Vera Lengsfeld / 13.12.2023 / 13:00 / Foto: pixabay / 14 / Seite ausdrucken

Millionen-Boni für Bahnversagen

Den Verursachern des Niedergangs der Deutschen Bahn sollen zur Belohnung Boni in Millionenhöhe ausgeschüttet werden. Die allerdings nicht dafür, Personen und Güter sicher und pünktlich von A nach B zu bringen, sondern für allerlei mehr oder weniger abseitige politische Zielvorgaben. Hier macht sich eine Bahnfahrerin Luft.

Man fasst es nicht: Statt den Vorstand der Deutschen Bahn und der Fernverkehrstochter ICE wegen Totalversagens zu feuern und endlich Fachleute zu engagieren, die geeignet und in der Lage sind, den Sanierungsfall Deutsche Bahn wieder auf Vordermann zu bringen, sollen auf den Verursachern des Niedergangs üppige Boni ausgeschüttet werden. Es handelt sich um eine Summe, die 2022 durch „Leistungen“ der Vorstandsmitglieder erbracht worden sei. Die Boni konnten 2022 nicht ausgezahlt werden, weil die DB die Strompreisstütze in Anspruch genommen hat.

Warum diese Millionen jetzt ausgeschüttet werden sollen, weil die Stütze am Ende dieses Jahres wegfällt, dafür wird vom zuständigen Ministerium keine Erklärung abgegeben. Es sieht jedoch so aus, als seien die Verträge mit den Bahnvorständen von ähnlicher Qualität wie die für die Chefs der Öffentlich-Rechtlichen Sender.

Wie die Tagesschau meldete, geht das folgendermaßen: Neben einem üppigen Grundgehalt bezieht jedes Vorstandsmitglied einen „leistungsabhängigen“ Zusatz. Absurd ist, wie die Boni berechnet werden. 

An den Vorstandsvorsitzenden Richard Lutz sollen 384.000 Euro gehen, weil sich die Bahn für 2022 gesteigerte Mitarbeiterzufriedenheit und einen gestiegenen Anteil an weiblichen Führungskräften zugutehält. Die Vorstände hätten das unternehmenseigene Ziel in diesem Bereich geringfügig übertroffen. Der Bonus für diesen Bereich wurde aber deutlich erhöht – auf 175 Prozent.

Man wüsste gern, wie diese Mitarbeiterzufriedenheit gemessen wurde. Jetzt, zum Auszahlungszeitpunkt, ist sie jedenfalls im Keller. Ich habe innerhalb einer Woche zweimal erlebt, dass ein Zug ausgefallen ist, weil der Lokführer nicht zur Arbeit erschien. Auf der Strecke Halle–Kassel fielen im letzten Jahr bis heute immer wieder Züge aus, weil Stellwerke nicht besetzt werden konnten. In diesem Jahr legten die Warnstreiks der unzufriedenen Mitarbeiter teilweise das Land lahm. Für die Streikenden muss es als Schlag ins Gesicht empfunden werden, dass der Vorstand Boni für gewachsene Mitarbeiterzufriedenheit ausgezahlt bekommt. Was machen eigentlich die Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat, der die Boni genehmigen muss?

Was die geringfügig gestiegene Frauenquote in Führungspositionen betrifft, fällt mir ein, dass es ein bedeutendes Event bei der Deutschen Bahn gab. Auf einer Strecke, ich habe vergessen welcher, wurden nur Frauen eingesetzt: Als Lokführer, als Schaffner, als Stellwerksbetreiber und was sonst noch an Personal nötig ist, damit ein Zug von A nach B fährt. Ich habe mich sehr gewundert und das für sinnlose woke Kinkerlitzchen gehalten.

Nun kommt bei mir der Verdacht auf, die Scharade wurde veranstaltet, um die Boni des Vorstands zu sichern. Dieser Verdacht verstärkt sich, wenn man liest, dass Vorstandsvorsitzender Lutz in seiner Vereinbarung Kohlendioxideinsparung stehen hatte. Die Bahn hat hier nach eigener Aussage 2022 zwei Prozentpunkte mehr eingespart als vorgesehen. Dafür soll Lutz einen Bonus von knapp 440.000 Euro erhalten. Da kommt automatisch die Frage auf, warum so wenig gegen Zugausfälle getan wird. Jeder ausgefallene Zug spart automatisch CO2 ein. Honi soit qui mal y pense?

Auch bei der Bahntochter Fernverkehr können sich die Vorstände über üppige Bonizahlungen freuen. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Ronald Pofalla, Kanzleramtschef von Ex-Kanzlerin Merkel, bis April 2022 Bahnvorstand für die Infrastruktur, hat angeblich sein Ziel einer möglichst guten Bestandsnetz-Qualität mit 200 Prozent übererfüllt. Das klingt wie Hohn angesichts dessen, dass von vielen Experten das Bahnnetz als marode und sanierungsbedürftig beschrieben wird. Pofalla soll für seine „Leistung“ rund 85.000 Euro bekommen. 

Der ehemals für den Fernverkehr zuständige Vorstand Berthold Huber hatte das persönliche Ziel, dass mindestens 278 ICE-Züge einsatzbereit sein sollten. Weil sogar 284 ICE abfuhren, wurde das als Zielerreichung von 133 Prozent gewertet und mit rund 183.000 Euro vergütet. Wie viele ICE wegen „Reparatur am Zug“ auf der Strecke blieben, spielte bei der Bewertung offenbar keine Rolle. So wie die mangelhafte Kundenzufriedenheit und die Tatsache, dass nur noch jeder zweite Zug pünktlich sein Ziel erreicht, kein Hinderungsgrund für die Auszahlung von Boni sind. Die nicht erreichten Ziele können nämlich mit den erreichten verrechnet werden. Diese groteske Festlegung ermöglicht Prämien für „Leistung“, obwohl die Bahn, was ihre Kernkompetenz betrifft, komplett versagt und ein Sanierungsfall ist, wie der DB-Tower am Potsdamer Platz.

Aus der Tatsache, dass die Bundesregierung mit den Boni die Durchsetzung ihrer politischen Ziele bei der DB sichern will, kann man nur schlussfolgern, dass die Kernaufgabe der Bahn, Personen und Güter sicher und pünktlich von A nach B zu bringen, nicht zu ihren politischen Zielen gehört.

Wenige Tage bevor die Meldungen über die Bonizahlungen über den Ticker gingen, gab es auch eine kleine lokale Nachricht: Ein ICE war auf seiner Fahrt von Berlin nach Kassel Wilhelmshöhe um 21 Uhr kurz hinter Wolfsburg bei Oebisfelde steckengeblieben. Ursache war ein Stellwerkschaden. Angeblich war man „fieberhaft“ dabei, diesen Schaden zu beheben. Die Fahrgäste mussten sechs Kilometer vom Bahnhof entfernt sechs (!) Stunden ausharren, ehe der Zug seine Fahrt fortsetzen konnte. Der Stellwerkschaden war aber nicht behoben, sondern behinderte den Zugverkehr auch am nächsten Tag noch. 

Foto: Pixabay

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Dennis Decker / 13.12.2023

Die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit steht im reziproken Verhältnis zum Vergütung der Vorstände. Was haben die Vorstände vor Mehdorn verdient?

Günter H. Probst / 13.12.2023

Der Adel und die Hohe Geistlichkeit haben sich damals auch die Pfründe gegenseitig zugeschoben. Auf Kosten der Bauern und Bürger. Die verlotterten Verteilungspostenersitzer von heute schanzen sich in Wirtschaft, Medien und Politik selbstverständlich auch die völlig abgehobenen Privilegien (kostenfreier Flug und Fahrt, Friseur, Visagist, Photograph, Klamotten usw.), Gehälter, Boni, Pensionen völlig schamlos zu. Auf Kosten der Steuerbürger und Bahnfahrer. Bei immer schlechterer Leistung und immer höherer Abzocke haben die Steuerbürger irgendwann die Nase voll. Dann: siehe Adel.

Else Schrammen / 13.12.2023

Kein Witz: Ich habe neulich in einem seriösen Blatt gelesen, dass die Deutsche Bahn in der Schweiz nur noch bis Basel fahren darf, damit sie ob ihrer chronischen Unpünktlichkeit nicht fie Fahrpläne der vorbildlich pünktlichen schweizer Bahnen durcheinander bringt.

Dr. Joachim Lucas / 13.12.2023

Ein Steinchen im Gesamtbild eines völlig verrotteten Staates. Es gibt inzwischen die Umkehrung aller Werte: Versagen wird belohnt, Bewußte Inkompetenz wird in politischen Schaltstellen gefördert, Nichtstun wird finanziell belohnt, Männer können Kinder kriegen, Korruption und Taschenfüllen überall, Naturgesetze und ökonomische Gesetze werden ignoriert. Überall Parolen, dumme Durchhaltesprüche, Verprassen von Geld als gäbs kein morgen und als Ersatz das immergleiche sozialistische Versprechen auf ein Paradies - irgendwann, langfristig, bla, bla, bla. Deutschland 2023. Die Bahn ist übrigens die beste Werbung fürs Auto - Verbrenner versteht sich.

Jürgen Fischer / 13.12.2023

Die Bahn fährt seit Corona noch weniger kostendeckend als vorher. Und tut seitdem alles, um das so weiterzuführen. Siehe vor eineinhalb Wochen, als das „Schneechaos“ über München und Umland hereinbrach. Vor einer Woche musste ich nach München; der gebuchte Zug fiel natürlich aus. Gut, habe ich gesagt, ihr wollt es so. Dann fahre ich jetzt und in Zukunft halt wieder mit dem Auto. Ist zwar nicht unbedingt bequemer, aber auf jeden Fall kostengünstiger, und wenn ihr euch das leisten könnt, soll es mir recht sein. Ärgerlich finde ich nur, dass ich das Kasperltheater der Bahn trotzdem mitfinanzieren muss. Da die nicht fähig sind, kostendeckend zu arbeiten, muss den Rest, wie immer, der doofe Steuerzahler tragen.

Hans Bendix / 13.12.2023

Nun, die Behauptung, der Bahnvorstand solle Boni in Höhe von rund 5 mio. € ausgezahlt bekommen, ist natürlich eine Falsch- und Desinformation, lanciert von rechten Staatsdelegitimierern aus der AfD, um die erfolgreiche Arbeit des Bahnvorstandes und der amtierenden Bundesregierung in Mißkredit zu bringen. Solche gewissenlose Behauptungen rechtsextremer Kreise schreckt Fachkräfte aus der ganzen Welt ab und zwingt die bereits anwesenden Fachkräfte, sich Mobilität unter Messereinsatz zu verschaffen. - An dem ganzen Desaster sind nur die AfD, ihre Wähler und Sympathisanten schuld. q. e. d.

armin_ulrich / 13.12.2023

Alexander Wagandt sagt immer: “Mit der Verhöhnung wird Politik gemacht.”

Stefan Riedel / 13.12.2023

War da was? DB ein Staatsunternehmen? VEB Bahn? Frau Lengsfeld, kein Déjà-vu-Erlebnis? Alle verdiente Genossen und Versager?

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