Beda M. Stadler, Gastautor / 26.06.2007 / 10:17 / 0 / Seite ausdrucken

Militante Meinungen

Jeder hat Bekannte, manchmal gar Freunde, in deren Gegenwart bestimmte Themen nicht mehr angeschnitten werden. Bezweifelte früher jemand, dass der Wald sterben könnte, führte dies beinahe zur sozialen Ächtung. Wie ist es heute? Versuchen Sie diesen Witz über CO2: «Die Pflanzen sind dankbar für das CO2, schliesslich ernähren sie sich davon.» Für diesen Witz, der übrigens keiner ist, wird man Sie strafen. Einen guten Menschen erkennt man heute daran, wie fest er an die CO2-Abgabe glaubt.…

Seit einiger Zeit will ich daher herausfinden, wie zahlreich die guten Menschen sind, die ihre Meinung militant vertreten. Sage ich, dass Biogemüse weder gesünder noch sicherer noch ökologischer ist, gibt mir die Wissenschaft Recht, nicht aber die öffentliche Meinung. Stelle ich fest, dass Vegetarier ein psychisches Problem haben, da wir von Natur aus Allesfresser sind, ist dies eine nüchterne Feststellung auf Grund unserer Zähne und des Verdauungsapparats. Die rein vegetarische Ernährung ist nicht unbedingt abwegig, nur braucht es dazu eine für mich nicht nachvollziehbare psychische Anstrengung oder eine Mutter, die furchtbar kochte. Ich bezeichne daher die Allesfresserei als nachhaltiges naturgemässes Bio-Essverhalten.

Sage ich, homöopathische Wässerchen, auf denen eine grössere Zahl als C12 steht, sind so stark verdünnt, dass kein einziges Atom der Urtinktur mehr vorhanden ist, sondern nur Wasser, gibt mir Avogadro Recht, ich muss aber um mein Leben bangen. Als bald einziger sicherer Ort bietet sich ein Offroader an, den ich nicht habe, der mich und meine Kinder aber erwiesenermassen vor dem Verkehr, aber nicht vor Anfeindungen schützen kann.

Fährt jemand ein Hybridauto und quasselt Ihnen ständig den Kopf voll, was für ein guter Mensch er ist, weil er kein derart schlimmes Auto fährt wie Sie, sollten Sie sich zurückhalten und nicht auch militant werden. Bemerken Sie so nebenbei, dass die Produktionskosten für ein Hybridauto nie durch das wenige gesparte Benzin wieder eingefahren werden. Kommt keine böse Reaktion, fährt Ihr Bekannter wahrscheinlich einen Hybridoffroader.

Natürlich erhalte ich auch freundliche Zuschriften, die mich aber mehr verunsichern, als dass sie helfen herauszufinden, ob es mehr tolerante oder mehr militante Meinungsvertreter gibt. Man schreibt schliesslich nur Leserbriefe, wenn man gegen etwas ist. Die hier angesprochenen Themen und andere Lieblingsthemen sind natürlich nicht wichtig. Sie sind aber ein Gradmesser für Mitmenschen, die die Welt retten wollen. Ihre Argumente basieren auf einem Glauben an die Wissenschaft. Ein Teilbereich aus der Wissenschaft wird benutzt, um den eigenen Glauben zu stärken. Es sind heute die NGOs, welche entscheiden, ob eine Studie was taugt. Interessant dabei ist, dass ausgerechnet technologiefeindliche Leute gerne wissenschaftliche Argumente benutzen, um ihren Stuss zu verteidigen. Dieser besondere Wissenschaftsglaube unterscheidet sich aber nicht vom normalen Glauben, er schliesst sogar Wunder mit ein. Nur, Wunder hat es noch nie gegeben.

Zuerst erschienen in der Berner Zeitung am 23. Juni 2007

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