An den deutschen Hochschulen und Universitäten rumort es. Wenn auch nur sehr leise. Es geht um die Debattenkultur, um die Diskursfähigkeit. Kein Problem, sofern es sich um reine Wissenschaft handelt. Es wird aber eines, wenn Politik und Ideologie in die Debatten hineinspielen. Wieso das? Denn die Wissenschaft hat von Ideologie frei zu sein, sie verträgt nun mal keine außerwissenschaftliche Einmischung. Dafür sorgten auch die Väter des deutschen Grundgesetzes mit Artikel 5.
Genau damit aber liegt es im Argen, glaubt die Berufsvertretung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland (Deutscher Hochschulverband, DHV). Ausdrücklich warnt der DHV vor Einschränkungen der Meinungsfreiheit an unseren Universitäten (Resolution über die Debattenkultur vom April 2019). Darin heißt es:
Im Streben nach Rücksichtnahme auf weniger privilegiert scheinende gesellschaftliche Gruppierungen fordern einige Akteure das strikte Einhalten von Political Correctness. Sie beanspruchen aber zugleich die Definitionshoheit darüber, was eine Grenzüberschreitung ist. So fühlen sich einige Studierende schon verletzt, wenn an einer Universität eine Professorin bzw. ein Professor oder eine öffentliche Person mit Thesen auftritt, die der eigenen (politischen) Auffassung zuwiderlaufen.
Parallel dazu, so der DHV weiter, wachse mit dem Erstarken politischer Ränder das Erregungspotenzial. Lautstarke Proteste, Boykott, Mobbing oder gar Gewalt sind die Instrumente, mit denen gegen „Abweichler“ vorgegangen wird.
Als Opfer regelrecht berühmt geworden sind die Professoren Jörg Baberowski, Historiker an der Berlin Humboldt-Uni, und Ulrich Kutschera, Evolutionsbiologe an der Essener Uni. An der Magdeburger Universität hatten Anfang des Jahres 2017 einen ähnlichen Fall gegeben. Der Autor war von der Hochschulgruppe der AfD zu einem Vortrag eingeladen worden. Zu seinem Vortrag „Wie tickt das weibliche Gehirn, wie das männliche?“ kam es nicht, linke Gruppen hatten die Veranstaltung boykottiert.
Zumeist aber bleibt es leise. Zum Beispiel dann, wenn politisch unbequeme Hochschullehrer, ohne sonderlich viel Aufsehen zu erregen, aus Vorlesungsreihen einfach aussortiert werden.
Vor diesem Hintergrund stellt der DHV fest:
Universitäten sind Stätten geistiger Auseinandersetzung. Die Suche nach Wahrheit und Erkenntnis lebt vom leidenschaftlichen, heftigen und kontroversen Ringen um Thesen, Fakten, Argumente und Beweise. An Universitäten müssen daher jede Studentin und jeder Student sowie jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse, Thesen und Ansichten ohne Angst zur Diskussion stellen können. Das Grundgesetz bindet die Freiheit der Lehre lediglich an die Treue zur Verfassung. Darüberhinausgehende Denk- oder Sprechverbote gibt es nicht. Wer die Welt der Universitäten betritt, muss akzeptieren, mit Vorstellungen konfrontiert zu werden, die den eigenen zuwiderlaufen. Zur Verkündung vermeintlich absoluter Wahrheiten taugen Universitäten nicht. Widersprechende Meinungen müssen respektiert und ausgehalten werden. Differenzen zu Andersdenkenden sind im argumentativen Streit auszutragen – nicht mit Boykott, Bashing, Mobbing oder gar Gewalt. Zugleich bedeutet dies auch: Unkonventionellen, unbequemen, unliebsamen Meinungen müssen Universitäten ein Forum bieten, solange es Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Thesen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sind. Damit ist unvereinbar, dass sich in letzter Zeit Ausladungen von Personen häufen, die vermeintlich unerträgliche Meinungen vertreten. Soweit es sich um den Versuch handelt, die Äußerung wissenschaftlicher Auffassungen zu unterbinden, ist das einer Universität nicht würdig.
Die Fragen nun: Was haben die Leitungen der Hochschulen zur Debattenkultur und zur Pflege der Diskursfähigkeit an ihren Einrichtungen zu sagen? Übt die Politik einen Einfluss aus? Wenn ja, in welcher Form? Welche Rolle spielen die Hochschulgruppen der einzelnen Parteien?