Ramin Peymani, Gastautor / 28.11.2018 / 14:00 / Foto: Omaranabulsi / 16 / Seite ausdrucken

Milchkannen telefonieren nicht

Haben Sie schon einmal von Anja Karliczek gehört? Nein? Machen Sie sich nichts draus – ich kannte den Namen bis vor kurzem auch nicht. Wir dürften uns damit in bester Gesellschaft befinden, denn ich wage die Behauptung, dass nur wenige Menschen wissen, wer Frau Karliczek ist. Vermutlich genau diejenigen, mit denen sie aus den Elfenbeintürmen des Parteienstaates heraus zusammenarbeitet. Die Unbekannte ist – man höre und staune – seit mehr als einem halben Jahr Regierungsmitglied. Und zwar in Berlin. Sie haben richtig gelesen: Die 47-jährige CDU-Politikerin verantwortet als Bundesbildungsministerin alles, was in unserem Land mit Bildung und Forschung zu tun hat. Da staunen Sie, was?

Zugegeben, ähnlich dem Landwirtschafts- oder Entwicklungshilfeministerium ist auch das Bildungsministerium ein Ressort, das vor allem einschlägig damit Befasste oder unmittelbar Betroffene wahrnehmen. Und doch spricht es Bände, dass man die Ministerriege heutiger Bundesregierungen kaum mehr kennt. Lange vorbei sind die Zeiten, in denen es nur profilierte Köpfe in höchste Staatsämter schafften. Heute reicht es, sich ein paar Jahre als treuer Parteisoldat erwiesen zu haben, der nirgends angeeckt und mangels eines Profils auch keinem Wähler unangenehm aufgefallen ist. So hat uns der Himmel also Anja Karliczek geschenkt. Und die hat sich nun einen Namen damit gemacht, dass es ihr egal ist, ob Deutschland nach einer Reihe weit weniger entwickelter Länder ebenfalls irgendwann einmal flächendeckend über den modernsten Mobilfunkstandard verfügt.

Die Ministerin ließ uns wissen, es gäbe beim Ausbau des Mobilfunknetzes keinerlei Eile: “5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig”, bügelte Karliczek lauter werdende Klagen über Funklöcher und langsame Handynetze ab. Damit hat die mit ihrem Amt überfordert wirkende Bundestagsabgeordnete sogar den Parteienstaat gegen sich aufgebracht. Und eigentlich müsste sie es besser wissen, Denn die Kauffrau, die einer alten westfälischen Hoteliersfamilie entstammt, gehört zu der aussterbenden Spezies jener Berufspolitiker, die vor ihrer steuerzahlerfinanzierten Laufbahn auch mal auf eigenen Füßen gestanden haben.

Sie besitzt eine abgeschlossene Bankausbildung und war viele Jahre in leitender Stellung für den familieneigenen Hotelbetrieb tätig. Es ist also beileibe nicht so, dass die Bundesbildungsministerin keine Ahnung davon hätte, wie die Welt außerhalb der All-inclusive-Versorgung des Berliner Bunkers aussieht. Offenbar verblassen die gesammelten Erfahrungen aus dem wirklichen Leben jedoch mit jedem Tag im Bundestag etwas mehr. Es ist schon bemerkenswert, dass ausgerechnet unsere Bildungsministerin ein modernes Handynetz für entbehrlich hält. Dabei darf es keinesfalls als Entschuldigung gelten, dass es über weite Strecken ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem Mobilfunk in Deutschland nicht weit her war. Denn Millionen von Bürgern sind längst im 21. Jahrhundert angekommen, und auch der Bauer mit der Milchkanne mag weder auf ein modernes Netz noch auf das schnelle Internet verzichten, das Karliczek wohl ebenfalls für nachrangig halten dürfte.

Aus den Worten der Ministerin spricht nicht nur eine bestürzende Rückwärtsgewandtheit, sondern auch eine Geringschätzung des ländlichen Raums. Gerade als Kind vom Land aus dem Norden Westfalens sollte sie sich dafür einsetzen, dass Deutschland beim Mobilfunk endlich Anschluss ans internationale Mittelfeld findet. Man muss sich gar nicht in ländliche Regionen verirren, um die Widersprüchlichkeit eines modernen Industriestaates zu erkennen, der zwar mit viel Eifer Windräder in die Wälder pflanzt und dabei sämtliche Bedenken von Anwohnern und Naturschützern ignoriert, aber nur äußerst ungern Mobilfunkmasten aufstellt, weil er eine Gefährdung vermutet, die gar nicht belegt ist.

Die Äußerung der Bundesbildungsministerin steht sinnbildlich für den Politikbetrieb unserer Zeit, so sehr Regierungs- und Oppositionskollegen sich auch empören mögen. Denn die Leitlinien der Politik werden nicht mehr vom gesunden Menschenverstand, den wirtschaftlichen Notwendigkeiten oder dem Gemeinwohl bestimmt, sondern von Ideologien und übergeordneten Masterplänen, in denen nationale Interessen sich einem größeren Ganzen unterzuordnen haben. Was auf der Strecke bleibt, sind die notwendigen Investitionen in die eigene Infrastruktur, weil das Geld zur Erfüllung des Brüsseler Größenwahns, irrer UN-Vorgaben und verrückter “Wendepläne” benötigt wird. Aber irgendwie ist es ja auch nur konsequent: Wer braucht noch moderne Kommunikationsnetze, wenn die freie Meinungsäußerung zunehmend unerwünscht ist und die Verbreitung von Informationen als gefährlich gilt?

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Ramin Peymanis Liberale Warte

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Frank Volkmar / 28.11.2018

Dieses “Desaster” gilt übrigens für die gesamte Infrastruktur, wenn man den Anspruch den man hat zugrundelegt. Und das als “Exportweltmeister” !

Uta-Marie Assmann / 28.11.2018

Leider muss man Sie korrigieren: nicht das Bundesbildungsministerium, sondern das Verkehrsministerium (i.e. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) ist für den Netzausbau zuständig. Trotzdem ist die Einlassung von Frau K ausgesprochen dümmlich. Die Berliner Laienspieltruppe (tatkräftig unterstützt von den Medien und den verschlafenen Wählern) schafft es ohne weiteres, das Land in einen gefühlsduseligen Hippie-Staat überzuführen. Nur am Rande: in ‚meinem‘ Dorf (285 Einwohner) tief in den frz. Vogesen gibt es seit Jahren schnellstes Internet. Die dt. Universitätsstadt Freiburg (240.000 Einwohner) besteht fast nur aus Funklöchern; und wenn man mal Internet hat, ist es 3G oder, wenn es ein besonders guter Tag ist, auch mal E.  Dazu passt ganz gut die heutige Meldung, dass die Cebit aufgibt.

H. Schmidt / 28.11.2018

Anja Karliczeks Wahlkreis 128 – Steinfurt III besteht aus den Städten und Gemeinden des Tecklenburger Landes Hörstel, Hopsten, Ibbenbüren, Ladbergen, Lengerich, Lienen, Lotte, Mettingen, Recke, Tecklenburg und Westerkappeln. Wahrscheinlich hat ihr Fr. Merkel offenbart das es in diesem Gebiet (Provinz) keinen 5G Ausbau geben wird. Um bei Ihren Wählern nicht blöd dazustehen verkauft sie das Thema nun als nicht so relevant für jeden Bereich. Oder: Wie kann ich einer Niederlage noch halbwegs positiv vermarkten?!

Brigitte Brils / 28.11.2018

So ein schöner tschechischer Name und so viel Menschenverachtung!

Marcel Seiler / 28.11.2018

Gibt es keine Marktmechanismen, die die Internet- und Telefonabdeckung regeln? Wenn die Politik so etwas bestimmt, klappt es nicht. Das wissen wir nicht erst seit der Energiewende. – Wie regeln denn etwa die USA ihre “Digitalisierung”? Präsident Trump bestimmt die sicher nicht! Die Bundesregierung in Washington vermutlich auch nicht. Aber es wäre interessant zu wissen. In Deutschland reißt sich die Politik sowas unter den Nagel und versagt dann.

Detlef Dechant / 28.11.2018

Besonders der Vergleich mit der Landwirtschaft “5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig”, zeigt doch die Ganze Unkenntnis der Dame. Sie hat bestimmt noch keinen modernen Landwirtschaftsbetrieb besucht! Bis hin zur Traktorsteuerung kann dort fast alles online gestaltet werden, wenn denn ein entsprechender Anschluss besteht. Aber auch andere Lebenssituationen sind betroffen. Zum einen wollen Politiker und Gewerkschaften sowie andere gesellschaftliche Gruppen das Pendeln einschränken durch Schaffung von Telearbeitsplätzen, zum anderen - diese Telearbeitsplätze sind häufig im ländlichen Raum - hindern langsame Leitungen an einem vernünftigen Arbeiten. Ich weiß, wovon ich spreche: Meine Telearbeitsplatz ist nur 15 km von Bonn entfernt. Leider stellt die Telekom hier aber nur eine Leitung im Download bis 6 MB, im Upload bis 2 MB zur Verfügung, häufigere Verbindungsabbrüche eingeschlossen. Was das für einen redaktionellen Arbeitsplatz bedeutet, werden sicher einige Ältere noch aus ihrer Erinnerung wissen. So hilft es nichts, ich muss häufiger als vereinbart in mein Büro fahren und den morgendlichen und abendlichen Berufsverkehr mitbelasten, um meine Arbeit im Büro zu erledigen. Aber im feudalen Ministerbüro ist man ja weit genug von dieser Basis weg und zumindestens im technischen Bereich gut verdrahtet, so dass man wenigstens das eigene Netzwerk für die eigene politische Karriere bedienen kann. Der Rest ist nur lästig.

Helge-Rainer Decke / 28.11.2018

Ad personam Anja Karliczek ist als Bundesbildungsministerin weder verantwortlich noch zuständig für den Ausbau des Mobilfunknetzes. Folglich ist ihre Aussage lediglich als persönliches Statement zu bewerten. Mehr nicht. Insoweit läuft Ihre Schelte, sehr geehrter Herr Peymani, etwas aus dem Ruder. Ad rem Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, Funklöcher zu schließen. Um dies in die Tat umzusetzen, wurde beschlossen, die Mobilfunkfrequenzen der fünften Generation, kurz 5G, zu versteigern. Federführend ist hier das Bundesverkehrsministerium. Die Bundesnetzagentur, die beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt ist, hat dafür Auflagen erstellt, in denen sie die Mobilfunker zu weitreichenden Zugeständnissen zwingt, sollten sie die neuen Frequenzen ersteigern wollen. Wer bei der Auktion im Frühjahr die nächsten Frequenzen für die 5G-Technik ersteigert, soll nun auch die Funklöcher in Deutschland schließen. Am Montag wird sich der Beirat der Bundesnetzagentur abschließend mit den Bedingungen befassen. Tatsächlich bleiben Deutscher Telekom, Vodafone und Telefónica keine Wahl, weil sie ohne Frequenzen früher oder später ihr Geschäft aufgeben müssten. Fazit Es wäre der Sach- und Rechtslage förderlicher gewesen, sehr geehrter Herr Peymani, Sie hätten vor dem Abfassen des Berichts auch die für den Netzausbau zuständigen Bundesbehörden befragt. Milchkanne hin und Milchkanne zurück:-)

Marc Blenk / 28.11.2018

Lieber Herr Peymani, Anja wer?  Da musste ich doch mal auf ihre Internetseite. Dort erfährt man, dass sie bei einem Afrika - Gottesdienst war, wo die Bildungsministerin große Worte gelassen aussprach:  „Die Möglichkeiten, Bildung nach Afrika zu bringen, sind unbegrenzt“. Schon wieder dieses Wort: Grenzenlos. Es darf halt nicht fehlen. Das ist wichtig! Gilt das aber auch umgekehrt? Sind die Möglichkeiten, Bildung nach Europa (von Afrika) zu bringen,  grenzenlos? Kommen etwa nicht quasi täglich massenhaft Wissenschaftler und Ingenieure, Lehrkräfte, Zahnärzte und G 5 - Spezialisten für die Telekom aus Afrika zu uns. Aber irgendwie scheint ja andererseits doch die Bringschuld bei uns zu liegen. Und ohne uns läuft eh nüscht. Wir transferieren grenzenlos und ohne Grenzen des Wachstums unendlich viel grenzenlose Bildung nach Afrika, weil Bildung keine Grenzen kennt und nur so eine gerettete grenzenlose und gebildete Welt entstehen kann. “Der stärkste Motor ist und bleibt die Bildung: Die Jugend ist hungrig darauf, auch auf politische Teilhabe. Wir müssen der Jugend Afrikas Perspektiven bieten“, so die Bildungsministerin weiter. Wir also müssen! Und wir können auch! Weil wir geläuterten, sendungsbewussten und von Weltrettungsimpulsen erfüllten Deutschen moralisch und wissenschaftlich - technisch eben alles können. Und das Nicht - Akzeptieren von Grenzen haben wir ja sozusagen im Blut und hat auch eine lange Tradition. Wenn also die Bundesbildungsministerin es sagt, dann sind durch deutsches Wesen, schwups, alle Fluchtursachen im Handumdrehen beseitigt und wir sitzen dann wieder allein in unserem Salat und kümmern uns grenzenlos gelangweilt um die Digitaliserung unserer Milchkannen.

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