Ulrike Stockmann / 22.02.2023 / 14:00 / Foto: Rafael P. D. Suppmann / 51 / Seite ausdrucken

„Meldestelle Antifeminismus“: Toxische Weiblichkeit

Die „Meldestelle Antifeminismus“, beauftragt von Familienministerin Lisa Paus, demonstriert sehr gut, wohin „toxische Weiblichkeit“ führen kann: zur anonymen Denunziation freier Meinungsäußerung.

„Toxische Männlichkeit“ ist eine heutzutage vielbemühte Formulierung, um Männer und Männlichkeit zu diskreditieren. Der berühmte kanadische Psychiater Jordan B. Peterson hat im Gegenzug schon öfters das geflügelte Wort der toxischen Weiblichkeit benutzt, wie zum Beispiel hier: Männer sind im Durchschnitt aggressiver als Frauen. Oder besser gesagt: Körperlich aggressiver (…) Frauen und Mädchen hingegen sind aggressiver als Männer, wenn man Aggression anders misst. Sie benutzen Rufschädigung als Mittel. Werfen wir also einen Blick auf die sozialen Medien. Physische Aggression kann man nicht in die sozialen Medien übersetzen. Rufmord hingegen eignet sich hierfür unglaublich gut. Vielleicht sollten wir uns also bei dieser Gelegenheit mal über toxische Weiblichkeit unterhalten.“

Und tatsächlich ist Gewalt in den meisten Köpfen männlich besetzt, da man hier fast immer an körperliche Angriffe denkt. Doch Petersons Unterscheidung in emotionale und physische Gewalt scheint auf eine verlorene Dimension in der Gewaltdebatte hinzuweisen: Dass jedes Geschlecht seine typische Form der Gewalt ausübt und in diesem Bereich jeweils stärker vertreten ist als das andere. Es herrscht sozusagen eine natürliche Gleichstellung in puncto Gewaltausübung.

„Mobilisierung gegen die 'Gender-Ideologie'“

Vor diesem Hintergrund muss die neue „Online-Meldestelle Antifeminismus“ der Amadeu-Antonio-Stiftung als Gewaltinstrument toxischer Weiblichkeit gelten: Im Auftrag der Familienministerin Lisa Paus (siehe Foto) und von Steuergeldern finanziert (2022 bekam die Stiftung insgesamt über zwei Millionen Euro vom Familienministerium, davon 133.000 Euro für die Meldestelle), will diese gegen „sexistisch und frauenfeindlich motivierte Übergriffe“ vorgehen. Was genau ist damit gemeint?

Als Beispiele auf der Website werden genannt: „Organisierte Angriffe auf Frauen, queere Menschen und Einrichtungen“, „Attacken gegen trans Personen bis hin zu tödlichen körperlichen Angriffen“, „Mitarbeitende einer Organisation, die zu feministischen Themen arbeitet (sic!), werden auf dem Arbeitsweg bedroht“, „Sticker/Flyer mit antifeministischen Inhalten zirkulieren, z.B. Mobilisierung gegen die 'Gender-Ideologie' u.ä.“ oder „Eine Demonstration/Kundgebung/Veranstaltung mit antifeministischen Inhalten oder bekannten Antifeminist*innen findet statt“.

Dieses illustre Sammelsurium der von der Amadeu-Antonio-Stiftung als Handlungsfeld definierten „Übergriffe“ offenbart bereits die ganze Problematik dieser „Meldestelle“: Strafrechtlich relevante Tatbestände („tödliche körperliche Angriffe“) werden mit der Wahrnehmung von Grundrechten wie der freien Meinungsäußerung und dem Versammlungsrecht („Sticker/Flyer und Demonstrationen mit antifeministischen Inhalten“) vermengt. Warum braucht es einerseits in strafrechtlich relevanten Fällen wie bei Körperverletzung oder Mord und Totschlag eine solche Meldestelle? Will die Amadeu-Antonio-Stiftung damit suggerieren, dass in solchen Zusammenhängen der Rechtsstaat seinen Aufgaben nicht nachkommt?

Und warum sollen andererseits legale Handlungen kriminalisiert werden? Auch hier scheint die Stiftung deutlich zu machen, geltendes Recht für unzureichend zu halten. Nach dieser Logik müsste etwa die Mehrzahl der Deutschen denunziert werden, da sie gegen die Verwendung von Gendersprache ist. Damit hätten wir es außerdem mit einer Abkehr von jeglicher demokratischer Legitimation zu tun. Vor dem Hintergrund, dass Derartiges im Auftrag des Familienministeriums geschieht, erscheint dies noch unglaublicher.

Erst das Urteil und dann die Verhandlung

Weiterhin heißt es in der Beschreibung des Projektes: „Antifeminismus ist kein Straftatbestand. Wir erfassen Fälle, unabhängig davon, ob sie angezeigt wurden und unabhängig davon, ob sie einen Straftatbestand erfüllen oder unter der sogenannten Strafbarkeitsgrenze liegen. Relevant ist die antifeministische Dimension. Im Mittelpunkt stehen die Erfahrungen der Betroffenen.“

Dies ist eine weitere Zementierung der bereits oben beschriebenen Abwendung vom geltenden Gesetz. Die Argumentationslinie erinnert unter anderem an Innenministerin Nancy Faeser, die in Bezug auf „Antiziganismus“ („Zigeunerfeindlichkeit“) äußerte: „Wir müssen alles daransetzen, diese Straftaten ebenso wie auch Angriffe unterhalb der Strafbarkeitsgrenze zu verhindern.“

In diese Logik passt außerdem ein soeben unter Faeser beschlossenes Gesetz zur Beschleunigung von Disziplinarverfahren bei „auffälligen“ Bundesbeamten, die sich „offen gegen die Verfassung stellen“. Zum Beispiel durch eine AfD-Mitgliedschaft, wie das ZDF berichtet: „Durch eine Änderung des Gesetzes soll zuerst die Aufsichtsbehörde die Disziplinarmaßnahmen selbst verfügen können. Wer sich ungerecht behandelt fühlt, kann im Nachhinein vor dem Verwaltungsgericht klagen.“

Bis dato musste eine Aufsichtsbehörde innerhalb eines „meistens längeren Verfahrens (…) eine Klage vor dem Verwaltungsgericht einreichen, um das Gehalt zurückzustufen und jemanden ganz aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen“. Bald ist es umgekehrt.

Auch hier scheinen wir es mit toxischer Weiblichkeit zu tun zu haben. Dazu fällt mir eine Szene aus dem Disney-Zeichentrickfilm „Alice im Wunderland“ ein. In dieser herrlich skurrilen Geschichte ist die tyrannische Herzkönigin auch der Meinung, dass bei einem Gerichtsprozess erst das Urteil und dann die Verhandlung kommt. Was in besagtem Zeichentrickfilm aus dem Jahre 1951 noch ein eindeutig groteskes Element einer Nonsens-Geschichte war, ist 2023 in Deutschland Realität. Trotz allem wäre mir Lewis Carrolls Wunderland definitiv lieber.

„Bedrohen, denunzieren und zersetzen“

Vor einem solchen anti-aufklärerischen Hintergrund werden die vielbemühten „westlichen Werte“ immer mehr zur Farce. In diesen Reigen passt die „antifeministische Meldestelle“ perfekt. In anderen Medien haben meine Kollegen bereits viele weitere Bedenklichkeiten dieser Denunzianten-Plattform dargelegt: Die NZZ spricht vom „feministischen Schutzwall“ und vom „Gegenteil einer liberalen Gesellschaft“ und weist darauf hin, dass die ehemalige Stiftungs-Vorsitzende Anetta Kahane „von 1974 bis 1982 inoffizielle Mitarbeiterin der Staatssicherheit war“. (Achgut berichtete hier und hier.)

Achgut-Herausgeber Henryk M. Broder schreibt in der WELT von „Bedrohen, denunzieren und zersetzen“ und Achgut-Autorin Cora Stephan klagt sich bei Tichy gleich selber an: Melde hiermit: Ich bin zutiefst antifeministisch eingestellt, seit Jahrzehnten, aus Erfahrung. Nehmen Sie die Verfolgung auf. Es lohnt sich. Man kann immer dazulernen.“

Was ist nun aber der tiefere Sinn und Zweck der „Meldestelle Antifeminismus“? Bei der WELT heißt es: „'Wir sind überrannt worden – es ist erschreckend zu sehen, wie viele Fälle schon reingekommen sind', beschreibt Judith Rahner, Initiatorin der Meldestelle bei der Antonio-Stiftung, die ersten Wochen seit Inbetriebnahme.“

Ziel sei ein „ausführliches Berichtswesen über das Ausmaß und die verschiedenen Dimensionen antifeministischer Übergriffe, Beleidigungen, Stimmungen“. Die anfallenden Daten würden „nach Eingang kategorisiert, etwa nach Anlass und Art eines Vorfalls (...) Konkrete Informationen über Täter würden weder erhoben noch seien sie von Bedeutung für die Meldestelle. Vielmehr solle das dort gesammelte Wissen über Erscheinungsformen von Antifeminismus Grundlage zur Schulung von Justiz- und Strafverfolgungsbehörden werden“.

Das Familienministerium betont, dass keine Namen der angeschwärzten Personen veröffentlicht würden – „sofern es sich nicht um Personen öffentlichen Interesses handelt“. In solchen Fällen sei eine Chronik mit „Namen von Prominenten, bekannten Journalisten und Medien oder Vereinen“ geplant, vermeldet der Tagesspiegel. Wie beruhigend.

Apropos Anschwärzen: Der Meldebutton auf der Seite der Amadeu-Antonio-Stiftung funktioniert augenblicklich nicht. Kommt der Aufruf zum Denunzieren etwa weniger gut an als gedacht?

Hinweis: In einer früheren Version des Beitrags konnte der Eindruck entstehen, dass die Amadeu-Antonio-Stiftung im Jahr 2022 vom Bundesministerium insgesamt nur 133.000 Euro erhalten hätte. Tatsächlich waren es jedoch über 2 Million, darunter 133.000 Euro nur für die „Meldestelle Antifeminismus“. Dies wurde präszisiert.

 

Ulrike Stockmann, geb. 1991, ist Redakteurin der Achse des Guten. Mehr von ihr finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.

 

Lesen Sie zum Thema auch:

Die Akte Anetta Kahane (1)

Die Akte Anetta Kahane (2)

Foto: Rafael P. D. Suppmann CC BY 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Volker Altenähr / 22.02.2023

Was Frau Kahane angeht : Denunziant bleibt Denunziant, gelernt ist gelernt und zwar gründlich

B.Kröger / 22.02.2023

Warum melden sich eigentlich mehrheitlich nur Männer bei diesem Thema zu Wort? Niemand hilft der Sache der Frau durch Denunziationsportale. Viele Probleme, die Frauen haben, müssen Frauen durch Können und Courage lösen.

ricardo sanchis / 22.02.2023

Die totalitäre Ideologie der Grünen breitet sich wie eine Krake immer mehr aus. Viel zu viele knicken ein weil sie Angst vor Rufschädigung und Zerstörung der beruflichen und sozialen Existenz durch die neuen Faschisten Bundestag und ihre Handlanger haben. Spätestens seit Corona wissen wir dass die Deutschen aus ihrer Vergangenheit offensichtlich nichts gelernt haben. Es scheint die ewiger Wiederkehr des Gleichen nur unter anderem Etiketten zu sein dessen wir hier gerade Zeuge und bald wohl auch Opfer wir sein dürfen.

Curt Handmann / 22.02.2023

Na dann, sollen diese staatsknetegepamperten Blockwarte ihre “Meldungen” in Hülle und Fülle bekommen. Nichts einfacher als das! Huch, ich fühle mich gerade als Frau, na dann darf ich das schließlich auch!  :-)

Dietrich Herrmann / 22.02.2023

Toxische Weiblichkeit erzeugt die fotzile Ideologie.  Und die ist sehr verbreitet im Scholz-Regime.

Reinhard Schröter / 22.02.2023

Ich hab schon was gemeldet, nämlich das sich gestern im Supermarkt ein Bauarbeiter, sich gerade als Frau gefühlt hat und sich mit dem Hinweis, dass er/sie es gerade sehr eilig hat, sich an der Kasse vor gedrängt hat, worauf ich ihr/ihm mein Missfällt ausgedrückt habe. Vielleicht habe ich da auch was verwechselt, ob das nun Antifeminismzs war , weiß ich gar nicht. Und möglicherweise habe ich mich auch selbst angezeigt. Egal, ich wollte nach über 30 Jahren einer der ersten sein , die wieder igendwas bei irgendwem melden können. Es war ein großartiger Gefühl.

Markus tho Pesch / 22.02.2023

Direkt was gemeldet, die muss man zuschütten mit Unsinn: „ Ich bin betroffen. Meine Frau   möchte keine Gleichstellung. Sie möchte nicht arbeiten gehen und verweigert meine Mitarbeit bei der Hausarbeit. Außer bei schweren Handwerksleistungen Auch behindert sie meine Gesclechtstransformation. Ich darf ihre Röcke nich tragen. Das ist feministische Queerfeindlichkeit ausgeübt von einer Femininen. Hilfe!“

Katharina Fuchs / 22.02.2023

Das Vergewaltigen und Abstechen alter Frauen auf dem Friedhof gehört aber nicht zu den meldepflichtigen Vergehen, oder? Ich meine, daß wäre ja total rassistisch und islamophob. Wie war das mit der Uni, die Frauen aufforderte, bei einem bestimmten Sexualstraftäter im Falle eines Angriffs nicht die Polizei zu rufen, weil der Ärmste sonst Rassismus erfahren könnte? Ach, und wenn sich so ein Vergewaltiger eine Perücke aufsetzt, sich fortan Carlotta nennt und im Frauenknast die Mithäftling’innnen und außen vergewaltigt, dann darf der das auch, richtig?——Die Absurdität sprang mir zuletzt auf YouTube ins Auge. Dort sah ich den Trailer zu einem neuen Film, “Till”, der den Fall Emmett Till erzählt - das war ein 14jähriger Schwarzer in USA, der 1955 einer weißen Frau hinterherpfiff und dafür ermordet wurde. So ein Hinterherpfeifen nennt man im Englischen ‘wolf whistling’, und wie immer sammelte YouTube in der Seitenleiste andere Videos, die mit ähnlichen Schlagworten versehen waren. Und gleich neben den Bildern von “Till” waren ein Video mit ein paar linken Feministinnen zu sehen, die sich dafür einsetzten, daß ‘wolf whistling’ als hate crime geahndet wird. Derzeit ist es (in England) nur ein ‘hate incident’ und das ging den Damen nicht weit genug.—- Sieht so aus, als hätten die Rassisten 1955 bei Emmett Till alles richtig gemacht - zumindest in den Augen linksgerichteter Feministinnen.

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