wohl seit geraumer Zeit nicht mehr, sonst hätten wir noch mehr Araber am Hals.

Georg Andreas Crivitz / 02.10.2023

Künast: Vor einiger Zeit war sie selbst Zielscheibe persönlicher Angriffe und Verunglimpfungen auf Social Media Plattformen. Merkwürdig, dass sie, wenn es andere trifft, ungeniert Zustimmung signalisiert, statt sich aus solchen Kampagnen herauszuhalten.

T.Brecht / 02.10.2023

Die DB ist nur noch was für verzweifelte und/oder todesmutige Abenteuertouristen mit Genderinkongruenz.  Motto : Mit der Geisterbahn durchs Land der Bekloppten.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thilo Schneider / 08.08.2024 / 10:00 / 49

„Ode an die Freude“

Statt zu wüten, ist Kultur und Stärke als Gegenwehr gegen die Überfremdung empfohlen. In England hat er sich schlussendlich nun aufgemacht, der Mob. Er brennt,…/ mehr

Thilo Schneider / 30.01.2024 / 16:00 / 20

Jahrestag: Die Schlacht von Stalingrad geht zu Ende

Heute vor 81 Jahren ernannte Hitler General Paulus, der mit seiner 6. Armee in Stalingrad dem Ende entgegensah, zum Generalfeldmarschall. Denn deutsche Generalfeldmarschälle ergaben sich…/ mehr

Thilo Schneider / 26.01.2024 / 16:00 / 20

Anleitung zum Systemwechsel

Ein echter demokratischer Systemwechsel müsste her. Aber wie könnte der aussehen? Bei den Ampel-Parteien herrscht mittlerweile echte Panik angesichts der Umfragewerte der AfD. Sollte diese…/ mehr

Thilo Schneider / 18.01.2024 / 16:00 / 25

Neuer Pass für einen schon länger hier Lebenden

Ich will einen neuen Reisepass beantragen. Doch um ihn zu bekommen, soll ich den abgelaufenen mitbringen, ebenso meine Heiratsurkunde und Geburtsurkunde. Warum muss ich mich…/ mehr

Thilo Schneider / 16.01.2024 / 15:00 / 73

Zastrow-FDP-Austritt: „Ich will den Leuten noch in die Augen schauen können“

Holger Zastrow, Ex-Bundesvize der FDP, kündigt. In seiner Austrittserklärung schreibt er: „Als jemand, der in der Öffentlichkeit steht und durch seinen Beruf mit sehr vielen…/ mehr

Thilo Schneider / 11.01.2024 / 14:00 / 64

Was würden Neuwahlen bringen?

Kein Zweifel, die Ampel hat fertig. „Neuwahlen!“ schallt es durchs Land, aber was würden die angesichts der aktuellen Umfrageergebnisse bringen, so lange die „Brandmauer“ steht…/ mehr

Thilo Schneider / 10.01.2024 / 14:00 / 35

Das rot-grüne Herz ist verletzt

Die Leute begehren auf, vorneweg die Bauern. Es wird viel geweint. In Berlin, Hamburg, München und Stuttgart. Aus Angst. Aus Angst, von den Futtertrögen des…/ mehr

Thilo Schneider / 24.12.2023 / 12:00 / 25

Meine Agnostiker-Weihnacht

Herrgottnochmal, ich feiere tatsächlich Weihnachten. Wenn es doch aber für mich als Agnostiker eigentlich „nichts zu feiern gibt“ – warum feiere ich dann? Die Geschichte…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com