Durch die Blockade der Balkanroute erlebte die seit Sommer letzten Jahres explodierende Schlepperindustrie einen kurzzeitigen Dämpfer. Denn obwohl Merkel die Schließung der mazedonisch-griechischen Grenze scharf verurteilte und ihre bedingungslose Einladung an alle Migrationswilligen nach Deutschland zu kommen aufrecht erhält, hat es sich doch inzwischen herum gesprochen, dass ein Durchkommen nach Deutschland über die Türkei und Griechenland dauerhaft wohl unmöglich bleibt.
Jeder, der heute noch mehrere tausend Euro an einen Schlepper zahlt, um über diese Route nach Deutschland, Schweden oder Österreich zu gelangen, hat sein Geld zum Fenster hinausgeworfen. Will die Schleppermafia ihr Milliardengeschäft auch diesen Sommer am Laufen halten, müssen also neue Wege und neue Routen erschlossen werden. Vermehrt schickt man die Kunden nun über das Mittelmeer nach Italien. Und auch diesen Sommer dürfen sich die Schlepper und Schleuser über kostenloses Marketing aus Deutschland freuen.
Grenze auf, Grenze zu
Nachdem Angela Merkel in einem Interview, welches sie der „Bunten“ gab, betont hatte, dass sie in der Flüchtingskrise alles richtig gemacht habe und, wenn nötig, genau so wieder machen würde, wurde sie nun konkreter. Für den Sommer 2016 wünscht sich Merkel, dass der Brennerpass zwischen Italien und Österreich geöffnet werde und jede Form der Grenzkontrolle unterbleibe. Durch eine Fortführung der Grenzkontrollen zwischen Österreich und Italien, warnte Merkel Österreich auf dem Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommern, würde Europa schließlich keine geringere Katastrophe drohen, als die komplette Zerstörung.
Anders als im Sommer 2015, als Merkel noch betonte, der Schutz einer EU-Wassergrenze sei ein undurchführbares Unterfangen und der Schutz einer EU-Landgrenze, den Ungarn durchsetzte, sei ein Verbrechen wider die Genfer Flüchtlingskonvention, erklärte sie sich aber bereit, für den Sommer 2016 im Austausch für die Brennerkontrollen einen Schutz der Außengrenze Italiens zum Mittelmeer als moralisch unbedenklich zu akzeptieren. Sinnvoller als ein Schutz der italienischen Grenze seien jedoch Abkommen mit den Mittelmeerstaaten nach Vorbild des erfolgreichen Merkel-Erdogan-Paktes mit der Türkei, also Abkommen mit Algerien, Tunesien, Marokko, Libyen, Ägypten, Syrien und dem Libanon.
Schließlich könne man ein einmal abgelegtes Schlepperboot von den Küsten dieser Länder nicht daran hindern, in Italien anzulegen, da dies bedeuten würde, die Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen. Um den von ihr beschrittenen Weg einer Lösung der Migrationskrise unter Beibehaltung weit offener Grenzen zu einem schnellen wie nachhaltigen Erfolg zu verhelfen gelte es, so Merkel, „den Menschen in ihren Heimatländern“, also in den genannten Anrainerstaaten sowie in Pakistan, Afghanistan, Iran, dem Irak und in allen Ländern des afrikanischen Kontinentes, „zu helfen, dort so zu leben, dass sie ihre Heimatländer nicht mehr verlassen müssten.“
Die Schlepper freuen sich wie Bolle
Die Vermutung liegt nahe, dass das von Merkel letzten Freitag verkündete Vorhaben einer erneuten totalen Grenzöffnung in Richtung Deutschland, diesmal sogar unter Umgehung störrischer Balkanländer, von aufmerksam lauschenden Schlepperbossen bereits in die arabische und afrikanische Welt verbreitet wurde. Aus dem arabisch-afrikanischen Raum wollen, so die Schätzungen, aktuell mehr als 500 Millionen Menschen auswandern. Wie viele von ihnen werden sich 2016 wohl tatsächlich auf den Weg machen, nun, da der Pull-Faktor Merkel erneut aktiviert wird? Wie viele Menschen lassen sich von Merkels neuerlichen Grenzöffnungsversprechungen sowie dem nie zurück genommenen Versprechen eines angenehmen Lebens in Deutschland dazu animieren, den Schleppern ihr Geld in die Hand zu drücken, die Koffer zu packen und sich über Italien auf den Weg nach Deutschland aufzumachen?
Der österreichische SPÖ-Bundeskanzler Kern, der als Bahn-Chef im Sommer 2015 den Migrantentransport von Österreich nach Deutschland logistisch bewerkstelligte und erst vor wenigen Tagen Ungarn für die Sicherung der EU-Außengrenze als „autoritären Führerstaat“ beschimpfte, dürfte mit Merkel, ebenso wie Vorgänger Faymann, ideologisch auf einer Linie liegen. Anders als 2015 wäre ein Schulterschluss mit der deutschen Kanzlerin in Form einer Aufhebung von Grenzkontrollen innenpolitisch wohl aber nicht durchzudrücken. Sollte Merkel jedoch ihre Forderung nach Öffnung der Italienroute für Migranten ebenso massiv, medienwirksam und schlepperfreundlich propagieren wie letztes Jahr die Öffnung der Balkanroute, könnte der Ansturm im Jahr 2016 gewaltiger werden als im Vorjahr. So gewaltig, dass es keinen Unterschied mehr macht, ob der österreichische Bundeskanzler nun für oder gegen Grenzkontrollen am Brenner ist.
Dieser Gedanke kann zum Glück In das Reich alberner Panikmache verwiesen werden. Aus einem einfachen Grund: Bevor sich Millionen auf den Weg machen werden, wird die deutsche Bundeskanzlerin ihr Versprechen, alle Länder Afrikas und des arabischen Raumes in Sachen Wohlstand, Lebensqualität und Sozialleistungen auf einen bundesrepublikanischen Stand zu heben, bestimmt umgesetzt haben.
Siehe auch: Österreich will Flüchtlinge auf Inseln internieren