Sebastian Biehl, Gastautor / 06.12.2024 / 16:00 / Foto: Imago / 30 / Seite ausdrucken

Merz gegen Merz

Schulden oder Schuldenbremse, grüne oder liberale Wirtschaftspolitik, noch mehr Staat oder Bürokratieabbau, was genau ist eigentlich CDU-Politik? Von Friedrich Merz ist keine Klarheit zu erwarten, da er sich ständig widerspricht.

Aussagen von Politikern haben bekanntlich keinen Ewigkeitswert. In Deutschland ist man in der Hinsicht schon einiges gewöhnt. Einem Konrad Adenauer nahm man es noch ab, wenn er seine plötzliche Meinungsänderung damit begründete, „es könne ihn niemand hindern, über Nacht klüger zu werden“. Weniger elegant sagte er es auch so: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“. Allerdings geht so etwas nur ein paar wenige Mal, dann wird es lächerlich und unglaubwürdig sowieso.

Markus Söder hat bekanntlich schon alles und das Gegenteil behauptet. Das mag mit ein Grund sein, warum man in der Union dann doch eher auf Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten setzte, der etwas mehr Glaubwürdigkeit ausstrahlte. Die Rest-Glaubwürdigkeit hat er allerdings verspielt, wenn er morgens im Bundestag markige Reden hält, die er abends in der Talkshow schon wieder revidiert.

Als die Ampel noch regierte, wollte Merz diese so schnell wie möglich beenden, da Deutschland dringend eine andere Wirtschafts- und Migrationspolitik brauche. Nun ist die Ampel weg, dank der FDP, die eventuell Merz‘ Wink mit dem Zaunpfahl zur Kenntnis nahm, aber Merz kann es anscheinend kaum erwarten, so schnell wie möglich eine neue Ampel zu errichten, ohne gelb, stattdessen mit schwarz, also die Schwampel, die schwarze Ampel. Ist das nur ein Sachzwang nach der Torheit, sich mit Brandmauern einzumauern oder will Merz gerne eine solche Konstellation, weil er das, was er als Oppositionsführer fordert, gar nicht durchsetzen will? Hauptsache Kanzler und weiter so, wie schon Merkel es vormachte.

Grüne Misswirtschaft mit Habeck weiterführen

Ein Lieblingsfeind der Vernünftigen, der hart arbeitenden, steuerzahlenden Normalbürger, als deren Vorkämpfer sich Merz so gerne aufspielt, ist aus gutem Grund Robert Habeck, der als Wirtschaftsminister diese ziemlich lädiert hat und der Wirtschaftspolitik als Klimapolitik mit anderen Mitteln versteht. In seinen bekannt scharfen Bundestagsreden warf Merz Habeck vor, nichts von Wirtschaft zu verstehen, womit er durchaus recht hat. Auch schloss er, vor allem wegen des vom grünen Wirtschaftsminister verursachten Schadens, eine Koalition mit den Grünen vor nicht allzu langer Zeit aus. Noch Anfang November spottete Merz über den Möchtegern-Kanzler Habeck mit seinen 10 Prozent Unterstützung in den Umfragen.

Dann wurden seine Beteuerungen immer weicher, in letzter Zeit scheinen die Grünen sogar wieder der Lieblingskoalitionspartner zu sein. Nun meint Merz bei Maischberger sogar, Habeck könne in seinem zukünftigen Kabinett Wirtschaftsminister bleiben, wenn er (Habeck) das wolle. Mehr vorauseilendes Kriechen zum Zweck einer Koalition geht kaum, und die AfD wird sich über die Steilvorlage die Hände reiben. Es könnte allerdings nicht lange dauern, dass Merz, von Kritik aus den eigenen Reihen überhäuft, sich wieder von sich selbst distanziert und sich missverstanden fühlt. Schon haben Söder und auch Jens Spahn verlauten lassen, Habeck und die Grünen gehörten in die Opposition und nicht wieder in Regierungsverantwortung.

Schuldenbremse „reformieren“

Immer wieder betonte Merz im Bundestag und auch sonst die Wichtigkeit und Unangreifbarkeit der Schuldenbremse: "Ich schließe eine Zustimmung meiner Fraktion zu einer Aufweichung der Schuldenbremse heute von dieser Stelle erneut aus. Damit können Sie nicht rechnen." (Siehe auch hier).

Auch heißt es aus der Union immer, zum Beispiel vom Generalsekretär Carsten Linnemann, aber auch von Merz selbst, Deutschland habe kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Schließlich kam die Schuldenbremse auf Druck der Union zustande und die geplante Aussetzung durch Kanzler Scholz war der Grund, warum die Ampel zu Fall kam. Immer wieder rief Merz die FDP auf, die Ampel zu beenden, auch um die Schuldenbremse zu verteidigen. Kaum hat die FDP das getan, will Merz es nicht mehr so genau nehmen mit der Schuldenbremse: Jetzt redet Merz verschwurbelt von einer „Reform der Schuldenbremse“ unter bestimmten Umständen. Seine oben genannten markigen Worte im Parlament "Ich schließe eine Zustimmung meiner Fraktion zu einer Aufweichung der Schuldenbremse heute von dieser Stelle erneut aus“ galten demnach nur für „heute“, also den schon eine Weile zurückliegenden Tag der Aussage.

Auch diese Äußerungen zur Aufweichung, Anpassung, Reform der Schuldenbremse, wie man es auch immer formulieren will, um noch mehr Schulden machen zu können, sind wahrscheinlich Richtung SPD und Grüne gemeint, die man sich als Koalitionspartner warmhalten wolle. Nach den letzten Meinungsumfragen wird die FDP wohl nicht mehr im Parlament vertreten sein, und mit einer gerupften SPD reicht es möglicherweise nicht.

Mehr Staat wagen

Nachdem Merz sich immer wieder von BSW und Linken, um von der AfD gar nicht zu reden, distanzierte, um zu zeigen, wie sehr er dort steht, wo die Mainstreammedien ihn haben wollen, distanziert er sich nun auch von der FDP und deren wirtschaftsliberaler Politik. Eigentlich galt die FDP als Wunschpartner der CDU und waren Koalitionen mit Roten und Grünen nur als Notlösungen gedacht, sind aber mittlerweile die Regel. Auch Merz‘ geheucheltes Entsetzen über Lindners Aussagen, mehr Milei und mehr Musk zu wagen, kann man als einen Wink Richtung rot und grün verstehen. Stein des Anstoßes für Merz sind der momentan erfolgreichste Wirtschaftsreformer der Welt, Javier Milei, und der erfolgreichste und innovativste Unternehmer der Welt, Elon Musk.

„Ich bin ehrlich gesagt völlig entsetzt gewesen, dass Christian Lindner diesen Vergleich gemacht hat“, sagte Merz bei Maischberger. „Was dieser Präsident dort macht, ruiniert das Land, tritt wirklich die Menschen mit Füßen“, sagte Merz in Bezug auf die Lage in Argentinien. Das als ein Beispiel für Deutschland zu nehmen, habe ihn sprachlos gemacht, so der CDU-Chef. War das wieder mal der Talkshow-Merz unter dem Zauber der üblichen Moderatorinnen, der auch mal Kopfnicken bekommen wollte? Diese Aussage über Milei hätte auch von Annalena Baerbock oder Ricarda Lang kommen können.

Nun sollte man meinen, dass der sonst so wirtschaftsfreundlich und weltgewandt tuende Herr Merz zumindest so viel von Argentinien mitbekommen hat wie der durchschnittlich interessierte Zeitungsleser, nämlich dass Argentinien nicht von Milei ruiniert wird, sondern von Mileis Vorgängern von der Peronistenpartei (Fernandez und Kirchner) bereits ruiniert wurde, dass das Land seit Jahrzehnten in der Abwärtsspirale ist und dass nur noch die bittere, aber wirkungsvolle Medizin von Milei hilft. Wenn wirtschaftsliberale Reformer wie Milei und innovative Unternehmer für Merz ähnlich unappetitlich sind wie für die Linken, warum will er dann antreten, um Deutschland zu reformieren, um Bürokratie und Schulden abzubauen und Inflation und Stagnation zu beenden?


Sebastian Biehl, Jahrgang 1974, arbeitet als Nachrichtenredakteur für die Achse des Guten und lebt, nach vielen Jahren im Ausland, seit 2019 mit seiner Familie in Berlin.Vor Kurzem erschien von ihm „Ein Volk sucht seinen Platz. Die Geschichte von Orania und dem Freiheitsstreben der Afrikaaner.“ Dieses kann hier oder hier bestellt werden.

Foto: Imago

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Oliver Hoch / 06.12.2024

Herr Merz ist ja eigentlich ein ganz netter Kerl, aber er ist eben doch schon sehr alt. Ich kenne einige Menschen, bei denen sich Demenz darin zeigt, dass sie Abends völlig verdrehte Erinnerungen darüber haben, was sie am Morgen erzählt haben. Häufig werden sie bei der Erwähnung von Diskrepanzen besonders aggressiv, errichten quasi Brandmauern zwischen sich und der Vernunft. Das ist sehr schade, denn der Zustand dieser Menschen bessert sich nicht mehr. Gerade im Sauerland gibt es aber sehr gute Pflegeeinrichtungen.

Mathias Hartmann / 06.12.2024

So wie sich Merz um eine schwarz-grüne Koalition bemüht und von den Medien lieb gehabt werden möchte, drängt sich der Verdacht auf, daß er insgeheim am liebsten unter Habeck Vizekanzler wäre.

Holger Kammel / 06.12.2024

Also Markus Söder kann man nichts Böses nachsagen. Der ist grün, also ein Blatt im Wind. Verglichen mit ihm ist jeder Wetterhahn standhaft Ich habe auch mal Bäume umarmt. Aber da war ich 19 und hatte ca. 2 Promille. Ein derartiger Clown hat sich doch für jedes Amt disqualifiziert. Ich bin ja immer noch der Meinung, daß es in Bayern einen wesentlichen Irrtum gegeben hat. die geschmückten Kühe und Stiere (Ochsen) vom Almabtrieb wurden irrtümlich zur Wahl aufgestellt und da Bayern zum Schabernack tendieren, auch gewählt.  Kann sich sonst jemand die Wahl der Digitalministerin Baer rational erklären? Ach ja, die “Freien Wähler” Endlich in den Alpen Windräder aufstellen. Wie bescheuert muß man denn eigentlich sein, um diese Truppe von Nazis und Radikalgrünen zu wählen. Ein radikal antisemitisches Flugblatt nur zufällig im Ranzen gehabt? Na klar doch, Herr Aiwanger! Wie frei Ihr seid, habt Ihr bewiesen.

Axel Gojowy / 06.12.2024

Dieter Bohlen hat einmal sinngemäß gesagt:  wie erklärt man einem Schwachkopf, dass er ein Schwachkopf ist?

Hans Bendix / 06.12.2024

Nun, schon nach der Bundestagswahl 2003, als Friedrich Merz glaubte, gegen die Partevorsitzende den Fraktionsvorsitz behalten zu können, habe ich konstatiert, daß Fritze das kleine politische 1x1 nicht beherrscht. Eine Änderung dieser Einschätzung haben mir die zurückliegenden 22 Jahre nicht abgenötigt. Mehr ist dazu mE. nicht zu sagen.

Jochen Lindt / 06.12.2024

Ehrlich gesagt sind mir die +30% in den Umfragen für die CDU unerklärlich.  Selbst wenn annimmt,  dass Merz tatsächlich der beste Kandidat für die CDU ist, sind das mindestens 10% zu viel.  Dass es irgendeine Form von Aufbruch gibt, ist ausgeschlossen,  denn Merz hat seine Partei noch viel weniger im Griff als Scholz, abgesehen davon bleibt als einzig stabile Regierung (ohne AfD) nur die Koalition mit Scholz.  Und das bedeutet logischerweise “Weiter so”.

U. Prengel / 06.12.2024

@Sepp Kneip: warum Merzel nicht mit der AFD zusammengeht? Weil die AFD viele Punkte der ehemaligen CDU übernommen hat und die AFD als Koalitionspartner Merzel und der CDU die Show stehlen würde. Fritze stünde als Kanzler wie ein unfähiger Schulbube da, weil die AFD voraussichtlich kompetente Leute im Köcher hat und keine dummschwätzenden Luftpumpen!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Sebastian Biehl, Gastautor / 06.02.2025 / 06:25 / 40

Die abschüssige Straße zur dritten Welt

Der Weg von der Dritten zur Ersten Welt ist weit, mühsam und steinig. Trotzdem haben ein paar Länder es geschafft. Andersherum geht es leider viel…/ mehr

Sebastian Biehl, Gastautor / 30.01.2025 / 13:00 / 78

Kurzkommentar: Merkel-Angriff auf Merz

Die sonst in der Regel politische Auftritte und Stellungnahmen eher vermeidende Angela Merkel meldete sich nun auch zu Wort, um ihrem Nach-Nach-Nachfolger als CDU-Chef, Friedrich…/ mehr

Sebastian Biehl, Gastautor / 09.01.2025 / 16:30 / 39

Der Letzte springt auf den Zensurzug auf: Friedrich Merz

Hofreiter tat es, Wissing tat es, Leutheusser-Schnarrenberger tat es, Habeck und Scholz sowieso. Da darf auch Friedrich Merz nicht fehlen: Die EU zu mehr Zensur von Facebook,…/ mehr

Sebastian Biehl, Gastautor / 04.01.2025 / 12:00 / 89

Rüstungswirtschaft mit Robert Habeck

Der grüne Kanzlerkandidat und Wirtschaftsminister mit Restlaufzeit, Robert Habeck, bringt sich schon als Verteidigungsminister einer möglichen schwarz-grünen Koalitionsregierung in Stellung. Erinnern Sie sich noch an…/ mehr

Sebastian Biehl, Gastautor / 01.01.2025 / 16:00 / 9

„EPA-Experimente am lebenden Bürger​​​​​​​“

Die demnächst eingeführte elektronische Patientenakte (EPA) ist keineswegs so sicher wie behauptet, zeigt aktuell einmal mehr der Chaos Computer Club. Wer da nicht mitmachen will,…/ mehr

Sebastian Biehl, Gastautor / 29.12.2024 / 14:00 / 39

Eine Lokalposse zeigt ein grundsätzliches deutsches Problem

Dass die evangelische Kirche einerseits immer wieder das Existenzrecht Israels betont und Antisemitismus verurteilt, andererseits immer wieder mit radikalen arabischen Antisemiten im Gewand der Dritten-Welt-Solidarität…/ mehr

Sebastian Biehl, Gastautor / 12.12.2024 / 06:15 / 62

Eine Verfassungsschutz-Altlast zum Regierungswechsel?

Vielleicht löst Mario Voigt (CDU) heute den Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) ab. Der Innenminister bleibt weiterhin Georg Maier (SPD), und so wird wohl auch Stephan…/ mehr

Sebastian Biehl, Gastautor / 06.12.2024 / 10:00 / 51

Euro: Ist Frankreich das neue Griechenland?

Mit Frankreichs Wirtschaft geht es seit Jahren bergab, mit den Schulden bergauf – und das ohne Aussicht auf eine funktionierende Regierung. Europa und Deutschland sind auch…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com