Hendryk Broder sagt, die Kanzlerin sei eine tragische Figur. Sie verfängt sich zunehmend in den Problemen die sie selbst verursacht hat. Mir ist sie ja früher nie so recht aufgefallen, die Merkel, obwohl sie ja ständig in den Medien präsent war. Kurz irritiert war ich, als sie einmal sagte: „Der Job mache ihr Spaß.“ Gefiel mir irgendwie nicht, der Satz und ich konnte mir nicht vorstellen, dass irgendein Kanzler vor Merkel, sich so flapsig ausgedrückt hätte. Aber was soll‘s, dachte ich mir, ihre Sprache war ja nie inspirierend und ich habe schon früher meist den Fernseher abgeschaltet, wenn Merkel sich ans Rednerpult begab. Erweckungserlebnisse erwartete ich längst nicht mehr. So im Ganzen schien ja Deutschland, dank Schröders Reformen, gemütlich vor sich hin zu dümpeln, jedenfalls kam es mir so vor. Zu Neujahr verkündigte die Merkel, angetan mit einem schönen Jäckchen, uns stets, wie gut es uns ginge, nämlich so gut wie nie zu vor. Ich erfuhr aber aus den Zeitungen von steigender Kinderarmut, zunehmenden Obdachlosenzahlen, Altersarmut, kaputten Straße und sonstigen Missständen, die weder sie noch Schäuble besonders störten, Schäuble jedenfalls thronte stolz auf seiner schwarzen Null und die Wirtschaft florierte, so hörte ich. Also lag ich wohl wahrscheinlich falsch. Als die „Euro-Krise“, die „Energiewende“ und die „Flüchtlingskrise“ zu den beherrschenden Themen wurden, wollte ich mehr über Merkel wissen. Wer ist sie, wie tickt sie, was will sie. Ich habe versucht, das herauszufinden, aber es ist mir wirklich nicht gelungen. Erst mal äußerlich: Das Bild das sie abgibt ist lieb und sympathisch. Ein Hosenanzug, ein bisschen zu kurz an den Ärmeln, ein bisschen zu kurz an den Beinen, erinnert mich irgendwie an Max und Moritz, die lustigen Lausbuben, aber sie hat auch etwas vom Rumpelstilzchen und ich kann mir gut vorstellen, wie sie ums Feuer hüpft und immer wieder „Oh wie gut, dass niemand weiß…“ ruft. Na und? Was sagt das schon aus? Irgendein raffinierter PR-Berater hat ihr die neue Frisur und das Outfit verpasst, das eine Botschaft aussendet, die vollkommen unabhängig von jedwedem was sie sagt, unterschwellig für Sympathien sorgt. Das Kleine, Liebe und Herzige von Wilhelm Buschs Max und Moritz und dem Rumpelstilzchen aus dem Märchen, dazu das schelmische Merkel-Lächeln, das Abküssen von männlichen Politikern macht den Eindruck, dass wir es mit einer liebevollen Person zu tun haben, die sogar im Extremfall unseren Schutz und selbstverständlich unsere Sympathie verdient. Das ist die visuelle Botschaft, - aber was will sie, die Merkel? Aus ihren Reden kann man das leider nicht ablesen. Sie sondert Gemeinplätze ab, je nachdem, was gerade kommentiert werden soll, wobei sie sich oft massiv widerspricht, was ihr, oder ihrem Redenschreiber aber überhaupt nichts auszumachen scheint. Merkel kann mit Pathos erst das Eine, dann das Gegenteil verkünden und erscheint dabei irgendwie doch glaubwürdig. Also keine Erkenntnisse durch ihre Äußerungen. Vielleicht durch ihre Handlungen? Unheil hat sie ja neuerdings genügend angerichtet. Schröder sagte: „Sie kann es nicht.“ Erst jetzt denkt mancher: „Shit, er hatte recht.“ Aber wieviel Spielraum hat sie eigentlich? Woran orientiert sie sich, oder muss sie sich orientieren? Eine Frau, die vor ihrer Kanzlerschaft, nie auch nur ein Dorf, geschweige denn ein Bundesland regiert hat. Wolfgang Herles sagt: „Merkel gehört nicht in die Politik.“ Dem möchte ich inzwischen gerne zustimmen. Sie lässt sich beraten, sie orientiert sich an den Vorgaben der USA, sie nimmt internationale ThinkTanks in Anspruch, deren Interessen vielleicht nicht immer unsere sein könnten, McKinsey wird engagiert, um Probleme zu lösen und daneben versucht sie vor allem das zu tun, was ihrer Karriere nützt. Da kommt es hauptsächlich auf das Image an. Eine gute Show und Gesinnungsethik plus moralische Überheblichkeit wird zum Beispiel vom Volk zurzeit sehr geschätzt! Endlich wird uns die Absolution erteilt! Was sind schon sechs Millionen ermordete Juden, gegen diese unendliche Güte und Hilfsbereitschaft der Deutschen, - Merkel sei Dank! Und die ganze Welt scheint ihre Flüchtlingspolitik zu loben! Vielleicht mit heimlicher Schadenfreude? Denn nachmachen will diese Politik keiner. Aber was will sie wirklich? Viele Jahre waren ihr zum Beispiel nämlich die ertrinkenden Flüchtlinge ziemlich egal und Griechenland sowie Italien baten vergebens, sie bei den eindringenden Menschenmassen zu unterstützen. Und plötzlich will sie ihr Herz entdeckt haben, angesichts ursprünglich nur einiger tausend Menschen, die sich weigerten in Ungarn zu bleiben? Niemand kann erklären, was sie plötzlich geritten hat und warum sie diese Kehrtwende zum totalen Kontrollverlust eskalieren ließ, denn einen wirklichen Notfall gab es in Ungarn nicht. Im Nachhinein wurden uns die Invasoren dann wahlweise als hilflose, traumatisierte Menschen präsentiert, als heißersehnte Facharbeiter, Laboranten und Ärzte, oder als die Retter unserer Renten und der demographischen Probleme. Merkel fährt auf Sicht, sagt sie, - aber sollte man jemanden, der nicht langfristig und strategisch denken kann wirklich an den Schalthebeln der Macht herumbasteln lassen? Keiner der Kanzler seit dem zweiten Weltkrieg hat so herumgestümpert und dennoch so ein gutes Image behalten. Was will sie, was treibt sie an, das fragen immer wieder Viele. Ich fürchte, es ist viel einfacher, als man denkt: Sie will einfach ihren „Job“ behalten…... Es ist nicht anzunehmen, dass die uckermärkische Pastorentochter, je damit rechnen konnte, für viele Jahre als deutsche Kanzlerin auf dem internationalen Parkett hofiert zu werden. Jetzt ist sie da oben und wer erwartet, dass sie freiwillig geht, ahnt nichts von dem Zauber dieses Herrscherlebens. Ja, sie sollte die erste Dienerin des Volkes sein, aber so verhält sie sich nicht. Die Richtlinienkompetenz zu haben, ist Teil ihres Traumjobs und aus diesem Traum möchte sie am liebsten nie wieder erwachen.
Sehr geehrter Herr Broder, Sie haben die “Merkeldämmerung” nicht nur kommen sehen, sondern dem Leser ein Licht aufgesetzt, damit er den Überblick nicht verliert. Mir u. a. mit Ihren Artikel über Merkel als späte Rache der DDR. Vielen Dank. Die DDR ist immer für Vergleiche gut und die deutschen Zonen stecken doch - mehr oder weniger - in uns allen. Neulich, als Peter Altmeier in der Republik lauter Frieda Hockaufs (die “Schwester” vom DDR-Aktivisten Adolf-Hennecke) als tatsächliche Angela Merkels an der Bewältigung der Flüchtlingswelle im Dauereinsatz sah, kam mir nahezu zwanghaft die Assoziation zum DDR-Parolengedicht: “Im Kreml brennt noch Licht”. Nach der Bundestagsrede von Angela Merkel ist sie nun auch wieder Stab und Stecken für die Zweifelnden; denn Deutschland bleibt Deutschland. Nicht der Sozialismus siegt, sondern die Wenden von Angela Merkel! Ich bin mir bewußt, dass ich diesen Leserbrief nicht an die Parteileitung der CDU schreibe, sondern an die “Achse des Guten”. Unsicher bin ich, ob meine Zeilen nicht >Häme< enthalten und die Schwarmgeister von Kahane & Co, die gerade von 50 auf 100 Millionen € aufgestockt wurden, mich damit zu Recht aus den sozialen Medien verbannen würden? Aber, jede Wende im Kopf fängt mit Witzen an, wo einem das Lachen im Halste stecken bleibt. Und mit Leserbriefen, bei denen man vor der Stasi zitterte.
Werter Herr Broder, zu “Der Putsch gegen Merkel kommt auf leisen Sohlen”, bescheinigen sie Claus Kleber keinen Hang zur Ironie zu besitzen. Ich befürchte fast das Gegenteil, wie weltfremd im Heute-Journal über die aktuellen Probleme berichtet wird. Claus Kleber ist wahrscheinlich ein begnadeter Satiriker, der irgendwie im Körper eines hilflosen Moderators festsitzt.
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