Wolfram Weimer / 06.06.2009 / 22:31 / 0 / Seite ausdrucken

Milliarden-Weitwurf

Berlin hat eine neue Show auf den Wahlkampf-Spielplan gesetzt: Deutschland sucht den Super-Retter. Politiker überbieten sich in Aktionismus, wenn es um die „Rettung“ von maroden Unternehmen geht. Ein Konjunkturprogramm hier, eine Opel-Rettung da, Bankenhilfen und Abwrackprämien dort. Die Zentraldisziplin des politischen Rettertums ist dabei der Milliarden-Weitwurf: Wer schafft es immer rascher immer mehr Geld immer weiter hinauszuwerfen in das krisengebeutelte Land.
Der Wirtschaftsminister klagt schon frustriert über die plötzliche „Freibier-für-alle-Mentalität“. Und er hat Recht: Die politische Klasse wirkt mit den näher rückenden Wahlterminen finanzpolitisch außer Rand und Band. In jeder einzelnen Sekunde schleudern sie derzeit 2537 Euro neue Schulden auf den ohnehin schon 1614 Milliarden Euro hohen Schuldenberg Deutschlands hinzu.
Nun stecken Deutschlands Politiker in einem besonderen Dilemma. Während die anderen großen Staaten des Westens vor der Krise gewählt haben, fällt hierzulande die Bundestagswahl mitten hinein in die Talsohle der Rezession. Wie in einer verkrampften Pokerrunde haben sich darum Angela Merkel und Franz-Walter Steinmeier selbst gefangen in einem Spiel, bei dem keiner vorzeitig als Retter aussteigen will. Und so pokern sie sich gegenseitig Hilfspakete ab, um sich ja nicht vorwerfen zu lassen, alles Milliardenmögliche getan zu haben. Damit droht 2009 zum teuersten Wahlkampf aller Zeiten zu werden.
Es gerät zudem außer Acht, wo der Milliarden-Weitwurf denn wirklich landet, ob er gerecht ist oder nur die lautesten Konzern-Lobbyisten belohnt, ob er hilft oder eher schadet.
Im Falle Opel dämmert schon wenige Tage nach der Freibier-Nacht von Berlin, dass die Entscheidung stark an das Holzmann-Rettungsdebakel von Gerhard Schröder erinnert. Dass die Perspektive aus Adam Opel nun Wladimir Opel werden zu lassen, heikle Seiten hat. Dass gesunde Unternehmen wie Volkswagen geschwächt werden. Dass Magna offenbar nur als Zwischenzocker aufgetreten ist. Dass Opels Zukunft in der Hand russischer Oligarchen riskant scheint, die Staatskasse aber leerer geworden ist.
Es wäre nicht nur besser, der Staat würde sich die Industriepolitik nach Stimmungslage verkneifen. Es wäre vor allem solider. Vor allem in dieser Krise. Denn während die Wertkonservativen noch die Gier kritisieren und die Neo-Sozialisten den Finanz-Kapitalismus geißeln, wird immer deutlicher, dass wir es mit einer klassischen Überschuldungskrise zu tun haben. Amerika – vom kriegslüsternen Pentagon bis zum Hausbesitzer in Miami - hat Jahre lang derart über seine Verhältnisse gelebt, dass am Ende selbst die Schuldenindustrie der Banken ins Straucheln kam.
Wer heute noch die „gierigen Banken“ oder den „ungezügelten Kapitalismus“ für die amerikanische Kreditblase verantwortlicht macht, der springt zu kurz. Sie sind nur Schaumkronen eines gewaltigen Schuldentsunamis, der längst unterwegs war.
Auch Deutschland hat seit vierzig Jahren keinen einzigen ausgeglichen Bundeshaushalt mehr zuwege gebracht. Nicht einmal der Großen Koalition ist es mit gewaltigen Steuererhöhungen und einer boomenden Wirtschaft im Rücken gelungen, die laufenden Etats auszugleichen, von Schuldenrückzahlungen ganz zu schweigen. Die jetzigen Konjunktur- und Rettungsprogramme wirken daher wie neue Drogen für einen Drogensüchtigen. Sie lindern den Entzugsschmerz im ersten Moment, sie verschlimmern aber die Sucht.
Wenn der Schuldenabbau nicht einmal der Zwei-Drittel-Mehrheitsregierung im Aufschwung gelingt, dann gelingt er der Politik in geordneten Bahnen wohl gar nicht mehr. Wie aber soll die fiskalische Amokfahrt der Republik dann beendet werden? Durch Massenenteignungen und Kapitalschnitte?
In den kommenden Jahren wird daher nicht Opel sondern die Staatsverschuldung der entscheidende Indikator dafür sein, ob die Krise tatsächlich überwunden oder nur in den nächsten Rezessionszyklus verschoben ist. Deutschland sollte besser die Supersoliden suchen.

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