Susanne Baumstark / 30.06.2019 / 10:30 / Foto: Jan Popłoński / 9 / Seite ausdrucken

Mentale Emanzipation

„Es gibt so große leere Worte, dass man darin ganze Völker gefangen halten kann.“ Zu dem Zitat des Lyrikers Stanislaw Jerzy Lec (1909-1966) im damals stalinistisch geprägten Polen schreibt Tangsworld: „Der Versuch, das Denken der Bevölkerung mit großen Reden und Worthülsen kontrollieren zu wollen, dürfte uns auch heute nicht fremd sein.“ Unübersehbar ist das der Fall. Das Drama hier und heute besteht in der Bereitschaft breiter Bevölkerungsschichten, dieses nicht hilfreiche Agieren hoch dotierter staatlicher Posteninhaber einfach hinzunehmen.

Ein Freifahrtschein für die Operationsebene der Heteronomie (Fremdbestimmtheit). Hier steht dazu erläuternd: „Das Vorhandensein der Regel und ihr moralischer Wert werden nicht hinterfragt, sondern hingenommen … Das erklärt, warum viele Menschen und Gesellschaften aufgrund bestimmter Regeln sogar gegen ihre eigenen Interessen handeln können.“ 

Die Heranbildung von ureigenen Gewissensentscheidungen, der Autonomie, wird durch erdrückende, täglich eingehämmerte fragwürdige Moralvorgaben der Deutungselite untergraben. Aus pädagogischer Sicht heißt es dort: „Das anhaltende Nicht-Entscheiden-Dürfen bedeutet, dass Autonomie schlicht nicht geübt werden kann. Hinzu kommt, dass selbständig getroffene Entscheidungen von den Erziehenden häufig entweder nicht beachtet oder als mangelhaft beurteilt werden.“

Um also Autonomie schmackhaft zu machen, bedürfe es positiver Folgen für entsprechend handelnde Personen. Unglückseligerweise ist es gerade, wie in vormodernen Gesellschaften, ein markantes Symptom der Zeit, jene zu belohnen, die sich der Deutungselite gehorsam unterordnen und mit gesellschaftlicher Ächtung zu bestrafen, wer autonome Regungen zeigt. 

Der Wesenskern der Menschenrechtserklärung ist komplett gegenläufig. Hier wird vor allem die verantwortungsbewusste individuelle Entfaltung wertgeschätzt. Eine Bewegung, die ganz konkret und nicht ausufernd auf mentale Emanzipation setzt, ist längst überfällig. Auch hierzu gibt Lec den Ansporn: „Merkt es euch, der Preis, den man für die Freiheit zahlen muss, sinkt, wenn die Nachfrage steigt.“ Dort ist ein kurzes Video zum Autor zu sehen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Luftwurzel

Foto: Jan Popłoński via Wikimedia Commons

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Dr. Gerhard Giesemann / 30.06.2019

Also wäre der Job: Wie erhöhe ich die Nachfrage nach Freiheit? Problem: Freiheit ist anstrengend, verlangt wenigstens ein bisschen Holschuld zur Erlangung von Information und Wissen - das geht alles ohne viel Mut, nur: Es ist eben unbequem. Bequem ist Konformismus, selbst wenn er sonst nichts einbringt. Das Geheimnis aller Relis, sag’ ja und Amen, scher’ dich um nichts, schwimm mit im Strom der toten Fische. Wer das nicht will, der kann auch sagen: Laissez aller, laissez faire - mir doch egal. Ich bin so langsam so weit. Allerdings: Das Hereinlassen von Islam als Ideologie, die alles konterkariert, was uns ausmacht, Scharia, Kinderehen, Frauenrechte, demographische Eroberung, Raub etc ist schlichtweg Landesverrat und somit strafbar. Hier ist die Staatsanwaltschaft aufgerufen - die jedoch untätig bleibt. In Angola ist Islam verboten, dort ist Ruhe mit denen. Im Nachbarland Nigeria hingegen ist der Scheitan los. Wie es im Koran steht.

Karla Kuhn / 30.06.2019

„Der Versuch, das Denken der Bevölkerung mit großen Reden und Worthülsen kontrollieren zu wollen, dürfte uns auch heute nicht fremd sein.“  Sehr interessanter Artikel, nur diejenigen, die ihn lesen MÜSSTEN, lesen ihn wahrscheinlich nicht. Bei der Annalena würde es mich nicht wundern, bei ihrer Intelligenz ??  Wenigstens wissen jetzt die “Untertanen” daß Frau Merkel “Klimakrank”  ist.  Sollte die Krankenkasse als neue Diagnose anerkennen, würde bestimmt einigen, die nicht so gerne arbeiten wollen (siehe FUNDSTÜCK heute)  sehr entgegenkommen.

Werner Arning / 30.06.2019

Mentale Emanzipation kann frei aber auch einsam machen. Einsamkeit kann mitunter der Preis sein, den die Emanzipation verlangt. Wer aus der Reihe tanzt, tanzt möglicherweise allein, während die Anderen, untergehakt, ihren Ringelrein fortsetzen. Bevor man es wagt, eigenständig zu denken, sollte man zumindest kurz darüber nachdenken, ob man auch freihändig tanzen kann und dabei trotzdem nicht aus seinem Rythmus kommt. Individuelle Entfaltung wird heuer nicht geschätzt. Gleichklang ist angezeigt. Die Denkweise kann man per Post liefern lassen, bezahlt ist sie schon (GEZ etc.), man muss sie sich nur noch überstülpen. Damit kann man sich unter die Leute wagen und sollte sich vorsorglich nie mehr ausziehen. Auch nachts nicht. Damit sich keine verwirrenden Träume einstellen. Autonomie ist gefährlich, schädlich und vor allem so wenig nachhaltig. Und kommen mal Zweifel, gehen wir in die Kirche zur Beichte. Der Beichtonkel erzählt dann alles seiner grünen Schwester und gemeinsam führt man uns dann zurück auf den Weg des glückselig machenden Nichtdenkens.

Frank Holdergrün / 30.06.2019

Treffende Zitate, vielen Dank! Kein Wort ist leer, sie leeren es, die Schuldkultjünger und Läuterungsapostel. Infantile Grünlinge, die der Kanzlerin sogar eine Klimakrankheit andichten. Kinder an der Macht!

Andrea Stehle / 30.06.2019

Ich habe mir gestern die Vorträge auf dem Kongress zur Meinungsfreiheit, veranstaltet von der Desiderius Erasmus Stiftung (Vorsicht: AFD-nah), angesehen. Vor allem die Beiträge von Herrn Bolz und Herrn Weißbach fand ich höchst bemerkenswert. Einfach mal googeln.

Dirk Jungnickel / 30.06.2019

Die Zahl der Politiker und unintellegenten Intellektuellen, denen ich Ihren Beitrag über das Bett hängen möchte, ist LEGION. Danke dafür.

Rainer Niersberger / 30.06.2019

Übrigens : Das dürfte gesellschaftlich die gleiche „Emanzipation“ sein, wie man(n) sie bei etwas genauerem Hinsehen beim weiblichen Geschlecht ( von Ausnahmen zu allen Zeiten abgesehen ) beobachten kann. Eine „Emanzipation“ durch Regeln, Quoten, staatliche Regulierung, Diskriminierung „anderer“( besserer ?), Verteilungen usw., natürlich nicht durch ( Selbst)Stärkung der Ich- Identität oder realem/ fundierten Selbstbewusstsein z.B. durch Leistung und einer echten auch inneren Unabhöngigkeit. Die wäre aber für die angeblichen Interessenvertreter genausowenig hilfreich wie Privateigentum für die Neosozialisten.

Ilona G. Grimm / 30.06.2019

Kluge Gedanken! Aber wen interessieren sie? Versteht ja heute kaum noch jemand. Denn man schätzt erst dann etwas wirklich, wenn man es verloren hat.

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