Nachtrag zu Merkels 70sten: Welches Lebenswerk?

Nicht einmal die schlechteste Bundesregierung aller Zeiten führt zu einer Merkel-Nostalgie. Kein Wunder, die setzt ja nur fort was die Jubilarin begonnen hat.

Gestern hatte Angela Merkel Geburtstag. Die ARD produzierte eine fünfteilige Doku-Serie unter dem einfallsreichen Titel "Schicksalsjahre einer Kanzlerin". Die höchsten Orden, die Bund und Länder so zu vergeben haben, hat sie schon in den letzten zwei Jahren bekommen. Also gab es von den Medien die erwartbare Würdigungen ihrer angeblichen Lebensleistung. Eine ehrliche Bilanz der Merkel-Regentschaft vermeiden alle politischen Verantwortungsträger sowohl der aktuellen und vorigen Bundesregierung, als auch Merkels Anhängerschaft bei Grünen und FDP.  Warum sollten sie eine solche Bilanz auch ziehen? Ihre Energiewende-Politik, ihre Migrations-Politik, die in ihrer Kanzlerschaft vorangetriebene gesellschaftliche Umgestaltung setzen sie ja konsequent fort.

Die Tatsache, dass die langen Merkel-Jahre, vor allem die erste Hälfte, als „gute Zeit“ in Erinnerung sind, liegt nicht an Merkel, sondern an einer insgesamt weniger angespannten Weltlage und daran, dass Deutschland noch von seiner Substanz zehren konnte. Von Merkel gingen keine nennenswerten Initiativen aus, sie war eine Verwalterin des Stillstandes. Es fällt schwer, sich an irgendetwas zu erinnern, was man als substanzielle Politik betrachten könnte. Zu Merkel fallen einem Raute, Hosenanzug, Unfrisur, vielleicht total alltägliche Urlaubsfotos ein, aber keine staatsmännische Entscheidung. Das einzige Mal, als sie „Geschichte schrieb“, war es durch eine weitreichende Fehlentscheidung, die Grenzöffnung von 2015 ff. Sie wurde als Mutter Theresa gefeiert, dabei kostete ihre Entscheidung sie nichts, die Bevölkerung sehr viel. Bis heute wurde sie dafür nicht zur Rechenschaft gezogen, von wem auch, alle machten damals mit.

Ihre Corona-Politik war auch fatal, aber unterschied sich nicht wesentlich von der anderer Länder, da Merkel eigentlich immer erst wartete, was die anderen machten, um es dann nachzumachen und als „alternativlos“ darzustellen.

Nichtstun als Staatskunst

Ihre angeblichen Erfolge, zum Beispiel die Eurorettung, erweisen sich in der Rückschau als Taschenspielertricks. Sie spielte mit Frankreichs Nicolas Sarkozy die Retterin Europas, aber eigentlich zog Mario Draghi die Fäden und „rettete“ Griechenland und die Eurozone auf Kosten nachfolgender Generationen durch den massiven Aufkauf von Staatsanleihen.

Auch sonst war sie die große Blenderin, die vieles ankündigte, was nötig wäre, vieles sagte, was richtig klang und sehr allgemein gehalten war und dann eigentlich nichts Wesentliches machte, außer Bewährtes langsam zu unterminieren. Scholz probiert es ihr nachzumachen durch nebulöse Binsenweisheiten zu verkünden und Nichtstun als kluge Abwägung und ruhige Hand zu verkaufen, aber anders als bei Merkel nehmen die Medien ihm das nicht ab.

Die Ehe wurde von ihr entwertet, der Sozialstaat ausgebaut, Schulden vermehrt, die Wehrpflicht abgeschafft, dann der Atomausstieg ohne Not in die Wege geleitet. Über die fatale Entscheidung von 2015 ist schon so viel geschrieben worden, dass man darauf hier nicht mehr eingehen muss, auch wenn es Merkels wohl folgenschwerster Fehler war und bis heute eine Dynamik in Gang gesetzt hat, die vielleicht niemand mit Regierungsmacht mehr aufhalten könnte, selbst wenn er oder sie es wollte.

Natürlich war nicht alles falsch während ihrer Regierungszeit, der Staatsapparat lief weiter und erfüllte die Anforderungen, sie traf sich mit anderen Staatschefs, hielt harmlose Reden, unter den anderen mittelmäßigen Führern galt sie zeitweise als „Anführerin der freien Welt“, wohl weil sie das nach den USA zweitwichtigste Land des Westens regierte und Trump als Präsident der USA von den Medien zum Aussätzigen erklärt wurde. Ein wenig Glanz von Obama fiel auch auf sie, eine gewisse Distanz zu Trump wurde ihr als Kampf für westliche Werte, Frieden und Völkerverständigung ausgelegt. Die Abwrackprämie und eine zeitweise Verminderung der Mehrwertsteuer führten kurzzeitig zu etwas Erleichterung, waren aber alles andere als große Wirtschaftsreformen. Die Arbeitsmarktreformen von Schröder wurden unter ihrer Regierung langsam unwirksam und immer neue Bürokratie und neue Steuern erfunden.

Bis heute eine der besten Zusammenfassungen der langweiligen und trägen Merkeljahre gab Marc-Oliver Hartwich hier, unbewusst einen Monat vor Merkels „historischer“ Grenzöffnung, die plötzlich alle Erinnerung an Merkel nur noch auf „Flüchtlinge“ reduzieren sollte. 

 

Sebastian Biehl, Jahrgang 1974, arbeitet als Nachrichtenredakteur für die Achse des Guten und lebt, nach vielen Jahren im Ausland, seit 2019 mit seiner Familie in Berlin.

Foto: Armin Linnartz CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Norbert Gebhardt / 18.07.2024

Zumindest für deutsche Deutsche (Biodeutsche, Indigene usw.) war ihre Politik und sind die Folgen ihrer Politik schlimmer als die Politik dessen, mit dem man nichts vergleicht. Sie wissen schon, der Österreicher. Nach ihm konnte zumindest ein Wiederaufbau in Angriff genommen werden. Nun ist aber vieles unwiederbringlich zerstört.

S. Marek / 18.07.2024

Herr Sebastian Biehl,  sehr guter Artikel, aber Ihr Hinweis auf die perfekte Zusammenfassungen der langweiligen und trägen Merkeljahre durch den Marc-Oliver Hartwich als Gastautor bei Achgut sollte noch deutlicher gestaltet werden hier: “Ruhiggestellt: Deutschland unter Merkel”  vom   07.08.2015 Diese weit prophetische Einschätzung sollte jeder Achgut Leser kennen und zu deren Verbreitung beitragen,  sonst wird der BRD Zug immer weiter in die endgültige Katastrophe beschleunigen und den Rest der West-EU, sieh UK und Frankreich Wahlergebnisse, mitnehmen..

Wilhelm Rommel / 18.07.2024

@Dietmar Herrmann: Ich ziehe meinen Hut vor Ihrem Kommentar, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Und da es so gut passt, zitiere ich mich mit einem Kommentar beim Reitschuster vom 16. Juli mal leicht abgeändert selber: “Da die zunehmend ins Teigige übergehende ‘Blume der Uckermark’ schon das ‘Großkreuz in besonderer Ausführung’ des Bundesverdienstkreuzes eingesackt hat, finde ich, dass ihr anlässlich des Geburtstages eine absolut singuläre Ausführung als aller-allerhöchste Stufe umgehängt werden sollte: Das ganze Geklunker in neuester Edel-Ausführung mit aufgelegter Miniatur des ‘Karl-Marx-Ordens’ anstelle des abgewrackten Bundesadlers: Grüßaugust, übernehmen Sie…”.

Else Schrammen / 18.07.2024

Schnöde Dokus genügen wohl nicht. Jetzt haut auch noch Laschet in due gleiche Kerbe wue Wüst und Günther! Merkel lobpreisen ob ihrer desaströsen Politik? “Asylsuchende” in endloser Zahl herein bitten, den wirtschaftlichen Absturz Deutschlands in die Wege leiten (ohne Sinn und Verstand AKWs abschalten), unseren Wohlstand schmälern (überbordende Bürokratie, ungeahnter Einfallsreichtum zur Einführung immer neuerer Steuern, als alte Schwab-Jüngerin, ihr braucht nix und seid glücklich), eine Totalversagerin wie von der Laien auf den Thron hieven, damit diese EU-Politik in ihrem Sinne machen kann, als FDJ-Aktivistin ein verbrecherisches Regime unterstützen (das Ende der DDR muss für die schlimmer gewesen sein als für Putin das Ende der Sowjetunion), Deutschland in die linke Ecke treiben und dabei immer nach den Grünen schielen. Und die jetzigen verpeilten CDU-Granden hofieren diese Frau auch noch-  wie in all den Jahren kein Wörtchen der Kritiik, widerspruchslos, aber stehende Ovationen mit Klatschorgien -  , anstatt sich von deren unheilvollen Politik und den Grünen zu lösen! Ich fass es nicht! Und wer jetzt noch CDU wählt, hilft nur, den Schlamassel noch zu verschlimmern. Ich selbst habe in früheren Jahren immer CDU gewählt, kann aber mit Stolz verkünden: “Sie kennen mich”-Merkel Nie, und von mir nie wider ein Kreuzchen bei der Partei!

Klara Altmann / 18.07.2024

Manche finden ja Zerstörung höchst kreativ, jemand zertrümmert vielleicht ein Stück Mauer, drapiert Müll darüber und nennt es Kunst. Man kann dann auch noch Graffiti aufsprühen, beispielsweise: “Wir faffen daff.” Man kann sich auf noch draufstellen und grinsend Selfies machen. Ein Haufen Schutt kann also auch ein Lebenswerk sein und so ist das wohl auch in diesem Fall zu beurteilen. Der Sprengmeister ist zufrieden, wenn das Gebäude sauber in sich zusammenstürzt und 100 solcher Gebäude sind vielleicht sein Lebenswerk. Es ist einfach eine Frage des Blickwinkels und der ursprünglichen Motivation - wenn das Ergebnis dem entspricht, was man sich vorgenommen hat, ist man zufrieden. Auch mit einem gigantischen Schutthaufen.

Rolf Wächter / 18.07.2024

Das wirklich einzige Positive von allen Taten und Entscheidungen der Merkel war ihr Verhätnis zu Rußland und ihre Ablehnung des korrupten Regimes in der Ukraine. Rußland ist nicht mehr die sowjetische Besatzungsmacht, sondern ein wichtiger Handelspartner für uns. Rußland hat eine Menge Ressourcen, die wir brauchen. Der Sanktions-Irrsinn z.B. kostete Deutschland bisher über 100 Mrd Euro, weil wir das Gas aus Rußland aus anderen, teueren Quellen ersetzen müssen. (laut International Economic Forum). Und Milliarden Euros im zweistelligen Bereich verschenken wir an die Ukraine.

Fred Burig / 18.07.2024

@Lutz Herrmann :”... Die Dame hat eigentlich immer gemacht, was der Kreml wollte. Jetzt haben wir den Salat.” .... Das relativiert sich aber, wenn man ihre 13 Teilnahmen an den Treffen des WEF in Davos berücksichtigt! Spätestens mit Kenntnis ihrer Rede zum 50. Jahrestreffen des WEF ( 2020 in Davos )  sollte einem schon klar geworden sein, welchen “machtlüsternen Great Reset- Ideologen” sie – deutlich spürbar etwa nach der Hälfte ihrer Amtszeit - ergeben war! Die Auswirkungen dieser Schwab’schen Beeinflussung spiegelten sich unübersehbar in ihrem politischen und wirtschaftlichen Handeln seit 2015 wider. Darin irgend eine Beeinflussung durch den Kreml zu sehen, wäre schon sehr erklärungsbedürftig - ihre eingangs gemachte Feststellung dito! MfG

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