Meine jüngste Gehaltserhöhung kam ein wenig zu spät, sonst hätte ich doch glatt bei der Versteigerung des Penthouses von One Hyde Park mitgeboten. Allerdings hätte ich wahrscheinlich schon ein wenig früher mit dem Bieten aufgehört als der letztlich erfolgreiche Käufer. Für das Luxus-Apartment mit Aussicht wurden laut Londoner Zeitungsberichten 100 Millionen Pfund (147 Millionen Euro) gezahlt. Bereits vor einigen Wochen hatte die Tageszeitung “Die Welt” berichtet, was man dort für sein Geld erwarten kann:
Wer das Geld für eines der Penthäuser übrig hat, bekommt als Gegenleistung einen einmaligen Blick auf den Hyde Park, auf Wunsch kugelsichere Fenster, eine Luft säubernde Klimaanlage und einen so genannten Panic Room. Das gepanzerte Zimmer, ausgestattet mit einer Notrufanlage und allen überlebensnotwenigen Utensilien, soll die Bewohner vor Einbrechern sichern.
Dabei hatte “Die Welt” sogar noch das beste Feature vergessen, denn die Londoner Metro schreibt heute:
The site comes with underground parking for 115 vehicles and private lifts direct to each flat so residents don’t have to accidentally bump into their neighbours.
Also besteht nun wirklich keine Gefahr, dass man sich mit den Nachbarn nicht versteht, denn man wird sie praktisch nie kennen lernen.
Nun gönne ich den neuen Wohnungsbesitzern ihr neues Domizil von Herzen, aber eine Kleinigkeit sei dann doch noch erwähnt, nämlich der Architekt des Superluxuswohnkomplexes. Es handelt sich um keinen geringeren als Stararchitekt Lord Richard Rogers, der die Anlage für die Immobilienagentur Candy & Candy entworfen hat. Dort legte man großen Wert darauf, die Exklusivität des Anwesens zu wahren. Nur zu dumm, dass das englische Baurecht vorschreibt, dass ein Teil der Wohneinheiten für sogenannte “Key Workers” zu reservieren ist, also für schlecht bezahlte Angestellte des öffentlichen Dienstes wie Krankenschwestern, Polizisten und Feuerwehrleute. Da man deren Anwesenheit einem russischen Ölmillionär oder einem arabischen Scheich aber wohl kaum zumuten kann, entledigte man sich der Verpflichtung, indem man zwei Meilen von One Hyde Park entfernt in einem deutlich ärmeren Stadtteil Wohnungen für die Minderbemittelten baute.
Aus geschäftlicher Sicht ist das nur zu verständlich. Peinlich ist daran allerdings, dass es Lord Rogers selbst ist, der seit Jahren einen Feldzug für so genannte “Mixed Communities” führt. Als Vorsitzender einer von der Regierung eingesetzten “Urban Taskforce” legte er mehrere Berichte vor, in denen er sich für sozial gemischte Stadtteile einsetzt. Er selbst fasste seinen Ansatz so zusammen:
The report set out a vision of sustainable regeneration of our towns and cities through making them compact, multi-centred, live/work, socially mixed, well designed and connected, and environmentally sustainable.
Ein Widerspruch sicherlich, allerdings nicht der erste bei Lord Rogers. Ebenso setzt sich Rogers bereits seit längerer Zeit dafür ein, dass die Dichte in den Städten erhöht wird, um Land außerhalb der Städte vor der Bebauung zu schützen. Der Lord selbst wohnt allerdings recht großzügig in zwei georgianischen Stadthäusern im feinen Stadtteil Chelsea, die er praktischerweise - seine Lordschaft ist schließlich Architekt - zu einem einzigen Haus zusammengefügt hat. Besonders platzsparend ist das wahrscheinlich nicht, aber ein Stadtplanungsgenie wie Richard Rogers braucht eben Raum zum Denken.
Und nun also Rogers’ Beteiligung an der Entwicklung eines Reichen-Ghettos in Knightsbridge, das so ziemlich das Gegenteil von seinen Stadtplanungsvisionen darstellt. Wie gesagt: Keine Einwände gegen ein solches Vorhaben. Wer sich solches Wohnen leisten kann (und will), bitteschön. Aber könnten die Architekten solcher Anlagen das Maß ihrer Güte voll machen und uns mit Vorschlägen verschonen, wie der Rest der Gesellschaft in Zukunft zu leben hat?