Gerald Wolf, Gastautor / 07.09.2019 / 16:00 / Foto: Thomas Bresson / 21 / Seite ausdrucken

Meinungsfreiheit: Es gärt an den Universitäten

An den deutschen Hochschulen und Universitäten rumort es. Wenn auch nur sehr leise. Es geht um die Debattenkultur, um die Diskursfähigkeit. Kein Problem, sofern es sich um reine Wissenschaft handelt. Es wird aber eines, wenn Politik und Ideologie in die Debatten hineinspielen. Wieso das? Denn die Wissenschaft hat von Ideologie frei zu sein, sie verträgt nun mal keine außerwissenschaftliche Einmischung. Dafür sorgten auch die Väter des deutschen Grundgesetzes mit Artikel 5.

Genau damit aber liegt es im Argen, glaubt die Berufsvertretung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland (Deutscher Hochschulverband, DHV). Ausdrücklich warnt der DHV vor Einschränkungen der Meinungsfreiheit an unseren Universitäten (Resolution über die Debattenkultur vom April 2019). Darin heißt es:

Im Streben nach Rücksichtnahme auf weniger privilegiert scheinende gesellschaftliche Gruppierungen fordern einige Akteure das strikte Einhalten von Political Correctness. Sie beanspruchen aber zugleich die Definitionshoheit darüber, was eine Grenzüberschreitung ist. So fühlen sich einige Studierende schon verletzt, wenn an einer Universität eine Professorin bzw. ein Professor oder eine öffentliche Person mit Thesen auftritt, die der eigenen (politischen) Auffassung zuwiderlaufen.

Parallel dazu, so der DHV weiter, wachse mit dem Erstarken politischer Ränder das Erregungspotenzial. Lautstarke Proteste, Boykott, Mobbing oder gar Gewalt sind die Instrumente, mit denen gegen „Abweichler“ vorgegangen wird.

Als Opfer regelrecht berühmt geworden sind die Professoren Jörg Baberowski, Historiker an der Berlin Humboldt-Uni, und Ulrich Kutschera, Evolutionsbiologe an der Essener Uni. An der Magdeburger Universität hatten Anfang des Jahres 2017 einen ähnlichen Fall gegeben. Der Autor war von der Hochschulgruppe der AfD zu einem Vortrag eingeladen worden. Zu seinem Vortrag „Wie tickt das weibliche Gehirn, wie das männliche?“ kam es nicht, linke Gruppen hatten die Veranstaltung boykottiert.

Zumeist aber bleibt es leise. Zum Beispiel dann, wenn politisch unbequeme Hochschullehrer, ohne sonderlich viel Aufsehen zu erregen, aus Vorlesungsreihen einfach aussortiert werden. 

Vor diesem Hintergrund stellt der DHV fest:

Universitäten sind Stätten geistiger Auseinandersetzung. Die Suche nach Wahrheit und Erkenntnis lebt vom leidenschaftlichen, heftigen und kontroversen Ringen um Thesen, Fakten, Argumente und Beweise. An Universitäten müssen daher jede Studentin und jeder Student sowie jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse, Thesen und Ansichten ohne Angst zur Diskussion stellen können. Das Grundgesetz bindet die Freiheit der Lehre lediglich an die Treue zur Verfassung. Darüberhinausgehende Denk- oder Sprechverbote gibt es nicht. Wer die Welt der Universitäten betritt, muss akzeptieren, mit Vorstellungen konfrontiert zu werden, die den eigenen zuwiderlaufen. Zur Verkündung vermeintlich absoluter Wahrheiten taugen Universitäten nicht. Widersprechende Meinungen müssen respektiert und ausgehalten werden. Differenzen zu Andersdenkenden sind im argumentativen Streit auszutragen – nicht mit Boykott, Bashing, Mobbing oder gar Gewalt. Zugleich bedeutet dies auch: Unkonventionellen, unbequemen, unliebsamen Meinungen müssen Universitäten ein Forum bieten, solange es Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Thesen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sind. Damit ist unvereinbar, dass sich in letzter Zeit Ausladungen von Personen häufen, die vermeintlich unerträgliche Meinungen vertreten. Soweit es sich um den Versuch handelt, die Äußerung wissenschaftlicher Auffassungen zu unterbinden, ist das einer Universität nicht würdig.

Die Fragen nun: Was haben die Leitungen der Hochschulen zur Debattenkultur und zur Pflege der Diskursfähigkeit an ihren Einrichtungen zu sagen? Übt die Politik einen Einfluss aus? Wenn ja, in welcher Form? Welche Rolle spielen die Hochschulgruppen der einzelnen Parteien?

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Konrad Wilhelm / 07.09.2019

Herr J.R.Huels, das haben Sie richtig getroffen.Im deutschen gibt es den sogenannten Gattungsbegriff ,z.B. Student, Arbeiter,Lehrer, Handwerker, Leser, Zuhörer usw. seitdem es die deutsche Sprache gibt.Gattung bedeutet männlich und weiblich.Also grammatisches bezw. biologisches Geschlecht : genus vs. sexusDie dummen pc Schwätzer haben seit den 68ern die Sprache verhunzt

Rolf Menzen / 07.09.2019

Es handelt sich bei den Krakeelern nur um eine kleine, aber lautstarke Minderheit unter den Studenten. Ich verstehe nicht, dass die große Masse der anderen Studenten sich das gefallen lässt.

J.R. Huels / 07.09.2019

In der Sache richtig, aber : Von "Studentinnen und Studenten" und "Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern" zu sprechen, statt einfach und richtig nur von "Studenten" und "Wissenschaftlern" (die ernstzunehmenden sind sowieso fast ausschließlich männlich ;-) ) ist schon ein unappetitlicher PC-Bückling.

sybille eden / 07.09.2019

Es sind die Früchte der 68ger. Die Saat geht jetzt auf. Da gibt es auch kein "Zurück" mehr !Es wird nicht mehr lange dauern und der DHV wird als "Bürgerlich -Reaktionär" gebrandmarkt werden. Wetten ?

Helge-Rainer Decke / 07.09.2019

Wer an der HU Berlin sein Studium erfolgreich abschließen willund das möglichst im Rahmen eines noch verträglichen Zeitfensters an Hochschulsemestern, hat gar keine Zeit, sich an dem Palaver dessen zu beteiligen, das der Autor hier in den Mittelpunkt eines Gärungsprozesses sogenannter Debattenkultur stellt. Ein Student der juristischen Fakultät zum Beispiel, büffelt von früh bis spät, um erfolgreich die erste Juraprüfung (bis 2003 hieß es das erste juristische Staatsexamen) zu bestehen. Die erste Juraprüfung gliedert sich seit 2003 in zwei Teile, der Pflichtfachprüfung und der Schwerpunktbereichsprüfung.Diese Prüfungen erfolgen zeitversetzt. Überdurchschnittlich Begabte, die dies zum Beispiel durch das Abiturzeugnis belegt haben, können sich während des Studiums entscheiden, nach Bestehen der Pflichtfachprüfung, ein zwei Semester umfassendes Studium für ihren Schwerpunktbereich an der Humboldt European Law School (ELS) in Rom, Paris oder Amsterdam zu absolvieren. Das Studium wird in der jeweiligen Landessprache gelehrt. Nach Bestehen dieser Schwerpunktbereichsprüfung hat der Student die erste Juraprüfung bestanden. Sollte er promovieren, so sind sogar die Voraussetzungen für die Berufung zum ordentlichen Professor erfüllt. Nur der Beruf des Richters, Staatsanwalts und des Rechtsanwalts erfordern das zweite juristischeStaatsexamen. Wer aber den dornigen Weg über die European Law School erfolgreich beschritt, wird wohl kaum das Richteramt anstreben.

Richard Loewe / 07.09.2019

Jaja, der DHV... Als die Akkreditierung in Deutschland anfing, warnten viele, dass das nicht mit Art. 5 (3) vereinbar sei, denn die Curricula wurden ja von den privaten Agenturen genehmigt und am Ende stand dann eine Homogenisierung aller Studiengaenge und -inhalte. Mir ist mal in einem Berufungsgespraech gesagt worden, dass ich ein Skript einer jungen Kollegin verwenden muesse. Als ich auf Art 5 (3) hinwies, wurde das Gespraech von eben dieser (immer noch katastrophal veroeffentlichten) Kollegin mit den Worten, “dann koennen wir hier abbrechen” beendet. Auch bei der Besoldungsreform, also der Zementierung des akademischen Lumpenproletariats ist der DHV nicht erfolgreich gewesen. Ich habe auch nur begeisterte Worte bei der Etablierung von Pseudo-Wissenschaften (Klima, Gender) an den Unis gehoert und wenn ich mich nicht taeusche, sind das ja die Treiber der Ideologisierung der Wissenschaften. Und jetzt, wo es mal wieder viel zu spaet ist, beklagt der DHV sich. Ich bin so froh, dass ich in den USA lehre und forsche und es hier immer noch genuegend freie Institutionen gibt.

P. F. Hilker / 07.09.2019

Das linke pseudowissenschaftliche Gesülze war früher auch nicht anders. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass es in den 70ern schon unerträglich war und kaum eine andere Meinung Gehör fand. Ein Helmut Schelsky musste so manchen Kampf bestehen gegen die Mehrheit seiner Artgenossen. Und als Student stand man politisch sowieso auf verlorenem Posten, wenn man nicht dem linken Spektrum angehörte.

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