Michael Ludwig, Gastautor / 20.06.2020 / 10:00 / Foto: Pixabay / 62 / Seite ausdrucken

Merkt Ihr denn gar nichts?

Von Michael Ludwig.

„Ich hoffe, dass manche von Euch, wenn sie irgendwann älter werden, einmal die Augen aufgehen werden, dass sie mal ihre Dummheit begreifen und dass sie merken, dass wir heute mit derselben Sorge um die Freiheit kämpfen, wie es unsere Väter von 1933 getan haben. Ihr wäret die besten Schüler von Dr. Joseph Goebbels gewesen. Ihre wäret die besten Anhänger Heinrich Himmlers gewesen. Ihr seid die besten Nazis, die es je gegeben hat.“  Franz Josef Strauß (Quelle hier).

Dieses Zitat entstand in der Zeit des Kalten Krieges und richtete sich gegen linke Demonstranten. In einer Zeit, in der sich zwei Systeme duellierten: der freiheitliche Westen gegen den totalitären Osten. Franz Josef Strauß kämpfte dafür, die Freiheit des Westens zu erhalten und mindestens die Freiheit Ostdeutschlands zu erzielen. Bei vielen Spannungen und Entspannungen lag stets die Gefahr eines vernichtenden Krieges in der Luft. Am Ende musste sich die totalitäre Sowjetunion der Macht der Freiheit geschlagen gaben.

Dieses Beispiel zeigt, wozu Demokratie und Freiheit in der Lage sind. Heute, fast 32 Jahre nach dem Tod des berühmten bayerischen und deutschen Politikers, geistert dieses Zitat in meinem Kopf herum, und es gewinnt wieder allmählich an Aktualität. Das „Euch“ ist heute meine Generation. Junge Mitläufer eines Kollektivs. Doch passt auch heute auf die junge Generation die Beschreibung als „die besten Schüler Goebbels“, als „beste Anhänger Himmlers“ oder „die besten Nazis“? 

Als Bewohner einer deutschen Großstadt bin ich mit Demonstrationen aufgewachsen. Selten vergehen gerade im Sommer Wochenenden ohne Demonstrationen. Mal demonstrieren Kurden, mal demonstrieren Studenten, mal rottet sich die Antifa zusammen oder es verirren sich stark Rechte, und mal gehen Gewerkschaften mit ihrem unbegleiteten Proletariat auf die Straße. Das ist der normale Wahnsinn in einer deutschen Großstadt. Von klein auf höre ich immer wieder die gleichen Parolen: Gegen den Staat, gegen Israel, gegen Amerika, gegen Nazis, gegen Banken, gegen Kapitalismus, für die Umwelt, für Frauenrechte, für Kopftücher, gegen Sexismus, gegen die Polizei und gegen Rassismus.

Die gleiche „rote Karte“ zu zeigen

Letztere beiden spielen seit den US-amerikanischen Vorfällen in Minneapolis nicht nur auf den Straßen eine bedeutende Rolle, sondern auch in den sozialen Medien. Über Facebook, Twitter und Instagram wird die Jugend von heute in einer unfassbaren Geschwindigkeit und Effizienz mobilisiert. An sich finde ich es richtig und wichtig, sich gegen Rassismus einzusetzen. Jeder normale und halbwegs zivilisierte Mensch ist gegen Rassismus, zumindest in der Bundesrepublik.

Aus Interesse und durch einen Zufall besuchte ich eine Demonstration am 6. Juni. Die Polizeipräsenz war nicht sehr hoch, dafür verstießen Tausende (einschließlich mir) gegen die Corona-Auflagen. Auf Instagram teilten ehemalige Schulkameraden, Arbeitskollegen und Kommilitonen Beiträge von (schwarzen) Influencern, Aktivisten und Organisationen. 

Hauptsächlich richtete sich die Demonstration generalisierend gegen die deutsche rassistische und diskriminierende Polizei, gegen die deutsche Polizeigewalt, gegen Rassismus im Allgemeinen und gegen die Privilegien der „Weißen“. Das zeugt von einem massiven Realitätsverlust. Meine Abonnenten forderte ich auf, falls sie demonstrieren möchten, sich klar gegen Organisationen wie die Antifa zu positionieren, Randalierern und Gewalttätern die gleiche „rote Karte“ zu zeigen, die sie den (vermeintlichen) Rassisten zeigen und zu bedenken, dass Polizisten Eltern, Geschwister, Kinder und Freunde von Angehörigen sind. 

Posts meiner Geburtenkohorte

In den Tagen nach meinem Demonstrationsbesuch, es war eine zumindest physisch friedliche Demo, mehrten sich die Beiträge auf Instagram zu politischen Forderungen und falschen Feststellungen. Beispielsweise sollte die Polizei abgeschafft werden. Andere verbreiteten, die Polizei ginge in Deutschland bei Kontrollen generell rassistisch vor, was auch der schlechten Ausbildung geschuldet sei. Je mehr Tage vergingen, desto mehr geriet auch der gewaltsame Tod Floyds in Vergessenheit.

Aber nicht der strukturelle und institutionelle Rassismus in den USA und auch in Deutschland. Zwar sei Deutschland nicht so schlimm wie die USA, aber auch nicht viel besser. Fleißig teilte ich Beiträge, in denen ich darüber schrieb, dass ein friedlicher Protest natürlich nicht schlimm ist, dass ich aber die Ausschreitungen in den USA nicht rechtfertigen könne. Ich versuchte daran zu erinnern, dass die Zerstörung eines Ladens oder eines Restaurants die Zerstörung fremden Eigentums ist. Dass Menschen dort ihrer Arbeit nachgehen, um den Lebensunterhalt und den ihrer Kinder zu verdienen, ihre Krankenversicherung durch ihre Arbeit zu zahlen und dass es schlichtweg keine Legitimation für Selbstjustiz gibt.

Es folgten Posts meiner Geburtenkohorte in denen gerechtfertigt wurde, Städte niederzubrennen. In einer längeren Diskussion über diese Legitimierung, in der ich die Meinung vertrat, dass in Deutschland und in den USA Gesetze gelten und Selbstjustiz sowie Gesetzesbruch (worunter auch das Anzünden und Zerstören von Läden gehören) eben nicht erlaubt sind. Und dass der einzige Weg die Rechtsstaatlichkeit in der westlichen Gesellschaft ist, um die Freiheit eines Jeden zu gewährleisten und eben nicht auf Gesetzesbruch mit noch mehr Gesetzesbruch zu antworten. Wieder argumentierte ich mit den Menschen, deren Existenz an Geschäften, Wohnungen, Restaurants und dergleichen hängen, also schlichtweg an ihrem Besitz. Es wurde entgegnet, dass ich Menschenleben (Tod Floyds) nicht mit schnöden materialistischen Dingen vergleichen könne. Rhetorisch siegverdächtig, praktisch aber falsch und zynisch.

Junge, privilegierte weiße Deutsche

Gewalt wird wieder legitimiert. Jedoch nicht von Leuten, die einen geringen Bildungsgrad besitzen, sondern hauptsächlich von jungen privilegierten weißen Deutschen, die einen Hochschulabschluss anstreben. In meinen Beiträgen trete ich für den Liberalismus ein, für Rechtsstaatlichkeit und für die Freiheit des Individuums. Ich zeige auf, dass der Sozialismus stets in totalitären Systemen geendet ist, während aus der Idee des Liberalismus die ersten Demokratien hervorgingen. Ich appelliere, daran zu denken, dass, wenn man die Linke wählt, man die SED wählt. Eine Partei, die ihren Namen geändert hat, aber immer noch die Partei ist, die in der DDR die Diktatur ausübte, Grund- und Menschenrechte missachtete, Terroristen der RAF ausbilden und auf Flüchtlinge schießen ließ. Und der Polizeistaat schlechthin war. Auch weise ich darauf hin, dass es paradox ist, gegen die Staatsobrigkeit auf die Straße zu gehen und dann mit linken Parteien zu sympathisieren oder diese gar zu wählen, die nach mehr Regulierung durch den Staat schreien.

Das pure Eintreten für die Grundgesetztreue, für Rechtsstaatlichkeit und für einen friedvollen Protest diskreditiert mich bei meinen linken Bekannten und Freunden. Der Kontakt wird eingestellt, Diskussionen grußlos beendet und weiter wird generalisiert, propagiert und manipuliert. Die linken jungen Wilden radikalisieren sich in ihrer militanten Sprache von Tag zu Tag. Das anlässliche Ereignis tritt hierbei immer weiter  in den Schatten. Nun ist die Zeit gekommen, die Situation für die kollektive politische Agenda und die persönliche Selbstaufwertung zu nutzen.

Es ist der Zeitgeist, der die Themen bestimmt. Der Rechtsstaat, den man immer kritisieren darf, wird kategorisch abgelehnt, Gewalt – zumal gegen Unschuldige – als legitimes Mittel akzeptiert. Die absolute Mehrheit widerspricht dem nicht, die exekutive Staatsgewalt in Form der Polizei soll abgeschafft werden. Jeder, der sich nicht diesem Hass und der Hetze beugt, wird zum „Oppressor“ („Unterdrücker“) erklärt. Der Vergleich mag unfair sein, aber mir kommen Teile dieser Generation tatsächlich vor, wie Franz Josef Strauss dies in seinem Zitat oben sagte. Das mag nicht ganz fair sein, aber er hat einen Punkt angesprochen, der heute wieder gilt. Ich hoffe, dass meiner Generation die Augen aufgehen und dass sie irgendwann froh sein wird, dass ihre Wünsche nicht in Erfüllung gingen.

 

Michael Ludwig ist 23 Jahre alt, gelernter Kfz. Mechatroniker und studiert Politikwissenschaften und Soziologie.

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R. Nicolaisen / 20.06.2020

Mit S c h w a c h s i n n i g e n kann man doch nicht diskutieren. Denken Sie an das bekannte Dieter-Bohlen-Zitat.

Peter Holschke / 20.06.2020

Willkommen im Klub. Ich garantiere Ihnen, dass wird sie Ihr ganzes Leben plagen, die Dummheit der Menschen. Kleiner Tipp. Streben sie eine Position im Leben an, in der sie nicht im Übermaß auf den gesunden Menschenverstand ihrer Mitmenschen angewiesen sind.

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