Vera Lengsfeld / 18.11.2017 / 10:30 / Foto: Infrogmation / 21 / Seite ausdrucken

Merkel ist kein Hit mehr

Während die Jamaika-Sondierer weiter an ihren Balkoninszenierungen basteln und immer noch nicht herausgefunden haben, wie sie ihre Wähler endgültig hinters Licht führen können, bahnt sich allmählich eine Trendwende an. Während bei FOCUS-Online heute 82 Prozent der Leser des Verhandlungs-Tickers bekundeten, dass sie sich einen Abbruch der Verhandlungen wünschten, scheinen auch manche Medien langsam umzudenken.

Die FAZ hat am Donnerstag eine sensationelle Abrechnung mit dem System Merkel veröffentlicht. Geschrieben hat sie Wolfgang Streeck, den man nicht zu den Neuen Rechten zählen kann.

Was der Direktor emeritus am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln den FAZ-Lesern vorhielt, ist der Spiegel einer Gesellschaft, deren „Eliten“ sich freiwillig in einem Maß gleichgeschaltet haben, wie es vorher nur in den beiden totalitären Systemen Deutschlands unter Druck der Fall war. Mehr noch: Merkel und ihre willigen Helfer haben „die wichtigste moralische Ressource des Landes, das Erschrecken vor seinen historischen Verbrechen, ebenso bedenken- wie letztlich erfolglos eingesetzt – verbraucht zu Zwecken politischer Machterhaltung um den Preis einer Trivialisierung von Faschismus und Rassismus“.

Einen schlimmeren Vorwurf kann man einer deutschen Regierung nicht machen. Natürlich ist Merkel die Hauptverantwortliche für diese Entwicklung. Klar ist aber auch, dass sie ohne ihre willigen Helfer nicht hätte reüssieren können.

In der FAZ war es Patrick Bahners, der Artikel veröffentlicht hat wie: „Auf die Kanzlerin kommt es an“, in dem die Kritiker von Merkels chaotischer Politik der abrupten Wenden als „Meckerei“ abqualifiziert und als „hilflos, lächerlich und frauenfeindlich“ bezeichnet werden. Eine Demokratie, in der es nicht mehr auf den Demos ankommt, ist keine mehr.

Unaufhaltsam setzt die Merkeldämmerung ein

Ob Merkel selbst für ihre Vertrauten ein Rätsel ist, spielt letztlich keine Rolle. Wenn sie eines Tages weg ist, wird kaum einer an seine peinlichen Unterwerfungsgesten erinnert werden wollen. Nein, dann werden die meisten Anbiederer es schon immer gewusst und deshalb heimlich Widerstand geleitet haben. So heimlich allerdings, dass es niemand gemerkt hat.

Viel zu langsam, aber unaufhaltsam setzt die Merkeldämmerung ein. Ihre Wunschkandidatin für die Konrad-Adenauer-Stiftung konnte sie nicht mehr durchsetzen, die Jamaika-Verhandlungen sind nicht so rasch, wie sie sich öffentlich gewünscht hat, zum Abschluss gekommen. Mindestens das Wochenende müssen die Balkontreter noch drangeben. Wenn sie ihr „Ergebnis“ präsentieren, wird alle Welt sehen können, dass es lediglich um Posten und Dienstwagen ging, aber nicht um ein Zukunftsprojekt für unser Land. Das geht schon aus den geleakten „Zwischenergebnissen“ hervor.

Wenn Merkel Geschichte sein wird, muss man wieder einmal der Frage nachgehen, wie es erneut passieren konnte, dass „Eliten“ kritiklos einer Führungsfigur hinterher hechelten und Andersdenkende mit Methoden bekämpft haben, die nach zwei totalitären Diktaturen tabu sein müssten. Die Westdeutschen bekamen die Demokratie von den westlichen Siegermächten geschenkt, die Ostdeutschen haben sie sich 1989 erkämpft. Die Rückeroberung der Demokratie ist ein gemeinsames Projekt, das die Vereinigung vollenden wird.

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Leserpost

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Andre Görz / 18.11.2017

Eine derartig scharfsinnig und ethisch begründete Analyse kann nur verfassen, wer selbst schon einmal massiv unter Repressalien eines korrupten Willkürregimes leiden musste. Vielen Dank für Ihr abermals couragiertes Handeln. Warum bei diesem Merkelismus alle mitmachen, die noch etwas zu verlieren haben?  Mitmachen und Privilegien vs. Kritik und der damit verbundene Verlust von Existenz und Menschenwürde, was die irre Restriktionspraxis der Etablierten widerspiegelt und den Zustand unserer Demolratie. Wie kann ein Kulturvolk wie Deutschlamd… ? Danke, dass Sie auch den Aspekt der Schuld aufgreifen. Hoffentlich behalten Sie Recht mit Ihrer Prognose, dass dieser von “öffemtlich-rechtlichen” Maasenmedien gehypte Wahnsinn bald per Dämmerung dieser unverdienten Elite und nicht bis zum brutalen Zusammenbruch ein Ende hat und pragmatischer vernünftiger demokratischer und menschlicher Politik wieder Platz gemacht wird.

Anders Dairie / 18.11.2017

Liebe Frau Längsfeld,  ich teile Ihre Darlegungen vollständig,  ohne Abstriche.  Ist es nicht das Gefühl als schreibendes Zunftmitglied,  sich mit dem “Zeitgeist” in Deutschland nicht gemein zu machen,  der hier die Prachtmädel und die leicht verkommen aussehenden Jungs,  quasi für Lau,  zur Tat auf Papier nötigt?  Sie wollen am Ende weit weg sein von den Merkel-Knechten.  Das Enttäuschendste, was ich seit 1990 schrittweise erlebt habe, ist die Anpassung ehemals relativ freier Journalisten an den Willen der jeweis Herrschenden.  So, so,  dachte ich oft, der ist nicht besser als die vom ND, den “Bezirksorganen der SED… nur oft noch schneller.  Inwieweit der SPD-Zeitungskonzern diese Meinungs-Selbst-Unterdrückung antrieb,  vermag ich nicht einzuschätzen.  Immerhin, wenn diese Schieflage wieder ins Lot kommt,  soll das Wort vom Sieg von “Freiheit und Demokratie”  (vielleicht) auf meinen letzten Stein.  Die schwere Schuld der Anpasser besteht darin, allen Feinden der Demokratie Tür und Tor geöffnet zu haben.  Sie haben zu ihrer Selbstvernichtung beigeholfen. Danke, Ihr Unterzeichnende A.D.

U. Wendt / 18.11.2017

Der Artikel faßt die Lage der letzten Jahre gut zusammen und er wirft auch ein Schlaglicht auf den verheerenden Hang der Deutschen zu Verabsolutierungen und Mitläufertum (+ Überheblichkeit). Nur der ´Befreiungskampf´ der Ostdeutschen ist Kitsch. Sie haben nur erstritten, daß ein Geschenk von Herrn Gorbatschow doch bitte vollumfänglich und sofort angenommen werde.

Martin Schau / 18.11.2017

Sehr geehrte Frau Lengsfeld, ich kann Ihnen gar nicht genug danken für Ihren klaren Blick und Ihre deutlichen Worte, die ich uneingeschränkt teile. Solche Achgut-Texte sind ein Trostpflaster in einer Zeit, die mir den Schlaf raubt. Denn dieses pseudo-demokratische Polit-Establishment wird seine Landeszerstörung nicht aufgeben…

Jochen Brühl / 18.11.2017

Als der US-Amerikaner Goldhagen vor vielen Jahren den Deutschen ein erbbiologisches Nazi-Gen andichtete, hielt ich dies für totalen Unsinn. Das wird es auch nach wie vor sein. Aber einen Hang zum Totalitarismus für die Sache des “Guten” haben die Deutschen Eliten, die gerade an der Macht und in der Meinungsführerschaft sind, allemal. Das Problem ist nur, dass in der Kaiserzeit die Koloniaisierung eine gute Sache war, zumal mit ihr auch Sklaverei in Teilen Afrikas beendet wurde, in der Nazizeit stand man für eine gerechte Sache - gegen die Ungerechtigkeiten, resultierend aus dem 1. Weltkrieg und über die gerechten Segnungen des Sozialismusses in der DDR braucht man ja wohl gar nicht mehr zu diskutieren. Der Asta der FU Berlin hat denen zum 40. Geburtstag 1989 noch gratuliert. Es würde mich nicht wundern, wenn die Sachsen in der Endabrechnung zur Merkelbilanz ein zweites Mal als Helden nach 1989 hervorgehen, wahrscheinlich besonders gelobt von Süddeutsche, FAZ und Welt, die es ja schon immer wussten, dass man die Freiheit jeden Tag aufs neue verteidigen muss.

Erika Schaeper / 18.11.2017

Selten habe ich mit soviel Vergnügen einen Beitrag gelesen wie den Artikel von Herrn Prof.Schreek in der FAZ. Danke, Frau Lengsfeld, für den Hinweis. Wir hätten ihn nie gelesen, weil wir schon vor langer Zeit die FAZ abbestellt haben (unlesbar!) Frage nur: warum erscheint ein solcher Artikel im Feuilleton und nicht unter “Politik”? Fehlt es dem zuständigen Redakteur doch noch etwas an Mut. Aber sei’s drum, betrachten wir es als Anfang einer geänderten Richtung.

Rupert Drachtmann / 18.11.2017

Wow ! Stark ! Der Vergleich mit den 2 totalitären Diktaturen mag für manche ggf. zu hart klingen. Aber in den Mechanismen und den aktuell angehenden Einschränkungen bzw. teilweise subtilen Einschüchterungen freiheitlicher Grundrechte passt der Vergleich wie die Faust aufs Auge. Die klassische Mischung halt: Ein Anführer, mehrere Unterstützer, tausende Mitläufer und wenige bis null Märtyrer.

Heiko Stadler / 18.11.2017

Merkel hat erst die Nazidrohung für ihren Machterhalt instrumentalisiert in der Art wie “Wer gegen mich und meine Politik ist, der ist ein Rassist”. Mit der Zeit wurde das Nazi-Schwert stumpf. Jetzt greift sie nach ihrer letzten vermeintlichen Wunderwaffe, dem Klimawandel. Weil wir “Klimasünder” sind, müssen wir zur Vergebung unserer Schuld jede Absurdität, die uns Merkel auferlegt, widerstandslos gefallen lassen.

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