Es ist schon gut möglich, dass (auch) Gabriel letztendlich der Mut verlassen hat. Das ist durchaus menschlich. Doch gerade von ihm hatte ich es am wenigsten erwartet, war er doch noch vor wenigen Tagen so forsch aufgetreten war. Der Leipziger Volkszeitung ließ er unmissverständlich wissen: “... die Afd ist zu feige, um sich mit den wirklich Mächtigen anzulegen”. Diesmal - im Bundestag - ging es vermutlich nicht um die Mächtigen, sondern um die wirklich Ohnmächtigen. Deshalb kann man ist in diesem Zusammenhang auch nicht zutreffend von Feigheit sprechen. Aber wovon sonst?
Sicher wird das Wegstehlen am Abstimmungstag, anders kann ich es nicht bezeichnen, von unserer politischen Führung bei nächster Gelegenheit mit politischer Weitsicht begründet: “Es war ja nicht die Gesamtheit des deutschen Volkes, die der Resolution zugestimmt hat. Es waren ja nur die Vertreter des deutschen Volkes aus den hinteren Reihen, die wir als Führung unmöglich in ihrer Gesamtheit auf Linie halten können. Erdogan bleib uns wohlgesonnen, sprich weiter mit uns! Steh uns bei Wir brauchen Dich!”
Bei dieser Resolution habe ich das Gefühl, dass deren Hauptzweck eh ein innenpolitischer ist, nämlich dem deutschen Volk ein schlechtes Gewissen einzureden, weil die Deutschen bereits an diesem Völkermord indirekt beteiligt waren und Schuld auf sich geladen haben. Zitat aus der Resolution: “... Der Bundestag bedauert die unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches, das als militärischer Hauptverbündeter des Osmanischen Reichs trotz eindeutiger Informationen auch von Seiten deutscher Diplomaten und Missionare über die organisierte Vertreibung und Vernichtung der Armenier nicht versucht hat, diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu stoppen. ...”
Hat der Deutsche Bundestag, Parlament eines (Nachfolge-) Staates, der Millionen Menschen vergast hat, nichts anderes zu beschließen als daß die Ermordung von 1,5 Mio Armeniern vor 100 Jahren, der das damalige Deutsche Reich als Alliierter des Osmanischen Reiches schweigend zugesehen hat, ein “Völkermord” war? Das ist auch ohne Bundestagsdispute seit Jahrzehnten bekannt und bedarf nicht der Feststellung durch das Parlament. Gibt es demnächst ähnliche Beschlüsse auch zu Kambodscha und Ruanda? Statt über deutsche Interessen endlich etwas Vernünftiges zu beschließen, halten die Nachfahren deutscher Gaswerker der Türkei und der Welt lieber moralische Vorträge darüber, daß ein Mord ein Mord und jeder Mord ein Böses und unerträglich ist. Das ist seit heute nun amtlich. Ausgerechnet die Deutschen geben da den großen Moralisten? Das ist ja zum Lachen, wenn es nicht so peinlich wäre. Zu Merkels Völkerwanderungspolitik, die das ganze Land hunderte Milliarden teuer zu stehen kommt, finden dagegen Debatten und Beschlüsse des Parlaments seit langem nicht mehr statt oder nur in einem Zeitrahmen, der den der Armenien-Resolution bei weitem unterbietet.
Mir schwant ebenfalls, dass die o. g. und politische korrekte “Wir schaffen das “-Elite” in die Prinzipien der Willem-Zwo-Außenpolitik zurück fällt. Ich bin mir noch nicht sicher, ob das mit Vorsatz erfolgt oder wegen intellektueller Überforderung. Eine brandgefährliche Entwicklung ist das jedenfalls.
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