Die „Meldestelle Antifeminismus“, beauftragt von Familienministerin Lisa Paus, demonstriert sehr gut, wohin „toxische Weiblichkeit“ führen kann: zur anonymen Denunziation freier Meinungsäußerung.
„Toxische Männlichkeit“ ist eine heutzutage vielbemühte Formulierung, um Männer und Männlichkeit zu diskreditieren. Der berühmte kanadische Psychiater Jordan B. Peterson hat im Gegenzug schon öfters das geflügelte Wort der toxischen Weiblichkeit benutzt, wie zum Beispiel hier: „Männer sind im Durchschnitt aggressiver als Frauen. Oder besser gesagt: Körperlich aggressiver (…) Frauen und Mädchen hingegen sind aggressiver als Männer, wenn man Aggression anders misst. Sie benutzen Rufschädigung als Mittel. Werfen wir also einen Blick auf die sozialen Medien. Physische Aggression kann man nicht in die sozialen Medien übersetzen. Rufmord hingegen eignet sich hierfür unglaublich gut. Vielleicht sollten wir uns also bei dieser Gelegenheit mal über toxische Weiblichkeit unterhalten.“
Und tatsächlich ist Gewalt in den meisten Köpfen männlich besetzt, da man hier fast immer an körperliche Angriffe denkt. Doch Petersons Unterscheidung in emotionale und physische Gewalt scheint auf eine verlorene Dimension in der Gewaltdebatte hinzuweisen: Dass jedes Geschlecht seine typische Form der Gewalt ausübt und in diesem Bereich jeweils stärker vertreten ist als das andere. Es herrscht sozusagen eine natürliche Gleichstellung in puncto Gewaltausübung.
„Mobilisierung gegen die 'Gender-Ideologie'“
Vor diesem Hintergrund muss die neue „Online-Meldestelle Antifeminismus“ der Amadeu-Antonio-Stiftung als Gewaltinstrument toxischer Weiblichkeit gelten: Im Auftrag der Familienministerin Lisa Paus (siehe Foto) und von Steuergeldern finanziert (2022 bekam die Stiftung insgesamt über zwei Millionen Euro vom Familienministerium, davon 133.000 Euro für die Meldestelle), will diese gegen „sexistisch und frauenfeindlich motivierte Übergriffe“ vorgehen. Was genau ist damit gemeint?
Als Beispiele auf der Website werden genannt: „Organisierte Angriffe auf Frauen, queere Menschen und Einrichtungen“, „Attacken gegen trans Personen bis hin zu tödlichen körperlichen Angriffen“, „Mitarbeitende einer Organisation, die zu feministischen Themen arbeitet (sic!), werden auf dem Arbeitsweg bedroht“, „Sticker/Flyer mit antifeministischen Inhalten zirkulieren, z.B. Mobilisierung gegen die 'Gender-Ideologie' u.ä.“ oder „Eine Demonstration/Kundgebung/Veranstaltung mit antifeministischen Inhalten oder bekannten Antifeminist*innen findet statt“.
Dieses illustre Sammelsurium der von der Amadeu-Antonio-Stiftung als Handlungsfeld definierten „Übergriffe“ offenbart bereits die ganze Problematik dieser „Meldestelle“: Strafrechtlich relevante Tatbestände („tödliche körperliche Angriffe“) werden mit der Wahrnehmung von Grundrechten wie der freien Meinungsäußerung und dem Versammlungsrecht („Sticker/Flyer und Demonstrationen mit antifeministischen Inhalten“) vermengt. Warum braucht es einerseits in strafrechtlich relevanten Fällen wie bei Körperverletzung oder Mord und Totschlag eine solche Meldestelle? Will die Amadeu-Antonio-Stiftung damit suggerieren, dass in solchen Zusammenhängen der Rechtsstaat seinen Aufgaben nicht nachkommt?
Und warum sollen andererseits legale Handlungen kriminalisiert werden? Auch hier scheint die Stiftung deutlich zu machen, geltendes Recht für unzureichend zu halten. Nach dieser Logik müsste etwa die Mehrzahl der Deutschen denunziert werden, da sie gegen die Verwendung von Gendersprache ist. Damit hätten wir es außerdem mit einer Abkehr von jeglicher demokratischer Legitimation zu tun. Vor dem Hintergrund, dass Derartiges im Auftrag des Familienministeriums geschieht, erscheint dies noch unglaublicher.
Erst das Urteil und dann die Verhandlung
Weiterhin heißt es in der Beschreibung des Projektes: „Antifeminismus ist kein Straftatbestand. Wir erfassen Fälle, unabhängig davon, ob sie angezeigt wurden und unabhängig davon, ob sie einen Straftatbestand erfüllen oder unter der sogenannten Strafbarkeitsgrenze liegen. Relevant ist die antifeministische Dimension. Im Mittelpunkt stehen die Erfahrungen der Betroffenen.“
Dies ist eine weitere Zementierung der bereits oben beschriebenen Abwendung vom geltenden Gesetz. Die Argumentationslinie erinnert unter anderem an Innenministerin Nancy Faeser, die in Bezug auf „Antiziganismus“ („Zigeunerfeindlichkeit“) äußerte: „Wir müssen alles daransetzen, diese Straftaten ebenso wie auch Angriffe unterhalb der Strafbarkeitsgrenze zu verhindern.“
In diese Logik passt außerdem ein soeben unter Faeser beschlossenes Gesetz zur Beschleunigung von Disziplinarverfahren bei „auffälligen“ Bundesbeamten, die sich „offen gegen die Verfassung stellen“. Zum Beispiel durch eine AfD-Mitgliedschaft, wie das ZDF berichtet: „Durch eine Änderung des Gesetzes soll zuerst die Aufsichtsbehörde die Disziplinarmaßnahmen selbst verfügen können. Wer sich ungerecht behandelt fühlt, kann im Nachhinein vor dem Verwaltungsgericht klagen.“
Bis dato musste eine Aufsichtsbehörde innerhalb eines „meistens längeren Verfahrens (…) eine Klage vor dem Verwaltungsgericht einreichen, um das Gehalt zurückzustufen und jemanden ganz aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen“. Bald ist es umgekehrt.
Auch hier scheinen wir es mit toxischer Weiblichkeit zu tun zu haben. Dazu fällt mir eine Szene aus dem Disney-Zeichentrickfilm „Alice im Wunderland“ ein. In dieser herrlich skurrilen Geschichte ist die tyrannische Herzkönigin auch der Meinung, dass bei einem Gerichtsprozess erst das Urteil und dann die Verhandlung kommt. Was in besagtem Zeichentrickfilm aus dem Jahre 1951 noch ein eindeutig groteskes Element einer Nonsens-Geschichte war, ist 2023 in Deutschland Realität. Trotz allem wäre mir Lewis Carrolls Wunderland definitiv lieber.
„Bedrohen, denunzieren und zersetzen“
Vor einem solchen anti-aufklärerischen Hintergrund werden die vielbemühten „westlichen Werte“ immer mehr zur Farce. In diesen Reigen passt die „antifeministische Meldestelle“ perfekt. In anderen Medien haben meine Kollegen bereits viele weitere Bedenklichkeiten dieser Denunzianten-Plattform dargelegt: Die NZZ spricht vom „feministischen Schutzwall“ und vom „Gegenteil einer liberalen Gesellschaft“ und weist darauf hin, dass die ehemalige Stiftungs-Vorsitzende Anetta Kahane „von 1974 bis 1982 inoffizielle Mitarbeiterin der Staatssicherheit war“. (Achgut berichtete hier und hier.)
Achgut-Herausgeber Henryk M. Broder schreibt in der WELT von „Bedrohen, denunzieren und zersetzen“ und Achgut-Autorin Cora Stephan klagt sich bei Tichy gleich selber an: „Melde hiermit: Ich bin zutiefst antifeministisch eingestellt, seit Jahrzehnten, aus Erfahrung. Nehmen Sie die Verfolgung auf. Es lohnt sich. Man kann immer dazulernen.“
Was ist nun aber der tiefere Sinn und Zweck der „Meldestelle Antifeminismus“? Bei der WELT heißt es: „'Wir sind überrannt worden – es ist erschreckend zu sehen, wie viele Fälle schon reingekommen sind', beschreibt Judith Rahner, Initiatorin der Meldestelle bei der Antonio-Stiftung, die ersten Wochen seit Inbetriebnahme.“
Ziel sei ein „ausführliches Berichtswesen über das Ausmaß und die verschiedenen Dimensionen antifeministischer Übergriffe, Beleidigungen, Stimmungen“. Die anfallenden Daten würden „nach Eingang kategorisiert, etwa nach Anlass und Art eines Vorfalls (...) Konkrete Informationen über Täter würden weder erhoben noch seien sie von Bedeutung für die Meldestelle. Vielmehr solle das dort gesammelte Wissen über Erscheinungsformen von Antifeminismus Grundlage zur Schulung von Justiz- und Strafverfolgungsbehörden werden“.
Das Familienministerium betont, dass keine Namen der angeschwärzten Personen veröffentlicht würden – „sofern es sich nicht um Personen öffentlichen Interesses handelt“. In solchen Fällen sei eine Chronik mit „Namen von Prominenten, bekannten Journalisten und Medien oder Vereinen“ geplant, vermeldet der Tagesspiegel. Wie beruhigend.
Apropos Anschwärzen: Der Meldebutton auf der Seite der Amadeu-Antonio-Stiftung funktioniert augenblicklich nicht. Kommt der Aufruf zum Denunzieren etwa weniger gut an als gedacht?
Hinweis: In einer früheren Version des Beitrags konnte der Eindruck entstehen, dass die Amadeu-Antonio-Stiftung im Jahr 2022 vom Bundesministerium insgesamt nur 133.000 Euro erhalten hätte. Tatsächlich waren es jedoch über 2 Million, darunter 133.000 Euro nur für die „Meldestelle Antifeminismus“. Dies wurde präszisiert.
Ulrike Stockmann, geb. 1991, ist Redakteurin der Achse des Guten. Mehr von ihr finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.
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Die Akte Anetta Kahane (1)
Die Akte Anetta Kahane (2)