Claudio Casula / 30.06.2021 / 06:25 / Foto: EPP / 200 / Seite ausdrucken

Merkels Gestammel: Original und Glättung

Die deutsche Sprache war Dr. Angela Merkels erstes Opfer, und bis heute wird sie von ihr regelmäßig so grausam misshandelt, dass man eine rechtliche Handhabe dagegen schmerzlich vermisst. Seien wir wenigstens dankbar dafür, dass die Plenarprotokolle des Deutschen Bundestages nicht den Originalton des Wortbeitrags wiedergeben, sondern die Stenografen gewisse sprachliche Glättungen vornehmen, Äähs und Ööhs eliminieren, hoffnungslos ineinander verknotete Wortgirlanden entwirren und so weiter. In Merkels Fall ist das Schwerstarbeit, vergleichbar vielleicht einem Tauchgang in einen Abwasserkanal.

„Jede Sitzung des Deutschen Bundestages wird von den Stenografinnen und Stenografen protokolliert und steht als Plenarprotokoll, sogenannter Stenografischer Bericht, der Öffentlichkeit zur Verfügung. Vor Veröffentlichung haben die Rednerinnen und Redner das Recht, die Niederschrift zu prüfen“, heißt es auf der entsprechenden Website des Bundestages.

Tatsächlich ist das Original aus dem Munde der Kanzlerin inhaltlich und in der Form eine einzige Zumutung, wie etwa diese Passage vom 23. Juni 2021 aus der Fragestunde im Parlament zeigt, in der Merkel auf eine Frage des Abgeordneten Münzenmaier (AfD) nach der Brauchbarkeit des PCR-Tests zur Feststellung einer epidemischen Lage nationaler Tragweite wie folgt antwortet:

„Und darf ich den noch auf die Straße lassen“

„Nein, ich stimme der Aussage so nicht zu, ich glaube, dass auch, äh, gute wissenschaftliche Antworten, die ich hier nich wiedergeben kann, zum Beispiel von Herrn Professor Drosten in seinem letzten Postcast (sic!) gegeben wurden. Ich will nur ganz allgemein sagen, Sie schaun Sie sich wenn Sie sich den PCR-Wert eines Erkrankten anschauen, dann baut der sich auf, und dann baut der sich nach einem Höhepunkt auch wieder ab, und das heißt, äh, man hat im Verlaufe der Krankheit, wenn man jetzt jeden Tag einen PCR-Test machen würde, immer eine bestimmte Verlaufskurve, und da sind Teile davon, ähhm, unterhalb von 25 und Teile davon sind über 25, mal ist man mehr ansteckend, mal kommt man ins Ansteckenbereich, dann is man wieder garnich mehr ansteckend.

Und die einzige Frage ist, haben wir, und wir hatten ja nur eine endliche Zahl von PCR-Tests zur Verfügung, vielleicht manchen Menschen drei oder vier Tage Quarantäne gesagt. Sie könn’n aber mit einem PCR-Test, bei dem Sie hundert Prozent rauskriegen, ob jemand die Krankheit hat, nich sagen, is der aufm aufsteigenden Ast des PCR-Wertes, auf dem absteigenden Ast des PCR-Wertes, also weil das grade andersrum geht, meine Handbewegung müss’n Se sich andersrum denken, aber isser genau auf welchem Stadium der Infektion ist der.

Und deshalb glaube ich, dass wir im großen Ganzen im Blick auf die Verfügbarkeit von PCR-Test verantwortlich gehandelt haben und man natürlich wenn man unendlich viele dieser Tests hat, könnte man die Quarantänezeit hinten und vorne noch ’n bisschen abschneiden, aber das wäre nicht verantwortlich, da man für das Individuum ja auch garnich weiß, wie sich die PCR-Konzentration dann verändert. Das kann beim einen schnell gehn, beim andern langsam gehn, wir könn‘n ja nich stündlich testen und fragen, is der jetzt über 25 oder unter 25 und darf ich den noch auf die Straße lassen. So. Und deshalb is das nach bestem Wissen und Gewissen gut gemacht.“

Dann hat der Mensch SARS-CoV-19

So viel pseudowissenschaftlicher Unsinn wurde noch selten so komprimiert und verquast im Hohen Hause geschwurbelt, vom „PCR-Wert“ (Merkel meint wohl den Ct-Wert) über den Test, „bei dem Sie hundert Prozent rauskriegen, ob jemand die Krankheit hat“, bis zum angeblichen Ansteckungspotenzial des armen Teufels, der zwar gesund ist, aber wegen eines nicht aussagefähigen Tests, der nach mehr als 30 Zyklen irgendwelche Virustrümmer nachweist, in Quarantäne gesteckt wird. Egal, Hauptsache auf Verdacht einsperren. (Hier können Sie sich diese Perle im Originalton anhören, hier die sprachlich geglättete Version im Protokoll nachlesen, 30424/30425)

Auf die Nachfrage Münzenmaiers, wann man Maßnahmen wirklich aufheben könne oder ob wir damit rechnen müssen, dass wir Ende des Jahres wieder in einen Lockdown gehen, sagt Merkel (im Video ab 4:26):

„…Ein PCR-Text is positiv. Dann hat der Mensch SARS-CoV-19. Zweitens: Mit einem PCR-Test ist ein Ct-Wert verbunden, irgendeine Konzentration in Abhängigkeit von der Zeit. Und dieser Ct-Wert kann über oder unter 25 sein, isser über 25, is der Mensch ansteckend, isser unter 25, ist er nicht ansteckend.“

„SARS-CoV-19“ scheint entweder eine neue Mutante zu sein oder ein Hybrid zwischen SARS-CoV-2 und Covid-19 – die Kanzlerin, die ja bekannt dafür ist, besonders detailverliebt zu sein und sich in kleinste Kleinigkeiten einzuarbeiten, weiß hier sicher mehr. Allerdings weiß sie immer noch nicht, dass der PCR-Test allein eben keineswegs sicher zeigt, dass der Mensch „SARS-CoV-19“ hat.

Ansteckend über 25, ansteckend unter 25, wo ist der Unterschied?

Im Protokoll ist von „SARS-CoV-19“ nicht die Rede, den Lapsus hat der Stenograf korrigiert, dort steht nun „SARS-CoV-2“. Und auch ein zweiter, heftigerer Fehler ist ausgemerzt worden. Merkel hat gesagt: „Und dieser Ct-Wert kann über oder unter 25 sein, isser über 25, is der Mensch ansteckend, isser unter 25, ist er nicht ansteckend.“ Nur verhält es sich genau umgekehrt, und im Protokoll steht plötzlich: „Ist er unter 25, ist der Mensch ansteckend, ist er über 25, ist er nicht ansteckend.“ (Hervorhebung von mir, C.C.)

Nun erinnern wir uns an die eingangs erwähnte Erklärung auf der Website des Bundestages: „Bei eventuellen Korrekturen darf der Sinn der Rede oder ihrer einzelnen Teile nicht geändert werden“, womit sich die Frage stellt, ob hier gegen diese Bedingung verstoßen wurde. Andererseits: Ein Verstoß mehr oder weniger, mit dem der Bürger, der sich in der Regel eher nicht in Bundestagsprotokolle vertieft, hinters Licht geführt wird, macht den Kohl jetzt auch nicht mehr fett, und für Angela Merkel scheinen ohnehin eigene Regeln zu gelten.

Wie auch immer, die Presse ist begeistert, preist Souveränität und Schlagfertigkeit der Kanzlerin. Noch am gleichen Abend schreibt Franz Josef Wagner in der BILD:

„Sie sind die tolle Einser-Schülerin aus dem Osten geblieben. Sie sind wissensstark. Renten, Corona, Mieten, sogar über die Regenbogendebatte konnte man Sie fragen, Sie wussten auf alles eine Antwort.“

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Andreas Mertens / 30.06.2021

Gestammel. Nun gut. Fr. M. war nie eine begnadete Rednerin, eher eine begnadete nach dem Mund Rednerin. Ansonsten wäre sie in der DDR nie zu dem hohen FDJ-Posten gekommen den sie innehatte ... sondern nach Bautzen. Das macht sie in unserer bundesrepublikanischen Gesellschaft aber nicht zu einem Solitär. Nach dem Mund reden (veraltet Katzbuckeln) gehört neuerdings zu den neuen Kardinaltugenden im besten Deutschland aller Zeiten. Solche die das nicht können (können-wollen / wollen-können) sind Leugner, Abschaum, Pack, Dunkeldeutsche, Problemwähler, geistig krank oder einfach ... schon länger hier.  Waren die alten Kardinaltugenden noch Gerechtigkeit, Mäßigung, Tapferkeit und Hochsinn, sie sind es Heutzutage derer, Katzbuckeln, Maulhalten, Nachtreten und neidtriefende Missgunst.

Detlef Fiedler / 30.06.2021

@Heribert Glumener, @Friedrich Richter: Sie liegen beide richtig, das eine schliesst das andere nicht aus. Nicht aus der Literatur, jedoch aus persönlichem Erleben, kann ich bestätigen: Auch ein paar Etagen tiefer, z.B. beim Dipl-Ing., gab es die sog. “Schnellbesohlungen” für Parteigenossen. Derartige Qualifikationen waren das Papier nicht wert, auf dem sie hernach bestätigt wurden. Sämtliche (DDR-)Ingenieure die ich kenne, vom klassischen Weg, waren hervorragend und wirklich gebildete Leute. Die mit den “Schnellbesohlungen” lagen fachlich unter dem unterstem Niveau, wurden aber in leitende Positionen gehoben. Haltung war eben alles. Daher waren wirkliche Fachleute unter den Parteigenossen so gut wie nie zu finden. Nicht anders liegt es daher, für mich, im Fall der obersten Füssikerin dieses, unseren Landes.

Sabine Schönfelder / 30.06.2021

Also liebe Uta@Buhr, in Ihrer Beschreibung, „geistig derart spärlich möblierte Person wie das Nägel fressende Rautenmonster“ (mein heutiger absoluter Gute-Laune-Schub), unser aller Abrißbirne spiegelt sich der alte, ehrwürdige Geist unseres Landes der Dichter und Denker wider!! Wir brauchen mehr Utas und keine Angela.

Dr. Karl Wolf / 30.06.2021

Na da wäre die Baerbock, was Täuschen, Tricksen und schlechtes Deutsch angeht,  die legitime Nachfolgerin.

Dr. med. Jesko Matthes / 30.06.2021

P.S.: “Diese Rede muss rückgängig gemacht werden!”

Volker Kleinophorst / 30.06.2021

@ T. Schümann Im Gegensatz zu den meisten Spekulierenden hier habe ich Merkel schon getroffen/interviewt und kann Ihnen sagen, den tiefen Teller hat die nicht erfunden. Was Sie super kann ist, ausweichen, rumschwurbeln, nur nicht konkret antworten. Eine Stunde bin ich beispielsweise immer darauf zurückgekommen, was denn eine ostdeutsche Physiker zur Ministerin befähigt. Viele Antworten aber keine Antwort. Ich weiß es heute natürlich: Nichts. Und nein sie ist keine Physikerin, sie war eine “Politische” und Herr Sauer ist ihr Führungsoffizier (so mir gegenüber diverse Ossis) oder meinen Sie so ein doch recht attraktiver Mann… Hier wurde auch geschrieben, diese Dr.-Arbeit in der ja auch schon Sauer auftaucht, habe Substanz. Also schon meine naturwissenschaftlichen Kenntnisse reichen aus, um schon mal nicht beeindruckt zu sein. (Ich hab Sie, wer sie haben will. Bin leicht zu finden.) Eine Materialsammlung allenfalls. Die Universität Cambridge ist da ganz deutlich: “Cambridge-Wissenschaftler: „Frau Merkels Doktorarbeit ist Bullshit“ (Neopresse u. a.) Letztens sah ich mit einer politisch eher nicht bewanderten Freundin “Wag the Dog”, die unglaubliche “Natürlich gibt es einen Krieg. Ich hab es im Fernsehen gesehen”-Satire” über Manipulation und die Dummheit der Wähler. Sie: “Und ist das wirklich so schlimm?” Beruhigend: “Nein. Lächelnd: “In Wirklichkeit ist das noch viel schlimmer.” Und das ist mein voller Ernst. PS.: Merkels sogenannte Ostbiografie hat mehr Sprengstoff als Baerbocks Lebenslauf.

Friedrich Richter / 30.06.2021

@Heribert Glumener: Danke für den Hinweis. Ich hatte damals als Student einigen öffentlichen Dissertationsverteidigungen (Maschinenbau) interessehalber beigewohnt und war von der Qualität der Vorträge und Argumentationen durchaus angetan. Schade, dass so etwas umgangen werden konnte. Das dürfte dem Renommee einer Hochschule nicht gut bekommen, ausser, man versteckt die Dissertation dann gleich.

Silas Loy / 30.06.2021

@ Volker Kleinophorst - Die FAZ hat sich von Anfang an verbissen in das Narrativ von den Hetzjagden in Chemnitz wie Schnauzi in den Hosenboden des Briefträgers. Die propagieren diese Lüge immer noch unverdrossen, obwohl sie wissen, dass es eine ist. Wie das bei den Lesern ankommt, scheint ihnen völlig egal zu sein. Ebenso wie ihr Niedergang.

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