Thomas Rietzschel / 12.11.2018 / 08:52 / 36 / Seite ausdrucken

Merkels Backfisch-Offensive

Im Wald von Compiègne sind Angela Merkel und Emmanuel Macron vorgestern ganz eng beisammen gewesen. Beide waren sie angereist, um an die Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und den Westmächten vor hundert Jahren zu erinnern.

Erst schnupperten sie ein bisschen Geschichte im Nachbau des Salonwagens, in dem das Dokument seinerzeit unterzeichnet wurde. Dann traten sie hinaus auf die Lichtung. Eine Gedenktafel wurde enthüllt. Die Kanzlerin erhob sich auf Zehenspitzen, griff nach dem Präsidenten, lächelte mädchenhaft verzückt, um schließlich ihre Stirn an seine Schläfe zu schmiegen: ein Mann und eine Frau, der Welt für den Augenblick entrückt.

Nun gehören menschliche Gesten seit jeher zum politischen Geschäft. Mitunter sagen sie mehr als tausend Worte. Willy Brandts Kniefall am Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos war ein Akt der Demut, der es den Polen erlaubte, sich mit Deutschland zu versöhnen. Als sich Francois Mitterand und Helmut Kohl 1984 vor dem Beinhaus in Verdun die Hände reichten, schlugen sie Brücken über Schützengräben, in denen hunderttausende französische und deutsche Soldaten umkamen. Schweigend gedachten die Staatsmänner der Gefallenen. Zum Lächeln bestand kein Anlass.

Gewahrt wurde die Würde der Toten. Kein Vergleich mit dem, was Angela Merkel vorgestern aufführte, da sie den französischen Präsidenten als Schmusebacke überraschte. Mit ihrer Backfisch-Offensive zelebrierte sie die Geschichtsbewältigung als Soap Opera – auf dem Niveau der Vorabendserien des deutschen Fernsehens: Gute Zeiten, schlechte Zeiten.

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Michael Scheffler / 12.11.2018

Ich weiß noch, wie man auf Kohl und Mitterand von Links einschlug, weil die Herren eine staatsmännische Geste auf einem deutschen Soldatenfriehof wagten. Heute findet ein narzisstisches Pärchen - eine alternde Frau ohne Kinder und ein Jüngelchen mit ödipalem Komplex - ungeteilte Aufmerksamkeit der Mainstreammedien. Tempora mutantur, nos et mutamur in illis. Diese Art der Änderung nöchte ich aber nicht.

Frances Johnson / 12.11.2018

Na ja, nachdem es mit Obama nicht geklappt hat….Attraktiv ist er ja auch, der Franzose. Ich wäre gern später Mäuschen gewesen am Abend, um zu hören, wie sich die Macrons darüber lustig machen. Übrigens sollten wir Hollande in diesem Zusammenhang nicht übersehen, und der war sogar (scheinbar zumindest) solo. Aber der Allererste war George Doubleyou. Hat sie denn gar niemanden, der sie mal auf den Pott setzt in jeder Hinsicht? Rundumerneuerung?

Thomas Bonin / 12.11.2018

Immerhin kam es nicht zum Bruderkuss wie weiland zwischen Honni und Genossen Breschnew (jedenfalls nicht vor laufender Kamera).

Johann-Thomas Trattner / 12.11.2018

Gentlemanlike ist, manche Peinlichkeit nicht wahrzunehmen. Deshalb schreibe ich dazu auch keinen Leserbrief.

E. Albert / 12.11.2018

Das war doch herzallerliebst! - Da standen sie, die Vertreter der Globalisten und freuten sich, dass ihnen schon sooo viele auf den Leim gegangen sind und wir jeden Tag der von ihren Auftraggebern gewünschten New World Order, mit einer kleinen, selbsternannten “Elite” und einer riesigen, prekären Unterschicht, ein Stückchen näher kommen. Alles schön unter dem Deckmäntelchen “Humanismus” verkaufend - und fast alle fallen darauf herein, insbesondere links-grüne Traumtänzer. Diesen Propaganda-Schachzug muss man wirklich anerkennen. Gelernt ist halt gelernt, nicht wahr, Frau Merkel?

Klaus Weber, Hamburg / 12.11.2018

Die Kanzlerin der Kriegsverlierer lässt sich von den Kriegsgewinnern als Friedengöttin feiern. Ist das nicht absurd? Kein Abstand, keine Demut, keine Seriosität - auch nicht gegenüber den Kriegsopfern. Und das kleine Ödipussi erzählt den ehemaligen Verbündeten, den versammelten Präsidenten der Welt und der Supermächte, erstmal wo es lang geht und wer die Nationalisten und Kriegstreiber sind. Derweil sprühen die Mirage-Jäger, die weiland Libyen bombardierten die Farben der Trikolore in den Himmel. Das ist doch schon ein Küsschen von der Prinzessin aus der Uckermark wert.  Was für ein schönes Bild! Schade nur, dass der Pleitier, der sein Land ohne innere Reformen sanieren will, es nur auf ihr, äh unser, Geld abgesehen hat. Bei der Nummer waren wahrscheinlich sogar Trump und Putin platt und sprachlos. Trump hat noch nicht einmal getwittert - die Aufführung hat selbst ihn übermannt.  Die Bilder für die Geschichte, so die Systemmedien, wollen mir aber seitdem nicht aus dem Kopf gehen. Ist das wirklich alles wahr oder nur ein böser Traum? Wie konnte es soweit kommen? Was kommt als Nächstes? Ich will es gar nicht wissen.

Regina Horn / 12.11.2018

Macron hin oder her - aber da wir nun schon am Tratschen sind: Haben Sie die Eloge des Herrn Martin Walser im Spiegel über Merkels Schönheit gelesen? Ich dachte so von mir,  mich würfe nichts mehr so leicht um, aber diese extreme Speichelleckerei hat mir glatt die Schuhe ausgezogen. Einfach mal googlen und sich fragen - wer zwingt den Greis denn *dazu*?

M. Schneider / 12.11.2018

Ihrer Auffassung zu dem Bild kann ich nur zustimmen, ergänzend fällt mir dazu noch, dass das Bild bei mir den Eindruck erweckt, dass unsere Kanzlerin Nähe sucht, weil vielleicht sogar sie inzwischen realisiert hat, dass sie isoliert ist in Europa, sieht man einmal ab von Herrn Juncker und seinen Jüngern. Für sie kann Deutschland weiter als Zahlmeister wichtig sein.Ob sie nun mit ihrer bildlich so deutlichen Hinwendung zu Macron richtig liegt, darf bezweifelt werden, denn ihm schwimmen im eigenen Land sämtliche Felle davon, und deshalb braucht auch er Merkel und Deutschland dringend als Finanzgeber.

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