Von Bernd Steinbrink.
Alle Wissenschaftler sind sich einig. Der Klimawandel ist menschengemacht. Das zumindest will uns eine grüne Klientel glauben machen. 97 Prozent der Wissenschaftler seien davon überzeugt, hieß es zunächst – im Laufe der Zeit waren daraus gar 99 Prozent geworden. Die schlimmen „Klimaleugner“ wurden als wissenschaftliche Ignoranten hingestellt – von den Interessen der bösen Industrie getrieben und irrational argumentierend. Auch in Europa hätten sich 18.000, 22.000, ja sogar 28.000 Wissenschaftler – mit der Zeit wurden es immer mehr – für die Argumente der Fridays-for-Future-Kids, der Scientists for Future, der Grünen, der Gretinnen und Gretins ausgesprochen. Grund genug, einmal nachzuprüfen, was an diesen Behauptungen dran ist.
Da sind zunächst einmal diese 99 Prozent, die ursprünglich – bevor die Stille Post zwei Prozent hinzugemogelt hatte – 97 Prozent waren und auf eine Studie von Forschern um John Cook von der australischen University of Queensland zurückgehen. Diese Studie wurde 2013 in der Fachzeitschrift „Environmental Research Letters“ veröffentlicht. Wie der Name, Quantifying the consensus on anthropogenic global warming in the scientific literature, ausweist, handelte es sich um eine Auswertung der wissenschaftlichen Literatur zum Thema menschengemachte globale Erwärmung. Die Auswertung wurde, so der SPIEGEL, von Umweltaktivisten ausgeführt.
Die Prozentzahlen geben also nicht eine bestimmte Anzahl von Wissenschaftlern wieder, sondern ausgewertete knapp 12.000 wissenschaftliche Publikationen zum Thema Klima und Klimawandel. Und auch das ist nicht ganz richtig, denn jene 97 Prozent bezogen sich nicht auf die gesamten 12.000 Veröffentlichungen, sondern nur auf etwa 4.000, weil ungefähr 2/3, also mit etwa 8.000 die Mehrzahl, gleich unter den Tisch fielen, da sie sich nicht eindeutig für oder gegen einen menschengemachten Einfluss auf den Klimawandel festlegen wollten.
Von den 4.000 sprachen sich drei Prozent explizit gegen einen solchen Einfluss aus, 97 Prozent davon räumten diesen ein. Der entscheidenden Frage wurde aber nicht nachgegangen: Wie hoch und relevant dieser Einfluss eingeschätzt wurde, so dass selbst jeder „Klimaskeptiker“, der einen geringen Einfluss einräumt, zu diesen 97 Prozent gerechnet worden wäre. Dazu der SPIEGEL, sonst der strengen grünen Lehre gegenüber nicht abgeneigt: „Die Studie belegt also lediglich eine Banalität: Wissenschaftler sind sich weitgehend einig, dass der Mensch zur Klimaerwärmung beiträgt. Selbst hartgesottene Kritiker der Klimaforschung zweifeln nicht an dem physikalischen Grundsatz, dass Treibhausgase aus Autos, Fabriken und Kraftwerken die Luft wärmen.“ Daneben erscheint noch die Auswertung und Zuordnung der Arbeiten durch Cooks Klimaaktivisten problematisch. Auf Nachfrage eines Kritikers beklagten sich zahlreiche Wissenschaftler, ihre Studie sei bei jenen 97 Prozent fälschlich vereinnahmt worden. Übrigens bezog sich auch der oft als Kronzeuge angeführte Obama in seiner Aussage über eine weitgehende Einigkeit von Wissenschaftlern auf jene Cook-Studie – was sie aber auch nicht seriöser macht.
Die relevante Frage wurde gar nicht gestellt
Sodann bemühten sich diverse Wissenschaftsaktivisten, Umfragen durchzuführen, und einige behaupteten, hinsichtlich des menschengemachten Klimawandels bestünde ein wissenschaftlicher Konsens von 99,9 Prozent. Doch auch bei diesen Aussagen lässt die Auswahl und die Fragestellung an wissenschaftlicher Seriosität zweifeln, etwa wenn gefragt wird, ob ein menschlicher Einfluss auf das Klima auszuschließen ist und eine verneinende Antwort als Zustimmung zum anthropogen verursachten Klimawandel gewertet wird. Das aber ist gar nicht die relevante Fragestellung. Der „Klimarebell“ Fritz Vahrenholt formuliert sie treffend: "Treibhausgase, die Sonne und ozeanische Strömungen […] beeinflussen das Klima. Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, herauszufinden, wie groß der jeweilige Anteil ist. Der Weltklimarat hat es sich mit seinen Klimamodellen zu einfach gemacht. Er hat die Sonne in seinen Berechnungen auf null gestellt und kommt zum Ergebnis, dass 95 Prozent der Klimaveränderung von CO2 und den anderen Klimagasen stammt.“
Als die Cook-Studie und die etwas hilflosen 99,9-Prozent-Behauptungen nicht mehr taugten, wissenschaftlichen Konsens zu suggerieren, kam man im Rahmen der Scientists-for-Future offenbar auf die Idee, eine Liste von Wissenschaftlern zusammenzustellen, die die These vom menschengemachten Klimawandel unterstützten und – siehe da – es fanden sich scheinbar sogleich tausende Wissenschaftler, die Zustimmung bekundeten, angefangen vom Fernsehdoktor Eckart von Hirschhausen bis hin zum Kieler Professor Mojib-Super-Latif.
Natürlich stellt sich dabei die Frage, wie ausgewiesen die Wissenschaftler überhaupt sind. Ich fragte deshalb bei der Internet-Seite von Fridays for Future, bei Scientists for Future und bei Herrn Dr. von Hirschhausen an, wo ich denn die Liste mit den mehr als 20.000 Wissenschaftlern finden könne. Die ersten beiden Organisationen antworteten gar nicht, Herr Dr. von Hirschhausen ließ mir sehr freundlich über seine Pressesprecherin mitteilen, dass das im Hause auch nicht bekannt sei, verwies mich aber auf jene bekannten 700 Erstunterzeichner. Die hatte ich aber schon zuvor gefunden. Nach einigen Wochen erschien dann aber auf der Seite von Scientists for Future eine Unterschriftenliste, als ich sie erstmals aufrief, waren es etwa 22.000, jetzt – Ende Juli – sind es 26.800.
Dort beteuert man zwar, die Unterschriften seien in Stichproben geprüft worden, es seien „nur vereinzelt offensichtliche und absichtliche Fehleinträge gefunden [worden]. Etwa 3 % der Unterschriften wurden aufgrund unklarer und unzureichender Angaben zurückgewiesen.“
Wenn man an der Tapete kratzt...
Das Gros der Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sei, dieser Eindruck wird vermittelt, wissenschaftlich ausgewiesen. Auch ich machte einige Stichproben mittels Internet-Recherche, dabei stieß ich gleich auf eine Schülerin. Nun wissen wir zwar seit Greta, der Erlöserin, dass Schüler und besonders Schülerinnen in Klimaangelegenheiten die besten Wissenschaftler sind, der Fund regte mich allerdings an, der Sache ein wenig systematischer nachzugehen. Nun kann niemand verlangen, die damals 22.000 Unterschriften nachzuprüfen und auszuweisen. Eine ordentliche Auflistung mit Qualifikationsnachweis wäre die Aufgabe der „Scientists for Future“ gewesen. Um nicht irgendwie zu manipulieren, entschloss ich mich, einen beliebigen Block mit 100 Unterschriften nachzuprüfen, die zufällige Auswahl fiel auf einen Block beim Buchstaben B.
Nun gab es in diesem 100er Block tatsächlich diverse Wissenschaftler, wenn auch zumeist nicht vom Fach, dazu auch Freischaffende mit akademischem Abschluss (was bei grünen Politikern ja nicht gang und gäbe ist) und diverse Doktoranden, die gerade ihren Studienabschluss erfolgreich hinter sich gebracht hatten. Inwieweit letztere als Wissenschaftler in Sachen Klima durchgehen, mag jeder selbst beurteilen, zumal ich aus eigener Erfahrung weiß, dass die Mehrzahl der „Doktorierenden“ nach einiger Zeit hinschmeißt. Aber selbst wenn man diese als Wissenschaftler ansieht, was kann eine Doktorandin in Philosophie und Literaturwissenschaft Bemerkenswertes über das Klima aussagen? Oder ein Musiklehrer, oder ein deutscher Autor und Poetry-Slam-Performer, oder ein Manager, ein Theatermann, ein Salamander- und Molchexperte? Bei Letztgenannten war die wissenschaftliche Qualifikation nicht nachzuvollziehen.
Bei meinem 100er Block waren 11 Professoren, 39 Promovierte, 37 Nichtpromovierte, 9 Doktoranden, 4 waren durch Internetrecherche nicht zuzuordnen. 18 Prozent waren Geisteswissenschaftler und Pädagogen, 9 Prozent Juristen und Wirtschaftswissenschaftler, 10 Prozent Mediziner, 7 Prozent Techniker, 19 Prozent kamen aus den naturwissenschaftlichen Fächern und Mathematik (MINT), 8 Prozent waren Umweltschützer und der Rest Landschaftökonomen und Musiker. Also ein breites Spektrum, hin und wieder kam es mir vor, als hätten ganze Familien und ganze Institute unterzeichnet.
...kommt die ganze Wand entgegen
Und wie bitte soll ein Doktorand, dessen Stelle aus Geldern zur „Klimaforschung“ finanziert wird, nicht unterschreiben, wenn der große Boss des Instituts bereits mit seiner Unterschrift vertreten ist? Ist möglich, aber wohl nicht wahrscheinlich. Und auch der Institutsleiter muss sehen, woher er seine Fördergelder bekommt. Leider ist es in den letzten Jahrzehnten im Hochschulbereich nicht unüblich, dass viele sogenannte „Forscher“ weniger auf die wissenschaftliche Notwendigkeit der Forschung als auf die Fördertöpfe schauen, die sie anzapfen können. Und die wiederum werden durch die Politik bestimmt.
Jeder mag sich selbst einen Eindruck von der Seriosität der Liste durch Recherche zu Stichproben oder eben auch zu einem zufällig ausgewählten Block verschaffen. Eine Recherche zum Thema Oregon-Petition ist ebenfalls empfehlenswert. Dabei handelt es sich um eine Erklärung aus dem Jahr 1999, die 31.000 Wissenschaftler unterschrieben hatten, die sich auf das Kyoto-Protokoll bezog und die eine menschengemachte globale Erwärmung infrage stellt.
Dazu ist ein Blick in den überaus gesinnungstüchtigen Artikel in Wikipedia aufschlussreich. Dort wird behauptet:
„Tatsächlich stammen die Unterschriften [zur Oregon-Petition] fast ausschließlich von Fachfremden; nur etwa 0,5 % der Unterzeichner verfügen über einen wissenschaftlichen Hintergrund in ‚Atmosphärenwissenschaften‘ oder ‚Klimatologie‘. Daher gilt die Oregon-Petition als typisches Beispiel für die seit den 1970er Jahren zunächst von der ‚Tabakindustrie‘ eingesetzte Strategie, ‚falsche Experten‘ für eigennützige Zwecke anzuführen.“
Auf der Oregon Liste waren zunächst auch einige Fake-Namen wie „Charles Darwin“ oder „Spice Girls“, was bei Wikipedia ebenfalls als abwertend für die Seriosität gesehen wird. Diese Namen wurden aber wohl sicherlich nicht von den „Klimaskeptikern“, sondern eher von deren Gegner untergemogelt, um die Liste zu diskreditieren. Auch mag die Anzahl an Wissenschaftlern mit „Wikipedia-Anerkennung“ auf der Oregon-Liste gering gewesen sein. Aber, liebe Wikipedianer, dann schaut Euch doch mal die Liste der „Scientists“-for-Future an. Da werdet ihr staunen: „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge, und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?“ (Mt 7,3)
Ein probates Mittel für Propaganda
Wissenschaftler vorzuschieben war schon seit dem legendären PR-Papst Edward Bernays ein probates Mittel für Propaganda. Barney schickte Stellungnahmen von Wissenschaftlern seinen Propaganda-Kampagnen voraus, um seinen Aussagen Glaubwürdigkeit zu verleihen. Durch das Attribut der Wissenschaftlichkeit sollten sie als allgemein anerkannt erscheinen. Ähnlich verfahren jetzt die grünen „Klimatologen“. Wer an der Doktrin zweifelt, ist ein Ketzer. Dabei sind seit der Antike das Staunen und der Zweifel der Ursprung jeder Wissenschaft.
Doch Zweifel waren von Beginn an bei „Klimawissenschaftlern“ nicht gern gesehen, vielmehr ging es darum, statt Zweifel Ängste zu wecken. So die Ethnologin und Soziologin Margaret Mead, eine der Mütter der 68er-Bewegung, 1975 auf einer Konferenz des National Institute of Environmental Health Service im Fogarty International Centerin Bethesda (MD). Mit von der Partie waren auch die Umweltaktivisten Stephen Schneider und William Kellog.
„What we need from scientists” forderte Margaret Mead, „are estimates, presented with sufficient conservatism and plausibility but at the same time as free as possible from internal disagreements that can be exploited by political interests, that will allow us to start building a system of artificial but effective warnings, warnings which will parallel the instincts of animals who flee before the hurricane.”
[Was wir von Wissenschaftlern brauchen, sind Schätzungen, die, ausreichend konservativ und plausibel vorzutragen, zugleich aber möglichst frei von Unstimmigkeiten sind, die von politischen Interessen instrumentalisiert werden können, die es uns erlauben, ein System künstlicher, aber wirkungsvoller Warnungen aufzubauen, Warnungen, die den Instinkten entsprechen, die Tiere vor einem Hurrikan fliehen lassen.]
Stephen Schneider, ein ehemals führender Klimawissenschaftler und einflussreiches Mitglied des Weltklimarats (IPCC), hatte Anfang der 1970er Jahre noch die auch durch Computermodelle errechnete Theorie einer globalen Abkühlung vertreten. Auf dieser Konferenz nun kam die Wende und 1989 offenbarte er die Strategie, die Margaret Mead vorgegeben hatte in einem Interview mit der Zeitung Discover:
„we need to get some broad based support, to capture the public imagination. That of course means getting loads of media coverage. So we have to offer up some scary scenarios, make simplified dramatic statements and little mention of any doubts one might have.”
[Wir müssen breite Unterstützung bekommen, um die allgemeinen Vorstellungen zu vereinnahmen. Das bedeutet natürlich eine Menge Medienberichterstattung. So müssen wir schaurige Szenarien anbieten, vereinfachende dramatische Erklärungen abgeben und eventuelle Zweifel, die man haben könnte, nicht erwähnen.]
Da ist es nicht mehr weit bis zu Greta Thunbergs „Ich will, dass ihr in Panik geratet.“ Übrigens: Auf der Konferenz mit Margaret Mead wurde noch das exponentielle Bevölkerungswachstum als Hauptproblem für den Klimawandel und für Umweltprobleme gesehen, entsprechend dem Ausspruch Heinz Habers: population is polution. Davon will die selektive Wahrnehmung der Grünen heute wohl nichts mehr wissen.
Eine Anzahl prognostizierter Weltuntergänge überlebt
Was Erwachsene nicht schafften, gelang Greta und ihren Schulkindern nach zwei heißen Sommern. Panik und Angst vor dem Weltuntergang zu schüren, apokalyptische Phantasien zu handlungsleitenden Beweggründen bei einem großen Teil der Öffentlichkeit, bei Medienleuten und Politikern zu machen. Zweifel sind nicht erlaubt, schnell wird man zum „Klimaleugner“ gestempelt. Und wenn finnische Forscher und mit ihnen japanische Wissenschaftler der Universität Kobe Zweifel an den Klima-Computermodellen äußern, werden sie schnell als Außenseiter abgetan und bleiben in der Wahrnehmung von Medien und Politikern unbeachtet.
Wenn führende deutsche Wissenschaftler erklären, der Klimawandel sei „ausgeforscht“ , von einem durchgehenden Konsens „der Wissenschaft“ sprechen und Untergangsszenarien beschwören, so sollte deren Wissenschaftsverständnis angezweifelt werden, ihnen ist als Einstieg die Lektüre von Poppers Logik der Forschung zu empfehlen. Wissenschaft bedeutet Diskurs, Streit um die besseren Argumente, auch Dissenz, Vielfalt, keineswegs Konsens, endgültige Aussagen, Einstimmigkeit, Ausgrenzung anderer Ansichten. Letzteres bedeutet gerade das Gegenteil vom „herrschaftsfreien Diskurs“ (Habermas).
Neunzig italienische Wissenschaftler stellen fest:
„Wie dem auch sei, der gleiche angebliche Konsens EXISTIERT NICHT. Es gibt tatsächlich eine bemerkenswerte Variabilität an Meinungen unter den Spezialisten – Klimatologen, Meteorologen, Geologen, Geophysiker, Astrophysiker – von denen viele einen wichtigen natürlichen Beitrag zur globalen Erwärmung anerkennen, welche von der vorindustriellen Zeit und sogar von der Vorkriegszeit bis heute beobachtet worden ist.“
Es ist zu hoffen, dass die einseitige politische Instrumentalisierung von Wissenschaft beendet wird und ideologiefreie Forschungen in alle Richtungen (!) gefördert werden. Auch können sich die Scientists for Future ein Beispiel an der transparenten Darstellung der wissenschaftlichen Qualifikationen in der Liste der italienischen Wissenschaftler nehmen (hätte mir viel Arbeit gespart, aber vielleicht ist Transparenz gar nicht gewünscht). Und es sollte Schluss sein mit der Panik-Mache. Ich habe eine Anzahl religiös-geprägter, prognostizierter Weltuntergänge überlebt, ich überlebe auch den der grünen Klimareligion.
Bernd Steinbrink, geb. 1951, arbeitete als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Rhetorik-Institut der Universität Tübingen, als Professor für Mediensystemtechnik an der HTWK Leipzig, anschließend hatte er eine Professur an der FH-Kiel, ist seit 2017 im Ruhestand. Er schrieb im Literaturteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter Reich-Ranicki und zahlreiche Artikel in technischen Zeitschriften (u. a. c’t, Byte, European Computer Sources, Mémoires Optiques). Er schrieb Artikel und Bücher zur Literaturgeschichte, digitalen Medien und Rhetorik.