Vom Versuch zu helfen und damit (vorläufig?) zu scheitern.
Was ich im Folgenden aus meinem Leben erzähle, ereignete sich zum großen Teil im Februar 2022. Just in dem Monat, als unser Stress mit Putin anfing. Damals schickte Ariane (Name geändert) meiner damaligen Frau eine Textnachricht, in der stand, dass sie Hilfe brauche; ihr Mann Robert (Name geändert) mache ihr das Leben zur Hölle, sie halte es nicht mehr aus. Ein bisschen merkwürdig war das schon: Nur zwei oder drei Tage vorher hatte Ariane uns an einem Sonntagnachmittag zum ersten Mal zu sich nach Hause eingeladen, Robert hatten wir bei dieser Gelegenheit kennengelernt. „Robert backt Kuchen“, hatte sie gesagt. Das war die erste Unwahrheit gewesen: Es gab zwar Kuchen, aber der war gekauft. Und die Kinder bekamen keinen Kuchen: Sie dürften nur Salzstangen essen, meinte Robert. Wahrscheinlich hätten wir da schon gehen sollen.
Robert war, wie sich herausstellte, arbeitslos, wie auch Ariane. Er hatte aber große Pläne: Er wollte sich mit okkultem Scheiß selbstständig machen. Genauer: Er wollte „Reiki-Meister“ werden, mit eigener Praxis. Beim „Reiki“ werden medizinische Beschwerden durch Händeauflegen geheilt. Seine Frau, meinte er, könne ihm dabei assistieren. Die Wohnung, in die wir mit dem Kuchenversprechen gelockt worden waren, stank nach Tabak und Räucherstäbchen (die waren, wie ich später erfuhr, dazu da, den Cannabisgeruch zu überdecken). Wir saßen auf dem Teppich, Stühle gab es nicht.
Die neun Monate alte Lara (Name geändert) krabbelte auf dem Boden. Ich setzte sie vor mich hin und hielt dabei ihre Arme und ihren Rücken fest. So konnte sie etwas sehen, das gefiel ihr augenscheinlich. „Warum machst Du das nicht auch mal?“, fragte Ariane ihren Mann. Er würde „nie“ mit seiner Tochter spielen, sagte sie vorwurfsvoll. Robert redete sich mit seinen angeblichen orthopädischen Beschwerden heraus, die er habe, seit er mal als Paketzusteller der Post gearbeitet habe. Ich bemerkte, dass Lara ja den Kopf schon gut allein halten könne. Das habe sie „von Geburt an“ gekonnt, behauptete Robert. Den Elternvorbereitungskurs hatte er also geschwänzt. Vielleicht wäre es besser, wenn er zu seiner Tochter Abstand hielt.
Ich möchte erzählen, wie wir Ariane kennengelernt hatten. Ihr Sohn Kevin (Name geändert) war zeitweise der beste Kindergartenfreund unseres Sohnes gewesen. Beide waren damals noch im Kindergarten. An einem Vormittag im August 2021 hatten wir sie getroffen, als wir unseren Sohn zu einem Spielplatz gebracht hatten, wo die Kindergartengruppe den Vormittag verbrachte. Ariane hatte Kevin neben sich und schob einen Kinderwagen mit einem Säugling, Tochter Lara. Sie konnte den Weg zum Spielplatz nicht finden. Schnell kamen wir ins Gespräch, und sie erzählte uns gleich die privatesten Dinge: Sie komme gerade vom Gericht, wo ihre Scheidung verhandelt wurde und sei froh, dass sie das nun hinter sich habe. Der neue Mann – Robert – war der Vater des Säuglings, Kevin stammte von dem Mann davor. Ariane lobte ihren neuen Mann und freute sich, dass Kevin schon „Papa“ zu ihm sage.
Ein Fünfjähriger in Corona-Haft
Drei Monate später, also im November, bat sie uns um einen Gefallen: ob sie Kevin einen Nachmittag bei uns lassen könne. Sie und ihr Mann hätten vom Sozialamt nämlich nur ein gemeinsames Ticket für den öffentlichen Nahverkehr und das habe sie. Ihr Mann aber sei am Flughafen und komme ohne das Ticket nicht nach Hause. Wie sich später herausstellte, war Robert zu einem „Reiki“-Meister nach Wien geflogen. Was Hartz-IV-Empfänger eben so machen, wenn sie der Ehrgeiz packt. Bis zu der ominösen Einladung zum Kuchen traf ich Ariane dann höchstens noch zufällig im Kindergarten, wenn überhaupt. Was mir aber im Gedächtnis geblieben ist, war der Corona-Alarm kurz vor Weihnachten 2021.
Wegen eines Corona-Falls im Kindergarten sollten alle Kinder in Quarantäne, und die Eltern gleich mit. Das Gesundheitsamt würde sich bei uns melden, wurden wir gewarnt. Ich sah in der Vorstellung schon einen Polizeiwagen vor unserem Haus parken und einen Beamten die Tür vernageln. Also machte ich schnell noch einen Einkauf, damit wir nicht verhungern müssten. Da sich die Gesundheitspolizei nie meldete und auch die Tür funktionstüchtig blieb, war uns die Quarantäne egal, und die Weihnachtsferien waren wie immer. Nicht so für Kevin. Wie meine Frau von Ariane erfuhr, hatten sie und Robert den Fünfjährigen – der im Kindergarten ohnehin schon als verhaltensauffällig bekannt war – tatsächlich für eine Woche in sein Kinderzimmer gesperrt. Die Mahlzeiten wurden ihm durch die Tür geschoben, wie im Knast.
Dann kam der Tag im Februar 2022, als Ariane um Hilfe bat. Ich erinnere mich nicht mehr, welche Einzelheiten sie meiner Frau erzählte, aber meine Frau und ich kamen schnell überein, dass wir anbieten würden, dass Ariane und ihre beiden Kinder erst einmal bei uns wohnen könnten. An den überraschten Reaktionen der Erzieherinnen im Kindergarten und anderer Eltern merkte ich, dass dieses Angebot offenbar nicht selbstverständlich war. Ehe mich jemand naiv oder bekloppt nennt: Ich bin keiner der Leute, die meinen, sie müssten die ganze Welt retten. Ich bot meine Wohnung deshalb an, weil es sich um den Freund meines Sohnes handelte, der offenbar in Gefahr war. Mochte es Tage, Wochen oder Monate dauern.
Rettung
Was mich erwarten würde, als ich Ariane und ihre Kinder bei sich zu Hause abholte, wusste ich nicht. War Robert nur irre oder gefährlich? In einem Stück Holz im „Wohnzimmer“, wo wir den Kuchen verdrückt hatten, steckte, wie ich mich erinnerte, ein großes Messer – eines, wie John Rambo es benutzen würde. Würde Robert damit auf mich losgehen, wenn ich zur Tür hereinkäme? Ich ging auf Nummer sicher und zog zahlreiche Pullover an. Dann noch eine Wolljacke, eine Lederjacke und eine Regenjacke außen. Ich sah nun aus wie das Michelin-Männchen und fühlte mich halbwegs geschützt. Auf meinen Hals würde ich aufpassen müssen.
Da Robert einen Kopf kleiner war als ich und kürzere Arme hatte, sollte das wohl möglich sein. Ob es nicht doch eine Sache für die Polizei wäre? Was sollte man der sagen? Robert hatte bislang ja nichts strafrechtlich Relevantes getan, jedenfalls nichts, von dem wir zu diesem Zeitpunkt wussten.
Ariane hatte auch nichts von Drohungen gesagt. Sie hatte überhaupt sehr wenig gesagt. Außer, dass ich klingeln und unten warten sollte. Wenn ich reinkäme, würde das Robert vielleicht wütend machen. Also klingelte ich, und Kevin machte auf. Er war guter Dinge, offenbar herrschte keine akute Gefahr, dachte ich. Robert verabschiedete sich von seiner Tochter, die er in den Armen hielt. Er wirkte beinahe wie ein zärtlicher Vater und grüßte mich auch. Dann fuhr ich die drei zu uns nach Hause. Dort hatten die Kinder Spaß. Als sie alle im Bett waren, erzählte Ariane von ihren Erfahrungen mit Frauenhäusern. Robert war ja nicht ihr erster Mann, und die Männer davor seien noch schlimmer gewesen. Einer habe mal von ihr verlangt, sie solle mit vielen fremden Männern Sex haben; er und ihr Sohn sollten dabei zuschauen.
Notizen für die Anwältin
Sie hatte viel Erfahrung mit Frauenhäusern. Sie sei so froh, nicht wieder dort hin zu müssen. Man könne dort kaum schlafen, da die ganze Nacht Lärm sei. Ständig würden die Metalltüren zugeknallt. Auch hätten die Frauen das Bedürfnis, bis tief in die Nacht zu reden, was man ja verstehen könne, was aber beim Schlafen störe. Und es gebe ein hartes Regiment: Wer etwa mit Alkohol erwischt werde, fliege sofort raus. Die Atmosphäre erinnere sie an das Kinderheim, in dem sie aufgewachsen sei. Sie sei damals, als sie von ihrer Mutter und ihrem Stiefvater vernachlässigt und geprügelt worden sei, selbst zum Jugendamt gegangen und habe darum gebeten, ins Heim zu kommen, erzählte sie. Ihrer Mutter sei das egal gewesen.
Wir erfuhren nebenbei ein paar Sachen über Robert. Das meiste über ihn kam erst später ans Licht. Am folgenden Tag machte Ariane einen Plan. Sie müsse die Frau X. vom Jugendamt informieren und ihre Familienhelferin, Frau Y, die ihr das Jugendamt als Unterstützung zur Seite gestellt hatte. Vor allem aber musste sie mit einem Anwalt sprechen und gegen Robert klagen, dass er die Wohnung verlassen müsse. Die Katzen mussten auch noch weg, dann könne Robert sie auch nie wieder malträtieren. An Robert ließ sie, solange sie bei uns war, kein gutes Haar, sprach gar von „Ekel“, den sie empfinde. Sie bat um Papier und einen Stift. Dann machte sie im Sessel sitzend Notizen. Sie schrieb über eine Stunde ohne Pause. Am nächsten Tag machten sie und ich uns daran, auf der Grundlage ihrer Notizen einen Text zu formulieren, den sie dann ihrer neuen Anwältin vorlegen würde. Ariane sagte etwas, ich machte einen Formulierungsvorschlag, den sie dann annahm, indem sie sagte: „Ja, das ist gut.“ Das begann so:
„Robert erpresst mich stark emotional. Er setzt Fristen für Wohnungssuchen, die in der Realität gar nicht einzuhalten sind und droht, wenn das nicht innerhalb der Frist ist, an, dass er sich dann trennen oder sich das Leben nehmen werde. Im gleichen Atemzug sagt er, dass er sehr an uns hänge und eine Trennung nicht verkraften würde. Vor einer Woche sagte Robert zu mir, dass ich ein schlechter Umgang für die Kinder sei; ich dächte ja nur an mich und sei daran schuld, dass es der Familie schlecht geht. Zudem schreit er mich häufig an, wenn er nicht seine Drogen genommen hat. Dann regt er sich über jede nicht im Haushalt erledigte Kleinigkeit auf. Im gleichen Atemzug sagt er, dass jeder seine Aufgabe habe und keiner die Aufgabe des anderen übernehmen solle. Als Robert einmal die Droge konsumiert hatte – das tut er immer im Badezimmer –, sagte er zu mir, dass ich das, was er sagt, wenn er keine Drogen genommen hat, ‚nicht ernst nehmen‘ dürfe. Wenn ich darauf einginge, was er dann – in nüchternem Zustand – sagt, würde ihn das stark reizen.“
Gewalt gegen den Sohn
Schon kurz nach dem Einzug in ihre Wohnung habe es erste gewaltsame Übergriffe auf ihren Sohn gegeben. Robert schlage dem Sohn auf den nackten Po, „als Strafe für schlechtes Benehmen“.
„Dabei schließt Robert die Türen und schaltet den Fernseher ein und auf hohe Lautstärke, damit die Nachbarn nichts von der Prügelstrafe mitbekommen. Zudem droht er Essensentzug an und macht die Drohung auch wahr.“
Zudem sperre er das Kind ins Zimmer ein und entfernt die Türklinke.
„Dadurch wird dort, wo die Klinke war, eine scharfe Kante freigelegt, an der sich Kevin sehr oft verletzt. Einmal saß Kevin direkt hinter der Tür und spielte dort. Robert verbot ihm, in der Nähe der Tür zu spielen und befahl Kevin, weiter hinten in seinem Zimmer zu spielen. Als Kevin einmal hinter der Tür stand, riss Robert die Zimmertür mit voller Wucht auf, so dass Kevin sich an der scharfen Kante verletzte und nach hinten fiel. Kevin hatte danach einen Bluterguss an der Stirn, wo ihn die Tür getroffen hatte. Das passierte mehrmals, auch in meiner Schwangerschaft. Robert sagte zu Kevin: ‚Du lernst auch nie daraus.‘
„Ampeln“ an den Türzargen
Kevin bekam von Robert einmal Spielzeugverbot, dazu weitere Misshandlung:
„Robert nahm ihm sein ganzes Spielzeug weg. Kevin durfte nur in der Ecke sitzen und nichts tun. Von Robert erklärter Zweck: Kevin solle über das nachdenken, was er getan hatte.
Zwischendurch gab es immer wieder Schläge auf den Po, wenn Kevin nicht gehorcht hatte. Robert zog Kevin einmal sogar an einem Bein hoch und hielt ihn mindestens eine Minute in der Luft. Kevin schrie panisch: ‚Nein, hör auf!‘
Kevin durfte sich nicht frei in der Wohnung bewegen. Dazu hatte Robert „Ampeln“ an den Türzargen angebracht, die sagen, ob Kevin das Zimmer betreten darf oder nicht. Die einzige „grüne Ampel“ war sein Kinderzimmer, Küche und Badezimmer waren „gelb“, Wohnzimmer und elterliches Schlafzimmer „rot“.
„Robert schickte Kevin ausdrücklich in sein Zimmer, wenn Roberts Drogenkurier ihn besuchte. Kevin durfte dann auch nicht ins Wohnzimmer, auch wenn er ein Bedürfnis hatte. Robert sagte, dass er nicht wolle, dass Kevin seine Drogengeschäfte mitbekomme. Vor Laras Augen machte er die Drogengeschäfte hingegen schon: Sie sei ja ‚noch zu klein‘, um etwas zu verstehen. Robert schloss sich manchmal während Kevins Anwesenheit im Badezimmer ein, um Drogen zu konsumieren – auch mit Drogenfreunden. Wenn Kevin in solchen Fällen auf Toilette musste, stellte Robert ihm das Töpfchen vor die Tür: Er solle statt der Toilette dieses benutzen. Kevin selbst bekam im Badezimmer einen merkwürdigen Geruch mit, den er nicht zuordnen konnte und fragte nach. Ich wusste nicht, wie ich ihm Roberts Drogenkonsum erklären sollte.“
Ein imaginäres Wesen?
Robert gebe Kevin die Schuld daran, dass er so viele Drogen konsumiere: Robert brauche die Drogen, um Kevin „zu ertragen“. Weiter berichtete Ariane, dass Kevin kein Frühstück bekomme: Robert wolle Geld sparen, um mehr für seine Drogen zu haben. Lange Zeit durfte Kevin nicht vor zehn Uhr aufstehen, weil Robert ausschlafen wolle. „Kevin musste still im Bett sitzen bleiben. Roberts Kommentar: ‚Er muss es lernen‘.“ An Wochenenden bekam Kevin vor zehn Uhr Hunger.
„Robert war dann sehr verärgert, dass er aus dem Schlaf gerissen wurde und eilte sehr zornig in Kevins Zimmer, biss dabei stark die Zähne zusammen – dass kann man leicht heraushören – und maßregelte Kevin, er solle ihn ‚nicht zur Weißglut treiben‘, sonst würde ‚mehr passieren‘; ob er ‚wieder den Hintern versohlt bekommen‘ wolle. Kevin wisse, ‚wann es Essen gibt‘; würde er weiter brüllen, würde er ‚Konsequenzen zu spüren bekommen‘.
Die Konsequenz war stets: Jegliches Essen wird weiter nach hinten verschoben.
„Manchmal sollte sogar das Abendessen ausfallen: Kevin hätte dann den ganzen Tag nichts zu essen bekommen. Kevin bekam erst dann etwas zu essen, wenn ich eingegriffen habe. Robert begründete: ‚Mit Essen kriegt man ihn.‘ Wenn ich eingriff und Kevin etwas zu essen gab, eskalierte der Streit. Robert wurde laut und wütend. Ich würde ‚ihm in den Rücken fallen‘.“
Robert brachte Kevin seinen Hang zum Okkulten bzw. „Paranormalem“ so nahe, dass Kevin versuchte, sich vor sogenannten „Wesen“ mit Schlägen zu wehren.
„Robert selbst schlug diese imaginären ‚Wesen‘ weg und redete Kevin ein, dass es solche ‚Wesen‘ gebe – manche seien ‚gut‘, andere ‚böse‘ –; Kevin solle mit den ‚Wesen‘ reden. Robert unterstellte Kevin, manche dieser ‚Wesen‘ ‚eingeladen‘ zu haben.
Einmal riss Kevin in seinem Zimmer eine Fußbodenleiste ab:
„Robert gab Kevin die Schuld und sagte zu ihm, ein ‚Wesen‘ habe Kevin befohlen, das zu tun, damit Kevin Ärger bekomme. Kevin sei selbst schuld daran. Robert: ‚Ich kann ihm bald nicht mehr helfen.‘ Damals fing es an, dass Robert Kevin Krankheiten andichtete: Kevin habe ADHS und eine ‚Persönlichkeitsstörung‘. ‚Solche Leute‘ würden ‚weggesperrt werden‘. Zudem behauptete Robert, Kevin sei ‚schwul‘.
Misshandlung des Babys
Von dem Baby verlangte Robert, dass es still sein und nicht brabbeln solle. „Selbst wenn Lara weint, bringt Robert sie direkt ins Bett, schließt die Tür und setzt Kopfhörer auf, mit denen er den Sound seiner Onlinespiele hört.“
Lara muss allein einschlafen.
„Wenn sie schreit, wird sie schreien gelassen. Robert guckt zwischendurch nach ihr; sieht er, dass sie auf dem Bauch liegt, wirft er sie mit Schwung auf den Rücken, so dass sie noch mehr schreit. Robert hat angedroht, sie festzubinden, damit sie sich nicht mehr auf den Bauch drehen kann.“
Ariane sagte, sie sei allein für das Baden und Wickeln des Babys zuständig, weil Robert Angst geäußert habe, er könne gegenüber seiner Tochter sexuell übergriffig werden, wenn er sie nackt sehe.
„Der Grund: In seiner Jugendzeit habe Robert Filme geguckt, in denen Stiefmütter und -Kinder sexuelle Handlungen an einander vorgenommen hätten. Auch hätten ihn seine Onlinespielfreunde gefragt, ob er seine Tochter ‚schon entjungfert‘ habe und ob er ‚schon gegen ihre Brust getreten habe‘, damit die Brüste ‚zum Vorschein‘ kämen.“
Auf die Bemerkungen dieser „Onlinefreunde“ reagierte Robert Ariane zufolge „sehr sauer und geschockt“ und meinte, sie sollten „aufhören, so etwas zu sagen“. „Robert gab es allerdings auf, gegen derartige Kommentare seiner Freunde etwas zu sagen, da er nach eigenem Bekunden nicht dagegen ankomme.“
Robert beißt die Katzen
Ariane erzählte, dass Robert seine frühere Katze nach eigenen Worten „aus Versehen umgebracht“ habe. Er habe versucht, der Katze ein Katzengeschirr umzubinden. Die Katze habe sich dabei gewehrt. Er habe erst später gemerkt, dass die Katze sich „nicht mehr bewegt“ habe, dass sie tot war. Die aktuelleren Misshandlungen der Katzen beschrieb Ariane so:
„Wenn Robert keine Drogen genommen hat, reicht ein Anfauchen seitens der Katzen aus, dass er anfängt, die Katzen mit den Fingern auf die Nasen und die Schnauzen zu schnipsen. Die Katzen fauchen dann noch mehr und Robert fährt mit seinen Misshandlungen fort. Das steigert sich: Robert hält die Katzen fest und das Schnipsen wird stärker. Die Katzen fauchen, weil sie weg wollen. Robert würgt die Katzen, erst kurzzeitig. Dann wollen die Katzen weg, können aber nicht, weil er schnell nach ihnen greift und sie zurückholt. Das alles setzt sich lange fort, bis es irgendwann so ist, dass Robert den Katzen mit der Faust ins Gesicht schlägt, bis sie nur noch leise quiekende und knurrende Geräusche von sich geben und halb bewusstlos auf dem Boden liegen. In diesem Zustand urinieren und koten die Katzen in die Wohnung.“
„Schon immer ein guter Schauspieler“
Bei diesen Misshandlungen der Tiere habe Robert sehr viele Kratzer an der Hand abbekommen, mache aber trotzdem weiter. Um die Kratzspuren vor anderen zu verstecken, trage Robert oft Handschuhe. Wenn Robert seine Drogen konsumiert habe, behandele er die Katzen wie seine eigenen Kinder (im guten Sinne): „Er verhätschelt sie und nimmt sie ständig auf den Arm, streichelt sie, belohnt sie. Er entschuldigt sich dann sogar für sein „sehr schlechtes Verhalten“ und sagt: „Es tut mir so leid, was ich mit euch gemacht habe, ich möchte das eigentlich nicht.“ Während der Schwangerschaft mit Lara habe Robert einmal zu ihr gesagt: „Ich weiß nicht, was ich getan habe, der Kratzbaum ist voller Blut.“
Wenn Robert in diesen Affekthandlungen war und die Katzen vor ihm wegliefen, benutze er die Stange des Wischmobs, um die Katzen aus den hintersten Verstecken herauszuholen, so Ariane, „und sticht dann wieder und wieder auf die Katzen ein – auch mit anderen Gegenständen wie etwa der Katzenschaufel aus Metall“.Als Robert einmal mit dieser Schaufel auf eine der Katzen eingestochen hatte, sagte er hinterher zu Ariane: „Ich hätte fast unsere Katze geköpft.“ Erst als die Katze einen merkwürdigen Ton von sich gegeben habe, sei Robert „aufgewacht“, habe er berichtet.
Robert, so Ariane, sagt, er sei „gerne Schauspieler“ und könne sich „immer von seiner besten Seite zeigen“, „wenn es gewünscht ist“. Robert sei „schon immer ein guter Schauspieler“ gewesen, wenn es darauf angekommen sei, habe er gesagt. Bei „wichtigen Terminen“ oder „wenn es notwendig“ gewesen sei, habe er den Leuten immer „erzählen können, was sie hören wollten“ und sich von „seiner besten Seite präsentieren“. Werde Robert von Fremden auf seine Handschuhe angesprochen, die er trage, um die Kratzspuren der Katzen zu verstecken, werde er sehr sauer und reagiert sehr gereizt. Er frage dann etwa: ob es verboten sei, Handschuhe zu tragen. Vor Treffen mit Behörden studiere Robert zu Hause im Selbstgespräch ein, was er antworten werde, wenn man ihn auf die Handschuhe anspreche.
Drogen- und Onlinespielsucht
Seine Drogen rauche Robert auch am Wohnzimmerfenster.
„Der Rauch zieht in die Wohnung rein. Lara hat die Atemwegserkrankung Pseudokrupp. Dafür haben wir auch vom Arzt Notfallmedikamente verschrieben bekommen. Der Arzt ordnete zudem an, das Rauchen am Fenster müsse sofort aufhören. Robert weiß das, zeigt aber keinerlei Einsicht, auch dann nicht, wenn ich ihm sage, dass es um seine Kinder geht.“
Wenn Robert seine Joints drehe, so Ariane, fielen oft Marihuana- oder Haschischkrümel auf den Boden.
„Robert benutzt beim Mischen von Tabak und Drogen eine Holzschüssel. Das Drehen der Joints macht er aber über dem Schoß. Zum Zerkleinern dese Cannabis hat Robert ein rundes Gerät, das er ‚Crusher‘ nennt. Nach dem Zerkleinern schiebt er das gemahlene Cannabis in seine Holzschüssel. Diese steht auf einem großen Mauspad. Was daneben fällt, schiebt Robert vom Mauspad in die Schüssel. Anschließend säubert er das Mauspad über dem Fußboden. Die Katzen, die oft bei seinem Schreibtisch sind und auch daraufspringen, können etwaige Cannabisreste mit ihren Pfoten in der Wohnung verteilen; Lara könnte sie dann verschlucken. Das ist Robert aber egal.“
Robert schalte den Computer gleich nach dem Aufstehen ein, dieser laufe dann bis spät in die Nacht.
„Es kommt mir so vor, als würde Robert in dem Spiel leben. Robert berichtet regelmäßig über Spielstände, wie weit er schon gekommen sei. Das macht ihn dann sehr stolz. Robert zeigt mir Landschaften in dem Spiel und ist hellauf begeistert. Wenn er im Spiel drin ist, darf man ihn nicht ansprechen, auch dann nicht, wenn es sich um wichtige Dinge handelt. Auch nicht, wenn es um die Kinder geht; es darf nicht mit ihm gesprochen werden. Nur für das Rauchen und Toilettengänge hat er Zeit. Beim Spielen trägt Robert einen Kopfhörer, flucht und redet laut mit seinen Onlinefreunden, etwa, um Strategien zu besprechen. Den Haushalt vernachlässigt Robert völlig. Das Spielen hat ihn voll im Griff.“
Manchmal steht Robert um 13 Uhr auf, manchmal aber auch erst gegen 15.30 Uhr.
„Dann schaltet er den PC ein und raucht eine Zigarette am Fenster. Dann zieht sich das Onlinespielen bis weit in die Nacht hinein hin. Üblicherweise kommt Robert erst gegen 3.00 Uhr ins Bett, manchmal auch erst um 4.30 Uhr. Der Drogenkonsum findet alle zwei bis drei Stunden statt.“
Mit diesem Protokoll ging Ariane zu einer Rechtsanwältin. Zwei oder drei Tage später sagte Ariane mir, sie habe eine E-Mail von der Anwältin bekommen, die sie an mich weitergeleitet habe, ohne sie zu lesen. Es war der Beschluss des Gerichts: Robert hatte zum Schutz von Ariane und der Kinder die Wohnung zu verlassen. Das war schnell gegangen.
Robert hatte sich unterdessen in die Psychiatrie einweisen lassen. Er hatte Suizidgefahr geltend gemacht. Von der Psychiatrie aus schickte er Ariane Nachrichten, was uns beunruhigte. Ariane konnte gar nicht oft genug sagen, wie sehr Robert sie ekle und dass sie nie wieder etwas mit ihm zu tun haben wolle. Dennoch las sie alle seine Nachrichten, in denen er sie seinen „Engel“ nannte und Besserung gelobte.
Die Katzen in Sicherheit
Ich möchte den Rest kurz fassen. Der Plan war: Frau und Kinder raus aus der Wohnung. – Mann raus. – Katzen raus. – Frau und Kinder wieder rein. Ariane wollte die Katzen ins Tierheim bringen, weil sie sich nicht um sie kümmern könne. Zudem wären sie dann für immer sicher vor Robert. Im Tierheim legte eine freundliche junge Frau mit gefärbten Haaren und zahlreichen Ohrringen und Piercings eine Akte an. Ich erinnere mich noch an ihre Reaktion, als Ariane die Geschichte erzählte. Sie sagte erschrocken: „Ihr Mann, ich meine, Ihr Exmann, hat die Katze gebissen?!“ Sie schrieb etwas auf, wollte aber nicht alle Einzelheiten hören.
Bald kam der Tag, als Ariane und ihre Kinder in die Wohnung zurückkehrten. Ich hatte dort vorher etwas sauber gemacht und die Wände im Kinderzimmer gestrichen, damit es dort nicht mehr stinkt. Auf Arianes Wunsch hin hatte ich auch die okkulten Zeichen im Wohnzimmer mit weißer Farbe übermalt. Der versiffte Katzenbaum war auch rausgeflogen, er wurde ja nicht mehr gebraucht.
Meine Frau und ich gaben Ariane noch einen Hochstuhl und eine Wiege für Lara mit. Dann hörten wir wochenlang nichts von ihr. Eines Tages sagte uns die Erzieherin im Kindergarten mit besorgtem Gesichtsausdruck, Ariane habe eine Nachricht da gelassen, die sie uns ausrichten solle: Mit Robert sei wieder alles in Ordnung, sie seien wieder zusammen. Ja, wir hatten auch von dem Syndrom gehört: dass misshandelte Frauen zu ihrem Peiniger zurückkehren. Ariane selbst hatte uns sogar davon erzählt und schien dabei so, als könne sie das kaum glauben. Sie zurück zu Robert? Niemals!
Nach dieser Nachricht brachen wir den Kontakt zu Ariane ab und schickten das Protokoll, das ich gemeinsam mit Ariane für ihre Anwältin geschrieben habe, um Robert aus der Wohnung zu bekommen, ans Jugendamt. Dort versicherte man uns, den Fall ernst zu nehmen. Das Jugendamt stattete den beiden einen Besuch ab. Darauf schickten Ariane und Robert uns wütende Textnachrichten mit Flüchen und sagten, sie würden die Wiege und den Hochstuhl am nächsten Tag an die Straße stellen, wo wir sie abholen sollten. Wir sollten schnell sein, es sei eine „üble Gegend“, wo sie wohnten. (Eine Übertreibung: Hätten die beiden dort nicht gewohnt, wäre das Viertel nicht übel gewesen, sondern nur hässlich).
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Die Wiege und der Hochstuhl hatten einen dreistelligen Betrag gekostet, aber wir verzichteten darauf, uns darum zu bemühen, die Gegenstände zurückzuerhalten. Sie waren ja verseucht. Und wir wollten auch keinerlei Interaktion mit den beiden mehr. Sie drohten uns weiter und schickten tatsächlich das Jugendamt zu uns. In den drei Wochen des Aufenthalts bei uns hatte Ariane Dinge beobachtet, mit denen sie meinte, uns anschwärzen zu können, wie etwa, dass unser Sohn Kaffee trinke. Sei doch kein Muselmann, der ihn nicht lassen kann. Zudem behaupteten sie und ihr Mann, dass wir diejenigen seien, die nicht stabil genug für die Kindererziehung seien.
Die beiden Frauen vom Jugendamt, die in unserer Küche saßen, waren nett. Sie sagten gleich am Anfang, dass ihnen klar sei, dass es sich um eine Retourkutsche handle. Dennoch müssten sie jedem Hinweis nachgehen. Vieles von dem, was Ariane denunziert hatte, war offenbar noch lächerlicher als die Sache mit dem Kaffee. Eine der beiden Frauen schaute auf ihren Zettel und sagte, da sei etliches, was für das Jugendamt nicht relevant sei.
Bald darauf zog die Familie weg – weg aus der Stadt und damit auch aus dem Zugriffsbereich des Jugendamtes. Ich bat eine Anwältin, eine Strafanzeige gegen Robert zu verfassen. Sie erfuhr von einer Mitarbeiterin des Gerichts, dass bereits zwei weitere Anzeigen vorlägen, darunter auch eine gegen Ariane. Das war im April 2022. Seither hat sich meine Anwältin immer wieder bei Gericht erkundigt, was bislang unternommen wurde. Zweieinhalb Jahre lang lautete die Antwort: Die Ermittlungen dauerten an, der Aufenthaltsort der Familie sei unbekannt. Das war merkwürdig, da Ariane und Robert ohne Sozialhilfe gar nicht überleben könnten. Zumindest ein Sozialamt muss also ihre Adresse kennen und sie alimentieren. Vor einigen Monaten dann eine Neuigkeit: Der Aufenthaltsort wurde nach nunmehr drei Jahren ermittelt. Wenn die Sache irgendwann weitergehen sollte, werde ich darüber berichten. Beim Warten darauf sollte man aber nicht die Luft anhalten. Ich mag mir nicht ausmalen, wie es den Kindern in den letzten drei Jahren ergangen ist. Was lehrt die Geschichte? Wenn ich das wüsste.
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise (2009); Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos (2012).