Markus Vahlefeld / 03.11.2018 / 11:00 / Foto: Bundesarchiv / 69 / Seite ausdrucken

Migrationspakt: Schon wieder soll eine Debatte tabuisiert werden

Kürzlich tickerte die Nachricht über den Äther, dass das Auswärtige Amt „Falschmeldungen“ über den Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration bekämpfen wolle. Die Nachricht hatte etwas Amüsantes, denn sie ließ Rückschlüsse auf ein Politikverständnis zu, das sich in den letzten Jahren als wesentlicher Bestandteil des "System Merkel" herausgestellt hatte. 

Der Begriff der Alternativlosigkeit hat sich ja als Kurzbeschreibung für dieses „System Merkel“ etabliert, kratzt aber nur an der halb ernsthaften, halb folkloristischen Oberfläche. Der viel wichtigere Baustein des "System Merkel" war es ja, politische Auseinandersetzungen aus der Sphäre der Politik in die Sphäre der Gesinnung zu überführen. In ihr – in der Sphäre der Gesinnung – gibt es ebenfalls keine Alternativen, weil es nur eine einzige Gesinnung geben kann, die gut und sittlich reif ist. 

Wenn wir heute über Maßnahmen sprechen, die Spaltung des Landes nicht noch größer werden zu lassen, dann sprechen wir immer auch darüber, die politische Auseinandersetzung wieder in die politische Sphäre zurückzuholen, die sich aus Debatten um Alternativen speist. Ist der Raum für Alternativen erst wieder geöffnet, gibt es endlich wieder den politischen Gegner. Heute gibt es ja nur noch den moralischen Feind.

Wenn also das Auswärtige Amt in der Frage um den Migrationspakt "Falschmeldungen" entgegentreten will, so ist das eine Reminiszenz an die Merkelsche Alternativlosigkeit. Statt zu sagen: Wir werden die Gegner des Migrationspakts mit Argumenten widerlegen, wird stattdessen suggeriert, es gäbe eine einzige (alternativlose) Wahrheit, die so richtig ist, dass jeder, der etwas anderes denkt, Falschmeldungen produziert. Der politische Gegner mutiert also zum Feind der Wahrheit. 

Das Enden im autoritär-marxistischen Gesinnungschaos

Die Überzeugung, Politik würde sich in der Sphäre der Wahrheit abspielen, ist alter Marxisten-Sprech. Nach Karl Marx gab es bekanntlich auch nur den einen Gang der Geschichte, der sich dann im "wissenschaftlichen" Sozialismus vollenden würde. Alles andere sollte nach Marx "Fake News", also Falschmeldung sein.

Politik – und das müssen sich die heutigen Politiker endlich hinter die Ohren schreiben – ist kein wissenschaftlicher Versuchsaufbau, bei dem am Ende immer nur das eine bewiesene Ergebnis herauszukommen hat. Politik ist Alternative, ist Debatte, ist das ständige Abwägen von Möglichem und Notwendigem. Wer Politik mit der scheinbaren Autorität von objektiver Wissenschaft betreibt, endet halt da, wo Deutschland inzwischen gelandet ist: im autoritär-marxistischen Gesinnungschaos.

Von Otto von Bismarck stammt das hübsche Bonmot: "Gesetze sind wie Würste, man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden." Implizit geht dieser Ausspruch davon aus, dass – ähnlich wie bei Würsten – die gemachten Gesetze schon verträglich seien. In Zeiten von Tierrechten, Veganismus und Laktoseintoleranz scheint dieser Ansatz des Wurstmachens heute etwas unzeitgemäß. Für Gesetze in Zeiten von Demokratie, Transparenz und Internet gilt das gleiche.

Und auch wenn gebetsmühlenartig darauf hingewiesen wird, dass der Migrationspakt nicht in nationale Souveränitätsrechte eingreift und rechtlich nicht verpflichtend sein will, so ist ein "Pakt" schon etwas wie eine besiegelte Blutsbrüderschaft, und für jeden Menschen, für den das gegebene Wort noch etwas zählt, ist ein Pakt eben doch mehr als nur eine Absichtserklärung. Nun so zu tun, als wäre dieser Pakt nur freundliches Ringelpietz mit Anfassen, wirkt da wenig Vertrauen erweckend. Und das zu Recht.

Das Outsourcing national relevanter Entscheidungen

Das Misstrauen in die Politik wird von einem Umstand befeuert, der zuletzt mit den Dieselfahrverboten an den Tag trat. Irgendwann einmal haben die nationalen Politiker irgendwelche EU-Richtlinien zu Feinstaub und Stickoxiden übernommen. Ob diese Richtlinien sinnvoll sind, darüber hat es nie eine Diskussion gegeben, denn ihre Grundlage war „wissenschaftlich objektives Zahlenmaterial“. Die Politbürokraten der EU hatten entschieden, und die nationalen Politiker nickten es ab. Und als sie das taten, wollte niemand vorhergesehen haben, welche Auswirkungen diese EU-Richtlinien am Ende wirklich auf die Bevölkerungen haben würden. 

Die einzigen, die es zu wissen schienen, waren die Handvoll juristisch versierter Mitarbeiter der Deutschen Umwelthilfe, die sich seitdem durch jede Stadt klagen und Fahrverbote durchsetzen. Hier gilt, was Jean-Claude Juncker bereits 1999 so treffend für die gesetzgebende EU analysierte: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Das Outsourcing national relevanter Entscheidungen an demokratisch schwer durchschau- und kontrollierbare Brüssler Instanzen ist ja ein Modell, das für nationale Politiker, die nur noch die großen Weltprobleme kennen, aber für nichts mehr Verantwortung übernehmen wollen, sehr kommod ist. Am Ende steht dann der Diesel in der Garage des Bürgers und verfällt stündlich an Wert, während die Flotten der Politiker mit Steuergeldern auf E-Mobilität umgerüstet werden. Dumm gelaufen. Für die Bürger.

Auf 32 Seiten insgesamt 96 verschiedene Verpflichtungen

Es besteht ein sehr gesundes Misstrauen in die Politik supranationaler Instanzen, zu denen neben der EU auch die UN gehören. Wenn nun im Migrationspakt auf 32 Seiten insgesamt 96 verschiedene Verpflichtungen benannt werden, zu denen sich die Unterzeichnerstaaten bekennen, dann sollte ein Land über diese 96 Verpflichtungen zumindest ausreichend debattiert haben. Vor allem: Was in dem Pakt unter dem Begriff "Migration" alles firmiert, verschleiert eben eine Tatsache, die mit dem Begriff "Migration" nur unzureichend erfasst wird. Am Ende – und das wissen wir Deutschen spätestens seit 2015 in ungewöhnlicher Klarheit – geht es um Völkerwanderungen, für die der Begriff Migration schlicht der falsche ist. 

Antworten auf das Problem der Völkerwanderungen bietet der Migrationspakt daher nicht. Ganz im Gegenteil: er tut so, als wären Völkerwanderungen mit den herkömmlichen Instrumenten der Migration zu bewältigen. Das werden sie aber nicht sein. Wenn aber vor dem wirklich drängenden Problem die Augen verschlossen werden, ist der Migrationspakt das Papier nicht wert, auf dem er steht.

In den politischen Debatten Deutschlands hat die Problematik der Völkerwanderung als ausgeklammert zu gelten, obwohl genau sie es war, die Deutschland mit Wucht getroffen hat. Wird aber der demokratische Diskurs verwehrt, so ist es mehr als nur ein Misstrauen erweckendes Signal, wenn demokratisch fragwürdige Institutionen wie die UN darüber befinden wollen. Erst wenn in Deutschland die Themen Migration und Völkerwanderung – vom Überbevölkerungsproblem bis zu Migration als Innovationsträger – hoch- und runterdebattiert und nationale Lösungsansätze gefunden wurden, erst dann ist Deutschland reif und in der Lage, diesen internationalen Pakt zu unterzeichnen.

Denn das ist der Paradigmenwechsel, der die Merkel-Ära von der Post-Merkel-Ära wird unterscheiden müssen: Deutschland hat wieder Debatten zu führen – im Parlament wie in der Öffentlichkeit – und Entscheidungen aus einem Pool von Alternativen zu treffen, die auf demokratischem Wege gefunden wurden. 

Selbstermächtigungen eines deutschen Kanzlers oder Überrumpelungs"pakte" gehören fortan der Vergangenheit an. Die Frage der Migration muss zuallererst in einem nationalen Einwanderungsgesetz geklärt werden. Und die Frage des Umgangs mit den Völkerwanderungen steht ebenso auf der Agenda der Dringlichkeiten. Hier zuerst die UN entscheiden zu lassen, würde bedeuten, den Bock zum Gärtner gemacht zu haben.

Das und noch viel mehr behandelt Markus Vahlefeld in seinem neuen Buch: Macht Hoch die Tür – Das System Merkel und die Spaltung Deutschlands, Oktober 2018, erhältlich hier: www.markus-vahlefeld.de

Foto: Bundesarchiv CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia

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Gabriele Schulze / 03.11.2018

Gibt es eigentlich ein Datum, an dem ein Ermächtigungsgesetz in Kraft getreten ist? Irgendein Datum in irgendeinem März?

Gabriele Wilde-Laute / 03.11.2018

Eine Unverschämtheit,dem deutschen Volk eine Debatte über den Migrationspakt vorzuenthalten. Das zeigt doch,dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht oder etwas verheimlicht wird. Bürger wehrt Euch!!!

Margit Rodler / 03.11.2018

Wenn es nicht verpflichtet ist, warum unterschreiben, diese Feststellung genügt schon um Vorsichtig zu sein. Die UNO soll ihren Aufgaben nachkommen ,aber nicht eine Umverteilung vom Süden nach dem Norden anstreben. Die Völker Europas wollen es nicht, dies zeigt schon die letzten Wahlen. Die UNO soll in Afrika eine Geburtenregelung empfehlen, dann wäre schon viel geholfen. Wenn ein Kontinent seine Bürger nicht ernähren kann ,dann ist eine Umsiedlung auch umsonst-sie werden in Europa sich auch nur vermehren- und dann????????????Ist dies alles was unseren Eliten einfällt-na ja großartig.

Gerhard Mader / 03.11.2018

Markus Vahlefeld hat es sehr gut herausgearbeitet, daß Alternativlosigkeit eine Diktatur ist, die die Demokratie ausschließt. Demokratie ist immer Meinungspluralismus zwischen mehreren Möglichkeiten. Wenn dann noch eingeschleuste Provokateure eine alternative Parteien vernazien, dann wird das ganze Vorgehen infam und mit unserem Grundgesetz unvereinbar. Herauszufinden, welche Kreise das so betreiben und diese auszuschalten, müßte vordringlichste Aufgabe des deutschen Verfassungsschutzes sein.

Leo Hohensee / 03.11.2018

Dieser Pakt kommt an 96 Textstellen daher mit Verpflichtungen. Alles soll aber irgendwie unverbindlich sein, nationales Recht soll berücksichtigt werden können. Na wunderbar – nur da steht auch, dass nationales Recht im Sinne der Vereinten Nationen anzupassen ist !??  Es ist nur eine „Absichtserklärung“, rechtlich nicht bindend. Das stimmt formal sogar – politisch und moralisch wird sehr wohl eine rechtliche Wirkung erzeugt. Jeder kann vor Gericht gehen und sich auf den Pakt berufen. Welcher Richter würde dann gegen diese „Vereinbarung“ (?) urteilen, und damit gegen die UN ?? Im Weiteren sollen Medien in den Diskurs eingebunden werden und – kaum zu fassen – es ist von Diskurs die Rede obwohl das Ergebnis doch schon im Text festgelegt ist? Der einzige Sinn kann nur sein, die Täuschung des Bürgers. Kritischen Medien mit unliebsamen Standpunkten , die nicht „mitspielen“ sollen die finanziellen Mittel entzogen werden. In einer neu definierten demokratischen Manier soll denen quasi „der Hahn abgedreht werden“.  An einer Stelle wiehert der Amtsschimmel ganz besonders: „Wir verpflichten uns ……… indem wir Migranten befähigen (Achtung, da steht nicht Flüchtlingen sondern Migranten also Siedlern) ….. bei der Ausübung ihrer Rechte und Pflichten zueinander fördern ….. ? Also für mich ist das geradezu eine Aufforderung an die Rechtsanwaltsvereinigung, Abteilungen für die Durchsetzung von Migrationsansprüchen einzurichten. Es wird reichlich Arbeit geben, da kein normaler Bürger einsehen wird wieso er, der eine Lebensleistung erbracht und gespart hat, dazu verpflichtet wird bedingungslos mit jedem zu teilen, der keine Lebensleistung und kein Erspartes beiträgt.

Marcel Seiler / 03.11.2018

Das Land, das angeblich “aus seiner Vergangenheit gelernt hat”, hat eine Regierung, die in der falschen Überzeugung, auf der moralisch richtigen Seite zu stehen, das Grundgesetz mit Debatte, Meinungsfreiheit und demokratisch legitimierten Entscheidungen abschafft. Die Bevölkerung, die ebenfalls aus der Vergangenheit nichts gelernt hat, sondern an vordemokratischen Attitüden festhält, unterstützt sie dabei. Wer klug ist, flieht aus diesem Land, das in die Barbarei zurückfällt.

armin wacker / 03.11.2018

Danke Herr Vahlefeld. Bitte weiter so.

Karl-Heinz Vonderstein / 03.11.2018

Über den RTL Reporter, der den Migrationspakt kritisch sieht, schrieb jetzt Focus Online, das gehöre zur rechten Verschwörung.

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