Henryk M. Broder / 06.01.2019 / 12:00 / Foto: Pixabay / 41 / Seite ausdrucken

Merkel ins All

Nicht wenige Bundesbürger hatten sich auf eine Merkel-freie Silvesternacht gefreut. Und in der Tat sah es eine Weile danach aus, als wäre die Kanzlerin noch vor dem Ende des Jahres am Ende ihrer Karriere angekommen. Ihr Wunsch-Fraktionsvorsitzender wurde abgewählt, sie selbst legte – mehr oder weniger freiwillig – ihr Amt als Parteivorsitzende nieder und kündigte an, dass sie am Ende der laufenden Legislaturperiode, also voraussichtlich im Herbst 2021, kein politisches Amt mehr ausüben würde.

Es war ein Rückzug auf Raten, der von Freund und Feind bejubelt wurde. Unisono würdigten sie den „Mut“ der Kanzlerin und zollten ihr „Respekt“. Man konnte meinen, Deutschland wäre ein Fürstentum und die Landesherrin dem murrenden Volk einen Schritt entgegengekommen, derweil die Hofschranzen in den Medien „Lang soll sie leben!“ anstimmten. 

Tatsächlich erlebten die Zuschauer eine von Altlasten befreite Kanzlerin, die sich in ihrer traditionellen Neujahrsansprache an die lieben „Mitbürgerinnen und Mitbürger“ geläutert gab.

Der Blick aus dem All

Sie wisse, dass „viele sehr mit der Bundesregierung gehadert“ hätten; erst habe man „lange gebraucht, um überhaupt eine Regierung zu bilden“, und als sie endlich zustande gekommen war, „da gab es Streit und viel Beschäftigung mit uns selbst“.

Deswegen habe sie „Ende Oktober einen Neubeginn eingeleitet“. Und das war es auch schon mit der Selbstkritik. Der Rest war Business as usual. Die „Herausforderungen unserer Zeit“ wären nur zu meistern, „wenn wir zusammenhalten und mit anderen über Grenzen hinweg zusammenarbeiten“.

Die Formel „über Grenzen hinweg“ hörte sich wie „weg mit den Grenzen“ an und war nicht zufällig gewählt. An dieser Stelle wurde die Ansprache der Kanzlerin mit Bildern unterlegt, die „unser Astronaut Alexander Gerst“ aus der Internationalen Raumstation zur Erde geschickt hat, „Bilder von der überwältigenden Schönheit unserer Erde“. Von da war es nur ein kurzer Schritt zu der „Schicksalsfrage des Klimawandels“ und anderen globalen Herausforderungen.

Es war nicht die schlechteste Rede, die Merkel je gehalten hat, immerhin hat sie den Bürgerinnen und Bürgern nicht geraten, öfter spazieren zu gehen oder Blockflöte zu spielen. Zweimal noch wird sie sich an das Volk wenden, bevor sie und Alexander Gerst die Plätze tauschen.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Gottfried Meier / 06.01.2019

Ach was wollt ihr immer von dieser Merkel. In 50 Jahren wird keine S… mehr über sie reden.

Klaus Klinner / 06.01.2019

Diese Kanzlerin kann sich doch nur deshalb halten, weil sie peinlich darauf achtet, dass ihr Hofstaat hinter ihrer intellektuellen Leistungsfähigkeit zurückbleibt. Folge es ein aktuelles Kabinett, welches in unserer Nachkriegsgeschichte an Niveaulosigkeit kein Pendant findet. Und dies soll nun noch eine Weile so weitergehen? Da hilft es auch nicht mehr, wenn sie sie nach Ende der Legislatur auf den Mond schießen wollen.

Torsten-Egbert Czarnetzki / 06.01.2019

Ich kam in den “Genuss” der WDR Radiobeiträge des geschätzten Herrn Gerts. Ich war mir bis dahin nicht bewusst, das Linientreue auch über Stratosphäre hinausgeht.

Hubert Bauer / 06.01.2019

@ Uta-Marie Assmann: Ich habe geschrieben, dass ich der Meinung bin, dass man ein Staatsoberhaupt grundsätzlich (!) nicht kritisiert. Grundsätzlich heißt, dass es Ausnahmen gibt. Eine Ausnahme habe ich ja selber geschrieben; nämlich, wenn sich das Staatsoberhaupt nicht neutral und überparteilich verhält. Damit sind natürlich alle Staatsoberhäupter ausgenommen, die zugleich Regierungschefs sind, weil die naturgemäß nicht neutral und überparteilich sein können. Aber bei einem Staatsoberhaupt, das nicht zugleich Regierungsmitglied ist, nur repräsentative Aufgaben hat und dies neutral und überparteilich macht, bleibe ich bei meiner Meinung.  Ich denke nicht, dass dies einen Menschen zum Untertanen macht.

Peter Michel / 06.01.2019

Gehört jetzt vielleicht nicht zum Kommentar, aber gibt es das „A“ der Achse (auch für „Andersdenkende“ auch als Aufkleber?

Robert Jankowski / 06.01.2019

Entschuldigen Sie, aber “Bilder von bewegender Schönheit” und Angela Merkel bekomme ich nicht zusammengebracht. Das ist zuviel verlangt, Herr Broder!

Wolfgang Kaufmann / 06.01.2019

Das Schlimme ist nicht die Kommandantin. Das Schlimme ist ihr Bodenpersonal: die schlichten Gemüter, die es sich unter dem Schutzschirm der Volksparteien bequem gemacht haben. – Nun gut, Democrazia Cristiana und Parti Socialiste haben schon vorgeführt, wie man sich selbst ins Nirwana schießt. Und auch bei uns läuft der Countdown bereits.

Beate Fischer / 06.01.2019

Vor einigen Monaten suchten Wissenschaftler Menschen,die mal zum Mars fliegen wollen. Damals habe ich Frau Merkel vorgeschlagen. Ob sie wohl jetzt zusagen wird? Nichts ist unmöglich…

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