Thomas Rietzschel / 06.08.2020 / 10:00 / Foto: Stefan Klinkigt / 111 / Seite ausdrucken

Merkels Pechvogel rettet den Einzelhandel

Peter Altmaier ist ein Pechvogel. Kaum, dass er einmal versucht, sich Gedanken zu machen, verliert er den Faden. Erst dieser Tage wieder verirrte er sich mit aufgeschnappten Schlagwörtern im Dickicht der Phrasen. „Wir wollen“, sagte er gegenüber dpa, „verhindern, dass es zu einem Sterben der Geschäfte in den Innenstädten kommt“. 

Irgendwie muss der Wirtschaftsminister Wind davon bekommen haben, was der Handelsverband Deutschland (HDE) für den Herbst befürchtet: die Pleite von etwa 50.000 Geschäften im Einzelhandel. Eine Gefahr, die Merkels treuen Bernhardiner zur Hochform auflaufen ließ. Er werde „Konzepte zur Wiederbelebung der Innenstädte“ in Auftrag geben. Mehr Digitalisierung sei das Ziel.  

Wie Merkel vor einigen Jahren wagte auch Altmaier den Sprung aufs Neuland: Wir müssen den Geschäftsinhabern in den Innenstädten helfen, ihre Kundenbeziehungen so zu digitalisieren, dass es auch den Modeläden und Schuhgeschäften zugutekommt … Wenn zum Beispiel ein Kunde ein Markenhemd online bestellen möchte, sollte er das nicht unbedingt beim Hersteller tun müssen, sondern die Möglichkeit haben, zum gleichen Preis auch über den Einzelhändler seiner Wahl online zu kaufen. 

Ganz abgesehen davon, dass diese Möglichkeit längst besteht, wie soll sich die City wiederbeleben, wenn auch noch das, was es dort zu kaufen gibt, im Internet angeboten und per Versandhandel ins Haus geliefert wird? Soll die Kundschaft mit dem Laptop unter Arm auf die Frankfurter Zeil, die Düsseldorfer Kö oder den Ku'damm pilgern, um draußen vorm Laden die Bestellung online aufzugeben?

Und wie verhält es sich mit der Gastronomie, der empfohlen wird, sich auf die gleiche Weise aus der Patsche zu ziehen, am eigenen Schopf? Schauen wir uns auf dem Bildschirm an, was wir in der Stadt essen könnten, wofür wir uns aber gar nicht mehr auf die Socken machen müssen, weil schon die Bilder satt machen? 

Man könnte über die Posse lachen, wäre es nicht zum Erbarmen, dass Peterchens neueste Mondfahrt abermals mit einer Bruchlandung endet, noch ehe sie begonnen hat. Da wollte der arme Teufel etwas zum Besseren bewegen und dann gerät er nur wieder in den Nebel der Phrasen. Statt Wege aufzuzeigen, die zurück in die Innenstädte führen, lockt er die bedrohten Einzelhändler auf den Holzweg.

Warum sollten sie weiterhin Läden finanzieren, wenn sie ihre Geschäfte ebensogut aus dem Home Offce betreiben können? Dass er das nicht überschaut, wollen wir dem Wirtschaftsminister nicht vorwerfen. Erstens hat er mit bester Absicht große Töne gespuckt. Und zweitens, was kann er schon dafür, dass die Organisation der Volkswirtschaft mehr verlangt, als sich mit den gängigen Schlagworten zusammenreimen lässt?  

Schließlich ist er auch nur ein Mensch, pardon! ein Politiker. 

Foto: Stefan Klinkigt

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Martin Stumpp / 06.08.2020

Ich dachte immer der Mann hätte in seiner Studienzeit wenigsten die Fächer Bierologie und Wirtschafts- bzw. Kneipenkunde belegt, dann hätte er vielleicht wenigstens rudimentär Ahnung von der Gastronomie. So kann man sich irren.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thomas Rietzschel / 17.06.2023 / 15:00 / 12

Kaube weiß, was Habeck mit Börne verbindet

Vor einer Woche wurde der Börne-Preis für Essays, Kritik und Reportage an Wirtschaftsminister Robert Habeck verliehen, in der Frankfurter Paulskirche. Man muss schon eine Weile…/ mehr

Thomas Rietzschel / 22.03.2023 / 16:00 / 24

Der beleidigte Lauterbach

Karl Lauterbach, Gesundheitsminister im Kabinett von Olaf Scholz, hat viel an Ansehen verloren. Aber er vertraut sich selbst noch immer, wie einst der nackte Kaiser,…/ mehr

Thomas Rietzschel / 13.03.2023 / 11:00 / 17

Pazifistische Kriegsführung mit Erfolgsgarantie

Dass unsere Panzer eher zufällig als zuverlässig anspringen, dass sie kaum Munition haben, die sie verschießen könnten – alles nicht so schlimm, lässt sich der Feind…/ mehr

Thomas Rietzschel / 23.01.2023 / 16:00 / 56

Sag mir, wo die Panzer sind, wo sind sie geblieben?

Erinnern Sie sich an Peter Struck, den letzten Bundesminister für Verteidigung, der – mit Verlaub – noch einen Arsch in der Hose hatte? Weil er die…/ mehr

Thomas Rietzschel / 20.12.2022 / 12:00 / 52

Wann kommt die Fahrrad-Steuer?

Warum müssen die Halter von Kraftfahrzeugen KfZ-Steuer zahlen, indes die Radler das öffentliche Straßennetz unentgeltlich nutzen dürfen, es mehr und mehr für sich beanspruchen, zunehmend…/ mehr

Thomas Rietzschel / 23.11.2022 / 16:00 / 24

Im neuen marxistischen Kapitalismus

Möchte der Staat die Bedeutung der Arbeit mit der Höhe seiner Sozialleistungen ausstechen, um den freien Bürger zum betreuten Mündel herabzusetzen? Mit der „wohltätigen“ Diskreditierung…/ mehr

Thomas Rietzschel / 04.11.2022 / 14:30 / 67

Lauterbach im Taumel der Macht

Was er seit seiner Berufung zum Minister veranlasst und ausgeführt hat, ist nicht mehr als die tolldreiste Posse eines Narren, der im Wahn seiner Macht…/ mehr

Thomas Rietzschel / 28.09.2022 / 16:00 / 43

Mehr Licht!

Nach der Umweltverschmutzung im Allgemeinen und der Luftverschmutzung im Besonderen haben sich die Klimabewegten von Thunberg und Neubauer bis zu den Geistesgestörten, die sich auf Autobahnen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com