Thilo Schneider / 27.01.2018 / 12:32 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 7 / Seite ausdrucken

Mir bleiben nur noch zwei Minuten!

Ich habe einen echten Scheißtag hinter mir. Gestern früh stieg ich doch recht gut gelaunt aus meinem Bett, aber spätestens bei meinem zwar frugalen, nichtsdestotrotz erlesenen Frühstück war Schluss. Auf dem I-Pad (in der Zeitung steht ja nur noch das „Internet von gestern“) schlug mir Spiegel-Online mittig ins Gesicht: die Doomsday-Clock, (also die Uhr, die das Risiko eines Atomkriegs anzeigt), wurde von amerikanischen Atomwissenschaftlern um eine ganze halbe Minute vorgestellt, jetzt auf zwei Minuten vor zwölf.

Au weia. Das war ja dann doch ein bisschen knapp. Ich habe den Kaffee schnell weggekippt und mich dann hektisch umgesehen, was ich noch fix in zwei Minuten zusammenraffen könnte. Wegbleiben kann alles, was mit dem Internet zu tun hat, weil es das in zwei Minuten nicht mehr gibt. Außer vielleicht in Botswana, aber da käme ich in zwei Minuten schlecht hin.

Es ist auch alles weggefallen, was irgendwie mit Geld zu tun hat, denn das wäre ebenfalls künftig noch weniger wert und die SPD-Gerechtigkeit wäre hergestellt, weil niemand irgendetwas mehr hätte. Außer in Botswana. Zwei Minuten vor zwölf. Da macht sich dann schon Hektik breit. Die Kinder in der Schule, die akute Lebensgefährtin schon auf Arbeit, drauf gepfiffen, die müssen sehen, wie sie klarkommen.

Dabei habe ich die leise Hoffnung gehabt, dass irgendwo Pornodarstellerinnen überleben werden. Fragen Sie mich nicht, warum, ich fand mich nach 15 Sekunden mit dem anachronistischen Katalog eines Versandhauses für Haushaltsbedarf unter dem Küchentisch wieder; ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie es dazu gekommen ist. Ich habe den Katalog an mich gedrückt und die Augen ganz fest zugemacht, mindestens zwei Minuten, und auf die Sirenen und den Lichtblitz gewartet. Kam aber nicht.

Vor der Parfümerie auf und ab marschieren

Ich habe mir dann wieder das I-Pad geschnappt und auf Facebook das Statement eines Mitmenschen gelesen, der verkündete, er „kämpfe schon seit Jahren gegen die Atombombe“. Und da habe ich mich dann gefragt, warum ich nicht gegen die Atombombe kämpfe.

Ich denke, es liegt daran, dass mich keine Atombombe bedroht, die sich, im Gegensatz zu den verdammten Hausspinnen, bei mir im Keller befindet und heimlich nachts nach oben krabbelt. Ich weiß, dass es Atombomben gibt und ich weiß, dass es völlig sinnlos ist, bei uns in der Fußgängerzone mit Trillerpfeifen und Transparenten vor der Parfümerie und dem Brillenladen auf und ab zu marschieren, weil beide keine Atombomben im Angebot haben. 

Und weil es den Atombombenchefs in Washington, Moskau, Pjönjang, Teheran, Islamabad, Peking und Neu-Delhi herzlich egal ist, wenn junge Frauen mit quietschbunten Haaren und alte Männer mit schütteren Pferdeschwänzen und abgebrochenem Kunststudium in der Fußgängerzone den Molli machen. Ich kann mir keinen Kim Jong-Un vorstellen, der vor die Mikrofone seines Staatssenders tritt und sagt: „Die Demo in der Fußgängerzone in Aschaffenburg hat mir gesagt, dass es falsch ist, wenn die USA Atomwaffen haben. Ich fordere Donald Trump auf, sämtliche Atomwaffen zu vernichten. Wir helfen gerne dabei.“

Ich hatte auch nie so Aufkleber „atomwaffenfreie Zone“ bei mir an der Klotüre hängen, weil ich nie damit rechnete, dass eines Tages ein General an meine Klotüre klopft und fragt, ob er eine Pershing oder SS20 auf meinem Topf platzieren dürfe. Offen gesagt, selbst wenn das ein General hätte tun wollen, so bin ich mir sicher, er hätte weder gefragt, noch meinen Aufkleber ästimiert. Eher glaube ich, sie hätten mich brüllend aus dem dritten Stock geschmissen.

Genug Zeit, mir ein Schlauchboot zu kaufen

Ich habe mich dann ein bisschen belesen und eine Klima-Uhr gefunden. Danach haben wir noch 16 Jahre Zeit, um die Erderwärmung auf 1,5° Celsius zu begrenzen, aber der Artikel war von 2017 und jetzt sind es nur noch 15 Jahre. Aber trotzdem noch genug Zeit, mir ein Schlauchboot zu kaufen oder eine Arche zu bauen (Spinnen bleiben aber draußen, Pech gehabt, Sauviecher). 

Da war ich dann doch wieder etwas beruhigt und habe nach anderen Meldungen gesucht, die mich panisch machen könnten. Da war jetzt gottseidank nur die Warnung, dass die Große Koalition der Billigen platzt, wenn der größtanzunehmende Vizekanzler Schulz und seine Entourage in den Koalitionsverhandlungen nicht ihren Willen bekommen. Das wiederum wäre jetzt so gar kein Weltuntergang für mich. Eher das Gegenteil.

Die einzige Uhr, die ich wirklich angehalten sehen möchte, ist und bleibt die Uhr im Hamburger Volksparkstadion. Vielleicht klappt es ja dieses Jahr!

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Hjalmar Kreutzer / 27.01.2018

Herrlich! Lieber Herr Schneider, für das „Antidepressivum“ ist ja ein anderer Hausautor der Seite zuständig, aber eben zum Sonntag. Warum soll man nicht auch schon am Samstag ein Antidepressivum haben? Vielen Dank! Allerdings, mit Benzin zum Mond zu fliegen, geht ja mal gar nicht, was sollen das Klima und Herr Schellnhuber dazu sagen ?

Werner Arning / 27.01.2018

Es gibt ja tatsächlich so viele möglichen Apokalypsen, die unser kurzes Leben bedrohen, dass einem schwindelig werden könnte. Es müsste mal jemand den Panikmachern erklären, dass die Panik im Grunde nicht lohnt, weil das Leben an und für sich schon äußerst endlich ist. Letztlich sind und bleiben unsere Möglichkeiten, auf die Dauer desselben Einfluss zu nehmen, relativ gering. Jeder Fortschritt im Sinne des Überlebens der Menschheit birgt die Verkürzung ihrer Existenz in sich. Medizinischer Fortschritt, Frieden etwa tragen bei zu Überbevölkerung, was wiederum das Überleben der Menschheit bedroht. Und so könnte man unzählige Beispiele anführen, die belegen, dass sich Gut und Böse ausgleichen, so sehr man sich auch anstrengen mag. Den Weltrettern sei vielleicht geraten, dass diese Welt nicht gerettet werden muss. Und wenn sie trotzdem wünschen es zu versuchen, dieses ohne Gezeter und Getue vonstatten gehen lassen sollten, um die restlichen Zeitgenossen nicht unnötig zu beunruhigen. Geh mir aus der Sonne.

Karla Kuhn / 27.01.2018

Beruhigend ist es doch, daß wir dann ALLE weg sind. Die in ihren Bunkern noch wohlversorgt hocken, werden nicht nur den Koller kriegen, sondern es wird einen Kampf um den letzten Tropfen unverseuchtes Wasser, um Medizin, um Milch-Eipulver und um die leckere Dosennahrung geben. Wenn dann nach einem halben Jahr die Bunkertüren geöffnet werden müssen und sie ebenfalls von der Strahlung heimgesucht werden, werden sie den Tod als erlösend empfinden. Nee, dann lieber gleich weg. Ich mache mir darum keine Gedanken. Warum soll ich mir den Rest meines Lebens vergällen ?? Als Kinder haben wir gesungen, am 30. Mai ist der Weltuntergang, wir leben nicht mehr lang. Auf diese Prognose war auch kein Verlaß.

Udo Schreck / 27.01.2018

Lieber Herr Schneider, also jetzt muss ich doch mal eine Lanze für die Spinnen brechen. Im Falle eines Atomkrieges hätte ich doch viel lieber den Keller voller Spinnen, als mit Menschen wie Heiko Maas, der Bundeskanzlerin oder einer Katrin-Göring-Eckardt.  Denn Spinnen halten mir im Gegensatz zu vorgenannten den Keller frei von unwillkommen Gästen. Außerdem sind Spinnen nach langem Betrachten gar nicht mehr so hässlich. Also: Alles spricht für die Spinnen.

Marla Arbogast / 27.01.2018

“akute Lebensgefährtin”? Haben sie sich verschrieben oder war das Absicht? Auf jeden Fall haben mein “Lebensaufschnitt”-Gefährte und ich herzhaft gelacht.

Gabriele Kremmel / 27.01.2018

Herr Schneider, vergessen Sie einfach alles, denn ich habe kürzlich eine andere Prognose gelesen (oder sagt man Weissagung?), nach der die Welt demnächst, nach ein paar unbedeutenden kriegerischen Auseinandersetzungen von einer apokalyptischen, nicht menschengemachten Naturkatastrophe heimgesucht werden wird. Falls jemand das überlebt, wird er danach ein sehr angenehmes Klima bei uns vorfinden und viel Platz haben. Genaues Datum und Uhrzeit kann ich Ihnen leider nicht sagen, denn die Quelle dieser Weissagung war so seriös, die Unkenntnis über die Zeit des Geschehens einzugestehen und diesbezüglich keine Vermutungen oder gar Berechnungen anzustellen.

Hermann Neuburg / 27.01.2018

Das mit der Uhr im Hamburger Volksparkstadion war gemein, aber ein wenig nachvollziehbar, aber nur ein wenig.

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