Günter Ederer / 22.07.2020 / 16:00 / Foto: Achgut.com / 35 / Seite ausdrucken

Meine Erfahrungen mit Gewalt und Rassismus in den USA

Vicksburg im Bundesstaat Mississippi thront direkt über dem breiten mächtigen Strom. Weiße Holzhäuser mit Veranden und Schaukelstühlen. Alleen mit mächtigen Magnolienbäumen. Vicksburg entspricht perfekt dem Klischee einer Südstaatenstadt mit dem Charme, mit dem Amerikaner gerne den alten Süden beschreiben. In dieses Vicksburg verschlug es mich im Spätherbst 1969 auf meiner ersten TV-Drehreise in die USA. Mit meinem Kameramann waren wir in einem historischen Hotel eingebucht.

Nach dem Essen blieben wir noch an der Theke stehen, um ein Bier zu trinken, was in Mississippi, im Gegensatz zu vielen anderen Südstaaten, erlaubt war. Es dauerte nicht lange und wir wurden als „Nichtamerikaner“ identifiziert, was zu vielen Einladungen auf ein Bier und neugierigen Fragen durch Dutzende von wettergegerbten Männern führte. Irgendwann fiel mir dann doch auf, dass es nur „weiße Männer“ waren, obwohl Vicksburg einen hohen Anteil schwarzer Einwohner hat. Also fragte ich naiv: „Wieso sind hier keine Schwarzen?“

Entgeistert schauten mich meine Gesprächspartner an. „Kommt hier ein Neger rein, gehen wir alle weg,“ war die Quintessenz der Reaktion. „Vor ein paar Jahren hätte der das Restaurant nicht mehr lebend verlassen“, ergänzte ein bisher sehr freundlicher Mann in seinem südstaatlerischen Singsang-Dialekt, der besonders sympathisch klingt.

Als offener Rassismus noch üblich war

1969, das war am Ende der fast zehnjährigen massiven Auseinandersetzungen in den USA um die Gleichberechtigung der Schwarzen in den Südstaaten. Als junger Journalist hatte ich die für mich als Europäer nicht nachvollziehbaren Demütigungen der ehemaligen Sklaven in deutschen Zeitungen und Fernsehberichten verfolgt. Hatte nicht Präsident Eisenhower mit der 101. Luftlandedivision dafür gesorgt, dass neun schwarze Schulkinder in Little Rock in Arkansas die Schule betreten durften? Hatten nicht die Kennedys und Martin Luther King vor ihrer späteren Ermordung die Aufhebung der Rassentrennung in den Mittelpunkt ihrer Reformpolitik gestelllt?

Das Massaker 1963 in Birmingham, Alabama, der Marsch der Bürgerrechtler von Selma nach Montgomery, den Präsident Lyndon B. Johnson von der Armee sichern ließ, die unmissverständliche offizielle Beendigung der Rassentrennung durch viele Gesetze des Texaners Lyndon B. Johnson, dies alles hatte mich im fernen Europa glauben lassen, dass nur noch ein paar hoffnungslose Rassisten, wie der Gouverneur von Alabama, Georg C. Wallace, Schwarze diskriminieren würden. Und nun das: offener Rassismus an der Bartheke in Vicksburg.

Das Gespräch wurde hitziger.

Während ich auf die amerikanische Verfassung und Thomas Jefferson als leuchtende Beispiele der demokratischen Rechte eines jeden Menschen verwies, schauten mich die Südstaatler an wie einen verkappten Irren. Keine Ahnung hätte ich. Die Nigger seien faul, kriminell, rauschgiftsüchtig, gefährlich. In Vicksburg lebten sie in einem eigenen Stadtbezirk, in den sich kein Weißer verirre. Das sei lebensgefährlich. Keiner von ihnen würde jetzt in der Nacht die Pine Street hinunterlaufen, dort, wo die Schwarzen ihre kriminellen Geschäfte abwickelten.

Wie gesagt: Es war meine erste Reise als TV-Reporter in die USA, und ich war von der Gleichheit aller Menschen überzeugt. Meine Sympathien galten natürlich der Bürgerrechtsbewegung und es war mir unvorstellbar, Sklaverei auch nur im Ansatz verstehen zu können. Also bot ich den Weißen von Vicksburg eine Wette an. Ich würde die Pine Street hinunterlaufen, und dafür müssten sie mir noch eine Runde Bier ausgeben. Entgeistert schauten sie mich an: Das wäre Selbstmord.

Ich bestand auf dem Deal.

Nächtlicher Besuch im schwarzen Ghetto

Die Männer fuhren mich mit zwei Autos in die Pine Street und ließen die Motoren laufen, um sofort eingreifen zu können, wenn ich angegriffen würde. Die Straße war stockdunkel. Auf der einen oder anderen Veranda bewegte sich schemenhaft eine Gestalt, sonst war es absolut still. Nach etwa einer halben Meile war die Pine Street zu Ende und nichts war passiert. Meine Wettgegner kamen mit ihren damals noch üblichen Riesenschlitten zu mir und meinten, das sei Zufall. Sie deuteten auf ein Holzgebäude, aus dem Licht schimmerte und erklärten: Das ist die Kneipe, in der sie sich betrinken, mit Rauschgift handeln und ihre kriminellen Taten aushecken. Da wären sie noch nie drin gewesen und würden es auch nie tun.

„Dann mache ich das jetzt“, sagte ich und fühlte mich sehr mutig und ging zum Entsetzen der Südstaatler in die sehr einfache Holzhütte. Der Boden bestand aus Lehm, eine Holztheke, wenig Licht und eine tanzende dicht gedrängte Menge Schwarzer schaute verblüfft zu mir. „A white man“ – „ein weißer Mann“ –, rief einer mit sich fast überschlagender aggressiver Stimme. „Ja“, sagte ich. „Ich bin Europäer aus Deutschland und habe gerade mit euren weißen Mitbürgern gewettet, dass ihr mich nicht umbringt.“ Ein vielkehliges Gelächter quittierte meinen Satz.

Sofort war ich umringt von jungen Schwarzen, die mich begrüßten, umarmten, ein Bier anboten und Fragen nach Deutschland stellten, von dem sie keine Ahnung hatten. Es war auch für mich ein sehr spannender Abend, bei dem es hauptsächlich um die immer noch schier unüberwindliche Trennung zwischen den Rassen ging. Nach etwa einer Stunde bat ich, mich doch zum Hotel zu fahren, damit ich Geld holen könnte, damit sie mich nicht ständig einladen müssten. Sofort erklärte sich ein ernst dreinblickender junger Mann bereit, mich zu fahren. Er selbst hatte kein Bier getrunken.

Die Rassisten ignorierten mich komplett

Im Hotel angekommen, bot sich eine bizarre Szene. Meine Wettgegner waren gerade dabei, sich zu bewaffnen, um mich aus der Kneipe herauszuholen. Sie begrüßten mich mit lautem „Hallo“ und waren davon überzeugt, dass ich jetzt geheilt sei, Schwarze als normale Mitbürger einzustufen. Als ich dann klarstellte, dass ich wieder zurück in die Kneipe gehen werde und nur Geld holen wollte, kippte die Stimmung. Sie zupften an meinem Arm, petzten meine Wangen und schrien mehr, als sie redeten: Was ist falsch mit dir? Du bist weiß, „plain white“! Deine Haut ist weiß. Es waren bizarre Minuten. Heute weiß ich, das hätte auch gewalttätig ausgehen können. Die Rassisten gaben mich als hoffnungslosen Fall aus Germany auf und ignorierten mich komplett.

Zurück in der scheunenartigen Kneipe, erfuhr ich viel über die tägliche Diskriminierung im Süden der USA, von Hoffnungslosigkeit und der gegenseitigen Verachtung der Rassen. Ich erwähnte dann, dass ich am nächsten Tag weiter noch Houston fahren werde, wo ich zwei Reportagen über den Herzverpflanzer Dennis A. Cooley und den Astronauten Tom Stafford drehen würde. Beispiele aus der bewundernswerten Welt des Staates, der unbestritten für Innovationskraft, Demokratie und vor allem für uns Deutsche Wohlstand und Sicherheit bedeutete. Der krasse Gegensatz zwischen der Welt der Schwarzen in Vicksburg und den Helden der Medizinforschung und Weltraumeroberung könnte nicht größer sei.

Ein die ganze Zeit ernsthaft mitdiskutierender junger Mann, wie sich herausstellte hieß er tatsächlich Tom, stellte sich vor. Er würde auch am nächsten Tag mit dem Bus nach Houston fahren. Dort studiere er. Für die rund 400 Meilen müsse er über zehn Stunden rechnen, da er mehrfach umsteigen müsse. Ich bot ihm an, mit mir zu fahren, was er sofort ablehnte. Das ginge nicht. Er als Schwarzer, ich als Weißer in einem teuren Buick Convertible würden nur Ärger verursachen. Ich ließ nicht locker und so verabredeten wir uns für den nächsten Tag.

Eine schwarz-weiße Reise durch den tiefen Süden

Die Fahrt begann auf dem Natchez Parkway, einer unter der Nationalen-Park-Behörde geschützten Straße, die dem Beinamen Mississippi als Magnolienstaat alle Ehre macht. Am nördlichen Teil des Natchez Parkway liegt Tupalo, der Geburtsort von Elvis Presley. Und wer durch Mississippi fährt, wird unweigerlich an einem der vielen „National Battlefields“ vorbeikommen, die auf die blutigen Schlachten des US-Bürgerkrieges hinweisen, die alle vom Norden gewonnen wurden und somit die Weißen daran erinnern, dass sie die Verlierer waren, ihre auf Sklaven aufgebaute Kultur zerstört wurde.

In Natchez überquerten wir den Mississippi nach Louisiana. Bei der nächsten Tankstelle wollte ich tanken. Das ging aber nicht. Für mich gäbe es kein Benzin, ich solle mich davonmachen. Tom sagte nur: „Fahr los. Das wird gefährlich.“ Das, was er vorausgesehen hatte, traf ein: Ein Weißer und ein Schwarzer in einem solchen Auto bringt Ärger. Auf den ganzen 400 Meilen bis Houston musste ich Tom erst in sicherer Entfernung aussteigen lassen, um bedient zu werden. Dann allerdings sehr freundlich und mit vielen neugierigen Fragen, wenn ich als Europäer identifiziert wurde.

Das gleiche Manöver war notwendig, wenn wir etwas essen wollten. Die „white only“ Schilder gab es 1969 nicht mehr, aber jeder wusste, wie er sich zu verhalten hatte, um Ärger aus dem Weg zu gehen. Also brachte ich Tom erst ins schwarze Viertel, lud ihn dort aus und konnte dann in einem der Restaurants an der Hauptstraße essen. Tom riet auch dringend davon ab, dass ich mit ihm in einer „schwarzen Kneipe“ essen würde. Er kannte die Leute dort nicht und fürchtete, dass ich als „Weißer“ auch nicht nur freundlich bedient würde. So fuhren wir fast neun Stunden durch Mississippi, Louisiana und Südtexas.

Das Leben mit der täglichen Erniedrigung

Für den nächsten Abend lud mich Tom in seine Universität zu einem Gespräch mit Kommilitonen ein. Was mir sofort auffiel: Die Uni sah ziemlich heruntergekommen aus. Es fehlten Glühlampen in den Fassungen, hin und wieder eine Sprosse im Treppenhaus, und ein Anstrich wäre auch kein Luxus gewesen. In den Studentenzimmern standen jeweils zwei Doppelbetten und vier Schreibtische. Ich lernte: Die Texas Southern University gehört zu einer Gruppe neu gegründeter Universitäten in den Südstaaten, um Schwarzen ein Studium zu ermöglichen. Die Unterbringung wird aus Stipendien und öffentlichen Mitteln finanziert.

Kaum hatte ich den etwas herabgekommenen Eindruck angesprochen, lachten Tom und seine Freunde. Diese Feststellung hätten sie natürlich erwartet. Das gehöre zum System: Wenn etwas kaputtgeht oder nicht mehr funktioniert, dauert es ewig, bis es wieder in Ordnung gebracht wird. Dafür aber werden regelmäßig lokale Politiker und Kommissionen durch die Uni geführt, um zu zeigen, dass Schwarze nicht in der Lage seien, ihre Universität in Ordnung zu halten. Die gleichen Besuchergruppen würden auch durch die Houston-Universität geführt, die Weißen weitgehend vorbehalten ist und wo alles immer sofort repariert wird.

Es war ein langes Gespräch, bis weit nach Mitternacht. Eine Schilderung der täglichen Nachteile, die sie als Schwarze zu ertragen hätten, ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Jeder von ihnen sei schon mehrfach von der Polizei verhaftet worden, wegen „eye-bolling“.

„Eye-bolling“? „Was ist das?“, wollte ich wissen, denn der Begriff war mir fremd. Die Polizisten würden einfach behaupten, er habe einer Frau lüstern nachgestiert, was eine Vorstufe zu einer sexuellen Beleidigung sei. Meistens würden sie dann nach wenigen Stunden wieder freigelassen. Und das Beste sei, sich nicht zu wehren. Sonst könnte es auch noch Prügel oder andere Übergriffe geben.

Vom offenen zum verdeckten Rassismus

In den folgenden Jahrzehnten war ich noch viele Male in fast allen (47 von 50) Bundesstaaten der USA. Auch viele Male wieder im Süden. Es gab später nie mehr ein Problem, wenn ich mit Schwarzen gemeinsam essen ging. Die Segregation ist eher einer wirtschaftlichen Trennung gewichen. Den teuren Country-Club oder Golfplatz kann sich kaum ein Schwarzer leisten, also sind da die Weißen immer noch unter sich und höchstens das Service-Personal ist afroamerikanischer Herkunft, wie das heute korrekt heißt. Doch es ist genau diese oberflächliche Sprachkorrektheit, die darüber hinwegtäuscht, dass sich auch circa 150 Jahre nach dem Bürgerkrieg die Grundhaltung der Südstaatler nicht geändert hat:

Die Weißen (der radikale Gegenspieler von Matin Luther King, Malcom X sagte über sie: die Pigcolored – die Schweinefarbenen) fühlen sich immer noch nicht wieder voll rehabilitiert, sondern als Kriegsverlierer, und die Schwarzen werden immer noch als Bürger zweiter Klasse abgestempelt, obwohl sie eigentlich die Kriegsgewinner sein sollten. Anders als vor 150 Jahren erhofft, hat sich die Gleichberechtigung der Schwarzen nicht von Norden nach Süden ausgebreitet, sondern eher umgekehrt. Der Aufsehen erregende Fall, bei dem George Floyd starb und der die Bewegung „Black Lives Matter“ auslöste, spielte sich in Minnesota ab, einem Staat, der für seine Liberalität eigentlich als vorbildlich gilt. So gewann Ilhan Omar, eine somalische Flüchtlingsfrau islamischen Glaubens in Minneapolis, ein Direktmandat im US-Repräsentantenhaus. Ihren Amtseid legte sie auf den Koran ab. Soweit sind wir in Deutschland noch lange nicht.

Zusammenstoß mit der Polizeimacht

Ziemlich genau 30 Jahre später im Herbst 1999 im Nordosten der USA, in New Jersey. Wir fuhren auf einem US-Highway durch Bridgewater, wo fast alle Weltkonzerne der Pharmaindustrie Forschungslabors und Produktionsstätten unterhalten, weil in der Nachbarschaft die Elite-Universität Princton ihren Campus hatte. Ich arbeitete an einer Dokumentation über die Zerschlagung des Hoechst-Konzerns. Eine Mitarbeiterin der Hoechst-Pressestelle stellte uns ihr Auto zur Verfügung, weil es ein Schiebedach hatte. So konnte mein Kameramann mit einem Spezialobjektiv die bestmöglichen Szenen drehen, während er auf dem Beifahrersitz stand und aus dem geöffneten Schiebedach drehte. Das war sehr anstrengend und deshalb fuhr ich ganz langsam. Auf der Gegenfahrbahn stand ein Polizeiauto mit einem schwarzen Sheriff, dem ich freundlich zuwinkte.

Kurz darauf fuhr der Sheriff hinter mir mit blinkenden Warnleuchten und eingeschaltetem Rotlicht. Ich dache noch, dass dies sehr freundlich sei und er uns absichern wollte. Als ich dann auf das Gelände von Hoechst einbog, überholte mich der Polizeiwagen mit eingeschalteter Sirene und allen Warnlichtern, die ein US-Sheriff einschalten kann. Er stürzte aus seinem Auto, rannte mit gezogener Pistole auf meine Fahrertür zu und schrie los. Ich wollte die Seitenscheibe öffnen, wurde aber sofort gestoppt. „Hände auf das Lenkrad“, verlangte er. Dabei fuchtelte er unmissverständlich mit seiner Pistole. „Und jetzt ganz langsam“, befahl er weiter, „die Fahrzeugpapiere“. „Ich weiß nicht, wo die sind, das ist nicht mein Auto“, weiter kam ich nicht mit meiner Erklärung. Er brüllte in sein Mikrofon und zielte weiter direkt auf mich. Es dauerte gefühlte Sekunden und zwei weitere Polizeiwagen positionierten sich um unser Fahrzeug. Jetzt zielten mehrere Pistolen auf uns.

„Sieh im Handschuhfach nach“, lautete der nächste Befehl. Ich nahm die Hand vom Lenkrad und wollte Richtung Handschuhfach greifen, als wieder die aufgeregte Stimme knarrte: „Slowly, Man, very slowly“, „Ganz langsam, Mann!“ Im Handschuhfach wurde ich fündig. Jetzt weiß ich, dass in den USA die Fahrzeugpapiere fast immer im Handschuhfach liegen. Der Sheriff warf einen Blick auf die Papiere. Das Auto gehörte einer Frau: „Und jetzt, ganz langsam – dein Führerschein!“ In Zeitlupe griff ich in das innere meines Sackos und holte meinen Führerschein. „Du bist ja Deutscher! – ist in diesem Auto einer mit einem New Jersey-Führerschein?“ „Nein, wir sind alle Deutsche.“ Erst jetzt konnte und durfte ich erklären, was wir machten. Der Polizist gab den anderen beiden Sheriff-Wagen Entwarnung und die zogen ab.

Der Sheriff hat immer recht

Es folgten Belehrungen: Aus dem Auto filmen, sei verboten. Die Dreharbeiten aus dem Dach widersprechen den Sicherheitsbestimmungen. Die Dame von der Pressestelle musste auch antreten, und ihr wurde vorgehalten, dass sie uns für diese Dreharbeiten kein Auto hätte geben dürfen. Die Kollegin von Hoechst gab sich sehr kooperativ, nickte immer und ließ uns wissen, dass wir auch besser keine Widerworte geben sollten. Ein Sheriff in Aktion, ob weiß oder schwarz, ist in den USA eine absolute Respektsperson, die bewaffnet ist. Einmal widersprach ich doch: Ich hätte ähnliche Aufnahmen in einigen Staaten der USA gemacht. Zum Beispiel in Phoenix, Arizona, wo uns die Polizei sogar unterstützte. Es folgte eine knappe Abfuhr: „People down there are much nicer, than we are up here.“ – „Die Menschen da unten sind viel netter als wir hier oben.“

Wer öfter mit dem Auto durch die USA reist und dabei fast unweigerlich einmal in eine Geschwindigkeitskontrolle geraten ist, hat sicher ähnliches erlebt. Bewaffnete Polizisten, die verlangen, dass man sich nur in Zeitlupe bewegt. Für die Polizisten ist das eine Lebensversicherung. Im Durchschnitt werden circa 150 Polizisten bei Fahrzeugkontrollen im Jahr erschossen (2019: 135). Umgekehrt erschossen Polizisten im Dienst 2019 1.001 Menschen, davon waren 409 Weiße, 250 Schwarze, 163 Hispanos und 143 Sonstige oder Unbekannte. Erst, wenn diese Zahlen in Bezug zur Gesamtbevölkerung der einzelnen Rassen gestellt werden, wird deutlich, dass auf 1 Million Schwarze 31 Erschossene, auf eine Million Weiße „nur“ 13 Erschossene kommen.

Alle diese Zahlen zeugen von einer Gewaltbereitschaft in den USA, die sich mit unseren Verhältnissen nicht vergleichen lässt. 2019 zählte Deutschland 245 Morde, die USA 15.363.

Eine völlig aus dem Ruder gelaufene Waffengesetzgebung ist da mindestens so verantwortlich wie der latente Rassismus einer unbewältigten Sklavenwirtschaft und eines genauso unbewältigten Bürgerkrieges. Die amerikanischen Verhältnisse jetzt als Anlass zu benutzen, um damit die zweifelsohne vorhandenen Probleme in der Bundesrepublik  gleichzusetzen, hilft nur den versteckten Rassisten. Die Ursachen und die Realität für die Spannungen in den USA haben noch nicht einmal im Ansatz etwas mit Deutschland zu tun. Dazu fällt mir höchstens ein: dass die deutschen und irischen Einwanderer in den Nordstaaten sich weigerten, im Bürgerkrieg gegen die Sklavenstaaten zu kämpfen, weil sie Angst hatten, dass dann die befreiten Sklaven ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen würden.

Verordneter Antirassismus stärkt die Rassisten

Was wir allerdings von den USA lernen könnten, wären die vergeblichen Versuche, durch Sprachverbote und Sprachgebote Rassismus überwinden zu können. Genauso wenig taugten die Gesetze, die Quoten für „Nichtweiße“ festlegen, Schulkinder in Bussen herumfahren, um gemischte Klassen zu erzwingen und so weiter. Dies alles hat eher zu mehr als zu weniger Rassenproblemen geführt. Wie geschrieben: Nicht nur in den Südstaaten ist der offene tägliche Rassismus nicht mehr sichtbar, er ist aber überall noch vorhanden, dünn zugeschmiert mit Sprachbefehlen. An dem Schwarze diskriminierenden Wahlrecht und einer gleichwertigen Schulbildung aber hat sich nichts geändert. Im Gegenteil: Je mehr symbolische Akte, die wie eine rassenbereinigte Sprachvorgabe durchgesetzt werden, um so mehr nutzt das den Rassenfanatikern. Auf Deutschland übertragen: Wer jetzt keinen Mohrenkopf mehr kauft, ist noch lange nicht bereit, seine rassistischen Vorurteile zu ändern.

Mit einem Urteil hat der schwarze Sheriff in Bridgewater allerdings recht. Die Leute in Phoenix, Arizona, sind wirklich viel netter als die Polizei in den meisten US-Bundesstaaten. Zusammen mit Christchurch in Neuseeland wurde die Millionenstadt Phoenix 1994 als die am besten verwaltete und bürgerfreundlichste Stadt der Welt von der Bertelsmann-Stiftung ausgezeichnet. Dort erlebte ich eine Polizeiinstitution, die ich auch deutschen Städten sehr empfehlen würde. Um den selbstgesetzten Anspruch zu erfüllen, dass Bürgernähe und Transparenz für alle Abteilungen allerhöchste Priorität haben, hinterfragte eine Polizeieinheit den Auftritt der Beamten. Da wurden Verkehrssünder angerufen und gefragt, ob der Sheriff ordentlich angezogen war, also die Krawatte nicht schief hing, ob er höflich und respektvoll mit dem Gesetzesübertreter umgegangen war, ob er das Strafticket ausführlich begründet habe, und so weiter.

Es ging nicht um das Ticket selbst. Es wurde nur das Auftreten der Beamten hinterfragt. Dieser Bürgerservice ging sogar so weit, dass Straftäter auf Bewährung angerufen und nach dem Verhalten der Bewährungshelfer befragt wurden. Bei Umfragen über die Zufriedenheit der Bürger mit ihrer Stadtverwaltung lagen die Werte regelmäßig sowohl in Phoenix wie auch in Christchurch deutlich über 90 Prozent, egal zu welcher Ethnie die Befragten gehören. Das sollte eigentlich als Vorbild Nachahmer finden. Aber mir ist dazu kein Beispiel aus den USA oder aus Deutschland bekannt geworden. Schade.

Foto: Achgut.com

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Udo Kemmerling / 22.07.2020

“...wird deutlich, dass auf 1 Million Schwarze 31 Erschossene, auf eine Million Weiße „nur“ 13 Erschossene kommen.” Hinzu kommen ein paar hundert Schwarze pro Million Schwarzer, die von Schwarzen erschossen werden, der Löwenanteil derer, die in den USA getötet werden. Läßt sich mit Rassismus nur schlecht erklären, kann weggelassen werden?!? Etwas erschwerend kommt hinzu, dass hier in Deutschland niemand per Sklavenschiff zugewandert ist. Per Schiff sehr wohl, aber gegen den eigenen Willen wohl nicht, eher unter Einsatz erheblicher Finanzmittel. Zu der ganzen schamlos hysterisierten Rassismus-Kampagne hier bleibt nur festzustellen, dass ich genauso wenig wie wegen einer halluzinierten Klimakrise oder irgendwelchem Gender-Gaga wegen frei erfundenem Rassismus hier die nächste “DDR” installiert bekommen möchte. Was jenseits des Großen Teiches auch immer passieren mag, gibt sicher nicht her, dass dafür hier die Polizei auf Zuruf von Linksgrün oder türkisch-arabisch-sichbenachteiligtfühlen demontiert wird. Speziell, wenn man abseits Seehoferscher Sonderinterpretationen die Kriminalstatistik oder den Verfassungsschutzbericht auf echte Inhalte abklopft. Gemessen an dem, was linke Weltverbesserer im Namen ihrer kranken Ideologie an uferlosen Opferzahlen produziert haben, ist Rassismus einfach gar nicht der Rede wert. Jemanden nicht zu mögen ist Teil der Meinungsfreiheit, absolut erlaubt, wenn jemandem die Nase eines anderen nicht paßt, oder die Schuhgröße, oder wie er aus der Wäsche guckt, bei der Hautfarbe aber urplötzlich ein Haßverbrechen. Über Nichtmögen hinausgehende Beeinträchtigungen anderer sind Gegenstand polizeilicher Ermittlungen und deutscher Gerichte, nicht politisch einschlägig dunkelrotgrüner Untersuchungsgremien.

Thomas Taterka / 22.07.2020

Endlich… mal ein USA- Artikel auf der Achse , der seine Realitätsnähe aus eigener Erfahrung ableitet und nicht aus Schwärmerei für einen starken Mann an der Spitze , der als “Batman” den Amerikanern ,und den Deutschen gleich mit, aus der Patsche helfen soll , um die Welt zu retten vor frechen Widerworten. Nur eine Frage, Herr Ederer : Sind Ihnen auf Ihren Reisen in Amerika auch Menschen der indigenen Bevölkerung begegnet, die der ” starke, große Mann ” bei seiner Rede am Mount Rushmore glatt ganz übergangen hat ? Die fallen doch auch unter Rassismus, oder nicht ? Oder erledigt der sich von selbst, wenn man ihn lange genug übergeht ? Wie auch immer, vielen Dank für die wirklich exzellente Lektüre.

Bernd Hönig / 22.07.2020

Sehr interessant und aussagekräftig, danke; während meiner USA-Reisen und auch Arbeitsaufenthalte dort hatte ich nie solche Erlebnisse, die begannen aber auch erst vor gut 20 Jahren ...

Manni Meier / 22.07.2020

Mit dem Rassismus ist es mittlerweile so wie mit den Aussagen über Nazis. Lieber gar nichts sagen, denn jede Bemerkung wird falsch sein.

Raphael Yohanan Gruber / 22.07.2020

Nein, aber das ändert nichts am Rassismus und Antisemitismus Problem Deutschlands. Muss es denn erst so werden wie in den USA? Oder wieder wie in Deutschland vor 1945? Wobei ich hier als Jude mal bemerken will das die so genante Aufarbeitung für mich nichts weiter ist als eine Neue Tapete über die von schwarzem Schimmel befallene Wand. Es Schimmelt halt weiter fröhlich vor sich hin und irgendwann ist es halt dann nicht mehr hinter der neuen Tapete.  

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