Merkels großer Bohei um Merkel
Viele waren zu Tränen gerührt, als Angela Merkel am vergangenen Freitag zum letzten Mal als Anführerin bei einem Parteitag der CDU auftrat. „Danke Chefin“ stand auf den Plakaten, die von Mitgliedern der Frauen-Union hoch gehalten wurden. Die Berichterstatter übten sich nachher in ehrfürchtiger Zurückhaltung. Die Süddeutsche Zeitung beispielsweise, zollte der großen Vorsitzenden Respekt, weil sie es vermieden habe, „den Saal mit Pathos zu begeistern“. „Eine Analyse mit feinen Botschaften“ sei ihre nur 34 Minuten lange Rede gewesen.
Ich habe davon nichts mitbekommen, statt dessen, von Phoenix live übertragen, eine Rede gehört, in der sich Angela Merkel als die Retterin der CDU feierte. Rückblickend auf das Jahr 2000, sagte sie, damals habe die „CDU am Boden“ gelegen. In dieser „Schicksalsstunde“, als sie die Führung übernahm, hätten sich die politischen Gegner bereits „die Hände gerieben“, gehofft, dass sich die Partei von der „Spendenaffäre niemals erholen würde“. Die CDU habe „politisch, moralisch und nicht zuletzt finanziell vor dem Aus“ gestanden, während sie heute wieder festen Boden unter den Füßen spüre.
Kein Wort darüber, dass die Partei seinerzeit zusammen mit der CSU trotz allem noch Zustimmungswerte von mehr als 35 Prozent erreichte, indes die christliche Koalition 2017, bei der letzten Bundestagswahl, froh sein musste, mit 32,9 Prozent das rettende Ufer zu erreichen. Doch von derart kleinlichen Rechenexempeln wollte sich MM, Mutti Merkel, die gute Laune beim Vortrag ihrer Erfolgsbilanz nicht verderben lassen. Auf dem Programm stand, was sie angeblich nicht wollte, „der große Bohei um sie“.
Was vom Eigenlob übrig bleibt
Da aber Eigenlob bekanntlich einen ziemlichen üblen Geruch hinterlässt, muss es zum Auftakt des CDU-Parteitags in der Hamburger Messehalle mächtig gestunken haben. Geradezu benebelt wirkten die Teilnehmer von dieser dicken Luft. Noch einmal gebärdeten sie sich wie die tanzenden Derwische. Standig Ovations, bis es der Bejubelten selbst zu viel wurde. Verzückte Gesichter, wohin die Kamera schwenkte, der Taumel einer entrückten Masse.
Scheiden tut weh - erst recht, wenn man sich daran gewöhnt hat, an der Hand genommen zu werden und ansonsten still vor sich hinzudämmern. Wer der CDU angehört, musste jahrelang nichts sagen, weil er nichts mehr zu sagen hatte. Es genügte, die Klappe zu halten, um von der Partei versorgt zu werden. Seit Merkel das Gültige vorgab, hatte die Stunde der Feiglinge und Hofschranzen geschlagen. Sonderlinge, die sich wie Wolfgang Bosbach oder Vera Lengsfeld damit nicht abfinden wollten, hatten ihr Päckchen zu tragen. Die Mehrheit kehrte ihnen den Rücken; in der Kuhwärme der Partei durften sie sich nicht länger geborgen fühlen.
Indem sie mit strenger Hand durchgriff, hat Angela Merkel die Mehrheit der Parteisoldaten von Volker Bouffier bis zum letzten Hinterbänkler nicht nur entmündigt, sondern sie zugleich vor dem peinlichen Eingeständnis eigener Mutlosigkeit bewahrt. Konnten sich die Hasenfüße, die Heulsusen und die Schwanzeinkneifer doch allemal sagen, dass ohnehin nichts gegen den Willen der „mächtigsten Frau der Welt“ auszurichten sei.
Hasenfüße, Heulsusen und Schwanzeinkneifer
Aufgemuckt wurde hinter vorgehaltener Hand. Was darüber hinaus ging, galt als „parteischädigend“. So hatte es die Vorsitzende mit der Muttermilch ihrer kommunistischen Erziehung eingesogen. „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“, hieß es in der DDR. Sicher, auch frühere Kanzler, Konrad Adenauer und Helmut Kohl vor allem, sind mit ihren innerparteilichen Kritikern nicht eben zimperlich umgesprungen. Doch erst unter Angela Merkel ist die Katzbuckelei als Kultur der Partei aufgeblüht. Ihre Mitglieder gewöhnten sich an das süße Leben in der Sonne einer majestätisch ausgeübten Macht.
Ja, der jetzt abgetretenen Vorsitzenden ist es gelungen, die Christlich Demokratische Union Deutschlands 18 Jahre lang pro forma am Leben zu erhalten. Das ist unbestreitbar, auch wenn die Partei unterdessen tatsächlich am Boden liegt, inhaltlich so ausgezehrt ist, wie das in der „Schicksalsstunde“ des Jahres 2000, nach der Wahl Angela Merkels zur Vorsitzenden, niemand für möglich gehalten hätte. Der große Coup.
Das Personal, das mutig und Willens genug wäre, nun wieder für eine Umkehr zu sorgen, ist bisher nicht hervorgetreten. Auf dem Parteitag in Hamburg dominierten nach wie vor die Claqueure der autokratischen Herrschaft. Ob sie sich fortan im Schatten von Annegret Kramp-Karrenbauer ebenso abducken werden wie in dem ihrer Vorgängerin, bleibt abzuwarten. Überraschend wäre es nicht.