Henryk M. Broder / 27.02.2021 / 10:00 / Foto: Pixabay / 58 / Seite ausdrucken

Minister Spahn: Der Tunnel am Ende des Lichts

Der deutsche Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn, agierte bis vor kurzem durchaus erfolgreich. So war er „maßgeblich“ (Wikipedia) am Entwurf eines „Terminservice und Versorgungsgesetzes“ (TSVG) beteiligt, das dazu dienen sollte, dass gesetzlich Versicherte, also die sogenannten „Kassenpatienten“, „schneller und leichter einen Arzttermin erhalten“. Dazu gehörte auch „eine Erhöhung der Mindestsprechzeiten von Ärzten“.

Eine solche Art des Problem-Managements ist in Deutschland nicht unüblich. Man verbessert nicht das Angebot, man verändert die gesetzliche Grundlage. Die „Erhöhung der Mindestsprechzeiten von Ärzten“, also der Zeit, die ein Arzt einem Patienten widmen kann, war gewiss eine gute Idee, aber auch nicht mehr, denn dazu hätte man entweder die Zahl der Ärzte wesentlich erhöhen oder die Zahl der Patienten verkleinern müssen. Weder das eine noch das andere ist aus dem Stand machbar, die Wartezimmer sind weiterhin voll, und die Ärzte klagen darüber, dass sie einen großen Teil ihrer Arbeitszeit mit bürokratischen Erledigungen verbringen müssen.

Spahn wollte auch eine gesetzliche Neuregelung der „Organspende“ durchsetzen, und zwar dergestalt, dass eine Zustimmung zu einer Organspende als getroffen galt, wenn der Betroffene nicht explizit widersprochen hat, solange er dazu noch in der Lage war. Damit sollte die Zahlt der Organspenden erhöht werden. Der Bundestag mochte Spahn nicht folgen und stimmte für eine von den Grünen vorgelegte „Zustimmungslösung“.

Kein Grund zur Sorge

Unvergessen ist auch Spahns Agieren beziehungsweise Lavieren zu Beginn der Corona-Krise. Nachdem Ende Januar 2020 der erste Fall bekannt wurde, erklärte der für die Volksgesundheit zuständige Minister: „Für übertriebene Sorge gibt es keinen Grund“, Deutschland sei gut vorbereitet. Zwei Wochen später, Mitte Februar, gab er bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss wieder Entwarnung, die Gefahr einer Pandemie sei „eine zurzeit irreale Vorstellung“. 

Natürlich, hinterher ist man immer schlauer, es kann in der besten Regierung vorkommen, dass ein Minister eine Lage fehleinschätzt, sie dramatisiert oder verharmlost, je nach Bedarf. Aber in diesem Fall hätte Spahn es besser wissen können. Seit Anfang 2013 existiert ein vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages publiziertes Gutachten, in dem das Risiko einer „Pandemie“ analysiert wird. Erstellt wurde es „unter fachlicher Federführung des Robert Koch-Instituts und Mitwirkung weiterer Bundesbehörden“. In dem Gutachten heißt es unter anderem:

Das Szenario beschreibt eine von Asien ausgehende, weltweite Verbreitung eines hypothetischen neuen Virus, welches den Namen Modi-SARS-Virus erhält. Mehrere Personen reisen nach Deutschland ein, bevor den Behörden die erste offizielle Warnung durch die WHO zugeht. Darunter sind zwei Infizierte, die durch eine Kombination aus einer großen Anzahl von Kontaktpersonen und hohen Infektiosität stark zur initialen Verbreitung der Infektion in Deutschland beitragen. Obwohl die laut Infektionsschutzgesetz und Pandemieplänen vorgesehenen Maßnahmen durch die Behörden und das Gesundheitssystem schnell und effektiv umgesetzt werden, kann die rasche Verbreitung des Virus aufgrund des kurzen Intervalls zwischen zwei Infektionen nicht effektiv aufgehalten werden. Zum Höhepunkt der ersten Erkrankungswelle nach ca. 300 Tagen sind ca. 6 Millionen Menschen in Deutschland an Modi-SARS erkrankt… Nachdem die erste Welle abklingt, folgen zwei weitere, schwächere Wellen, bis drei Jahre nach dem Auftreten der ersten Erkrankungen ein Impfstoff verfügbar ist. Das Besondere an diesem Ereignis ist, dass es erstens die gesamte Fläche Deutschlands und alle Bevölkerungsgruppen in gleichem Ausmaß betrifft, und zweitens über einen sehr langen Zeitraum auftritt.“ 

Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten!

Von den Zahlen abgesehen, klingt das Gutachten erstaunlich hellseherisch. Offenbar ist die Warnung in der Welt der Politik, wo man sich gerne auf „die Wissenschaft“ beruft, wenn es um den Klimawandel geht, nicht angekommen. Heute, über ein Jahr später, tappt Minister Spahn immer noch im Halbdunkel der Erkenntnis. Bei einer Online-Diskussion mit besorgten Bürgern erklärte er: „Vielleicht brauchen wir übrigens alle eine dritte Impfung, das wissen wir noch gar nicht, ob wir alle nach zwölf oder 24 Monaten noch einmal eine brauchen.“

Wir, Jens Spahn vorneweg, wissen erstaunlich wenig. Wir wissen nicht, ob eine geimpfte Person sich oder andere trotz der Impfung anstecken kann, wir wissen nicht, wie lange die Wirkung einer Impfung anhält und wir staunen, dass Viren mutieren können, als habe es so etwas in der Geschichte der Virologie noch nie gegeben. Unter diesen Umständen könnte es sich als Segen erweisen, dass der Impfstoff knapp ist.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche.

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Leserpost

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Alexander Peter / 27.02.2021

Ja, das ist alles bemerkenswert. Aber auch nicht ungewöhnlich, denn niemand hat ja erwartet, dass Herr Spahn über nennenswerte medizinische Expertise verfügt. Ob diese im eigenen Ministerium vorhanden ist, wissen wir nicht, aber es gibt ja genügend Berater, die Geld für gute Worte tauschen. Herr Spahn steht zudem als “jugendlicher Held” noch am Anfang einer vielversprechenden Karriere, die, so hofft er möglicherweise, eines schönen Tages bis ins Kanzleramt führen könnte. Und über die verschlungenen Wege des deutschen “Kampfes” gegen das heimtückische chinesische Virus würde, wenn er noch könnte und obendrein dürfte, der Helmut Dietl eine tolle Komödie mit makabrem Einschlag machen. So müssen wir uns vermutlich in einigen Jahren mit einem mehrteiligen Heldenepos in der ARD über Angela Merkels heroischen Kampf gegen die “Mutanten”  begnügen. Wenn wir Glück haben, wird die eiserne Kanzlerin dann von einer Transfrau mit Migrationshintergrund verkörpert und Regie führt ein Kollektiv aus Berlin Mitte.

S.Müller-Marek / 27.02.2021

Wie soll auch ein BANKKAUFMANN Kenntnisse im Gesundheitswesen haben? Er hat nicht Medizin studiert, wie kann er also dieses Ressort besetzen, was qualifiziert ihn überhaupt? Über die fehlende Qualifikation wird dann mit teuren Beratern und “Experten” hinweggetäuscht, die wir Steuerzahler auch noch bezahlen dürfen. Diese Praxis hat sich in allen anderen Ministerien doch auch bewährt. Siehe Verteidigungsministerium. Der feine Herr Spahn ist i.m.A. einfach nur dumm. So, heute bin ich zwar noch Einzelhandelskauffrau, morgen fange ich als Hirnchirurgin an! Wird besser bezahlt. Schönes Wochenende!

G. Böhm / 27.02.2021

Mit anderen, etwas derben, Worten: Aus Spahns Tunnel kommt nur Scheiße! - Aber, er hat es eben drauf, selbst aus dieser klingende Münze zu machen, was allerdings nicht seiner Intelligenz, sondern der Dummheit der anderen geschuldet ist.

Frank Stricker / 27.02.2021

“Comical Jens” wäre die ideale Besetzung als Pressesprecher für Honecker oder Ulbricht gewesen, “Niemand hat die Absicht das Virus zu bekämpfen”..........

Volker Kleinophorst / 27.02.2021

Übrigens: Klammheimliche Freude ob der Spahnschen Corona-Infektion al la “Hoffenlich stirbt das Schwein” ist üble rechte Hetze. So was geht nur bei Trump, Putin und jedem der in der Schule mal neben einem späteren AFD-Politiker gesessen. Dann ist das Aktivismus. Übertrieben? Na dann hören sie doch mal Thierse (SPD) zu. Der hat gerade noch mal den Unterschied erklärt. Frage (Dirk-Oliver Heckmann): “Aber sehen Sie keinen Unterschied zwischen Identitätspolitik, die von rechts betrieben wird, und der von links? Thierse: Ohne Zweifel sehe ich den. Die Identitätspolitik von rechts ist eine Politik, die zu Ausschließung, zu Hass, ja zu Gewalt führt. Und die Identitätspolitik von links führt, wenn sie weiter so einseitig und in dieser Radikalität betrieben wird, zu Cancel Culture.” Nun waren ja die NationalSOZIALISTEN schon mal Linke. Da hinkt es an der ersten Stelle. Und natürlich Linke Gewalt gibt es nicht, da wird ja nur gecancelt. Mao, Stalin und ja VolksGENOSSE Hitler, der genau in diese Reihe gehört, haben Millionen gecancelt. Was für ein Spacken. Nennt sich auch immer noch “Bürgerrechtler”. Wo wären wir nur ohne den “guten Hass”. Da muss ich brechen. PS.: Die Gesamtrechnung bei Merkel steht noch aus. Aber für die Opfer ihrer “Merkel hat mitgemessert”-Politik muss Merkel ja keine Verantwortung übernehmen. Das sind altbackende patriarchalische Vorstellungen. Sie will doch nur unser bestes. Und: Wer tot ist, dem tut doch nichts mehr weh. “Die Deutschen halten einen Spaziergang im Freien schon für eine Freiheitsbewegung.” Aus dem exzellenten “Hiebe, Hohn und Häme. Warum wir nicht normal sind” von Wolfgang Herles auf TE. “Wie schön, dass uns die Fesseln gelockert werden. Jetzt muss man sie nicht mehr abnehmen.”

W. Hoffmann / 27.02.2021

Man soll ja mit Namen nicht spielen, aber Spahnungslos finde ich ganz passend. Im ganzen Getümmel um Testergebnisse, die als Infektionen verkauft werden und Impfungen, die eine aktive und/oder passive Ansteckung nicht verhindern, gehen die verloren, die all das nichts angeht: die Genesenen. Darüber hört man nichts, obwohl sie keine Impfung mehr brauchen und niemand anstecken können. Und da gibt es außerordentlich viele !!!

Angela Seegers / 27.02.2021

Herr Spahn ist die typische Fehlbesetzung, befindet sich im Merkel Kabinett aber in bester Gesellschaft. Karriere, angenehmes Leben, das Pensionsalter ist auch gesichert. Kann nichts mehr passieren. Wenn man erst mal einen Ministerposten ergattert hat, ist alles primst. Fachkenntnis vom Ressort muss man nicht haben. Es gibt ja Muddi. Und da es Usus ist, nicht zurück zu treten, wenn man Mist baut, der das Vertrauen der Bürger zutiefst erschüttert, geht alles seinen bürokratischen Gang. Sie spülen sich in diesem gruseligen Netzwerk in die nächste lukrative Position. So geht Politik. Wer will sich da ein Pandemie Papier des RKI durchlesen? Wer will an die Bürger denken? Man kann diese „Minister an Muddis Gnaden“ noch nicht mal haftbar machen, da unsere Verfassung ihnen Immunität zusichert. So das war’s. Schönes Wochenende.

Volker Kleinophorst / 27.02.2021

Mein Vater sagte damals zu solchen Figuren: “Dem steht die Dummheit ins Gesicht geschrieben.” Warum sieht das keiner. Gilt für den ganzen inkompetenten Haufen.  Argo Nerd auf Twitter: “2 Tage im Leben von Jens Spahn; 20.10.20, morgens: „Wir wissen vor allem, wo es die Hauptansteckungspunkte gibt. Nämlich beim Feiern, beim Geselligsein, zu Hause privat“ (ZDF); 20.10.20, abends: privates Spenden-Dinner mit ca. 12 Unternehmern; 21.10.20: Positiver Coronatest”. Kein Wunder das Merkel nur auf solche Underperformer steht. Schließlich darf im Kabinett keiner klüger sein als dat Mutti. Da hängt die Latte natürlich tief.

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