Rainer Bonhorst / 10.12.2017 / 16:00 / Foto: achgut.com / 8 / Seite ausdrucken

Mein Wort des Jahres

„Jamaika-Aus“ als Wort des Jahres? Von mir aus. Dann haben wir auch gleich eins für das nächste Jahr: „Gro-Ko-Aus”. Oder gar „Merkel-Aus”? Meine Begeisterung für das Bindestrich-Wort des Jahres hält sich in Grenzen. Warum die ganze Strichelei? Wo doch ein einfaches, völlig bindestrichloses Wort auf der Hand liegt. Oder genauer: Es liegt im Weg. Wenn man mich gefragt hätte, ich hätte als Wort des Jahres „Poller“ genommen.

Den Poller gibt es zwar schon lange, aber er war meist ein eher harmloser Zeitgenosse. Am Hafen half (und hilft) der Poller, kleine und große Schiffe zu vertäuen. Auch im Straßenverkehr kann er ordnend und damit segensreich wirken. Eine gewisse verteidigungspolitische Bedeutung hatte er schon immer vor unpopulären Botschaften und Regierungssitzen. Inzwischen ist der Poller hauptberuflich zum Bollwerk geworden, das die Reste unserer Lebensart sichern soll.

Aktuell schmückt er vor allem Weihnachtsmärkte oder Christkindlesmärkte, wenn sie denn noch so heißen. Aber auch wenn der Christkindlesmarkt in Wintermarkt umgetauft wird, geht es nicht ohne Poller. Der gemeine Terrorist ist nicht durch anbiedernde Wortverrenkungen von seiner Tätigkeit abzuhalten, sondern allenfalls durch Poller.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich halte die Poller-Inflation für notwendig. Die Leute, denen die Poller gelten, weilen nun mal unter uns, und wir müssen uns mit ihnen herumschlagen. Und dazu gehört der Einsatz des Pollers als passive Schutzmaßnahme.

Ein Treffer, mitten ins volle Leben

Der Mist ist aber eben, dass die Poller so notwendig geworden sind. Ich träume schon lange nicht mehr von einer „weißen Weihnacht“, sondern von einer pollerlosen Weihnacht. Aber wie die Dinge liegen, ist trotz Erderwärmung die Hoffnung auf eine weiße Weihnacht sehr viel realistischer, als die auf eine pollerfreie Weihnacht. Die wird es auf unabsehbare Zeit nicht mehr geben. Was soll man machen. Unsere Kanzlerin weiß ja auch nicht, was sie hätte anders machen sollen.

Also: Poller als Wort des Jahres wäre meines Erachtens ein Treffer mitten ins volle Leben gewesen. Aber natürlich ein politisch etwas unkorrekter. Der Poller weist schließlich auf ein Problem hin, das nicht ins höfliche Tischgespräch gehört. Außerdem werden ja viele Poller mit liebreizender Weihnachtsdekoration getarnt. So dass sie fast schon keine Poller mehr sind, sondern fromme Kunst.

Man folgt Magritte, der seinem Pfeifenbild den Text mitgegeben hat: „Dies ist keine Pfeife“ (Ceci n'est pas une pipe). „Dies ist kein Poller“ scheint also der neue politische Surrealismus zu sein. So ein weihnachtlich korrekt verkleideter Poller, der kaum noch als solcher zu erkennen ist, hat natürlich Mühe, es als Wort des Jahres durch die Instanzen zu schaffen.

Vielleicht hätte er eine bessere Chance als Unwort des Jahres. Weil die Erwähnung des Pollers selbstverständlich Unfrieden stiftet zwischen denen, die schon länger hier sind, und denen, die sich durch die Poller in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit beeinträchtigt fühlen.

Im Grunde ist es mir Wurscht: Wort des Jahres oder Unwort des Jahres. Hauptsache, der Poller wird als das wahrgenommen, was er ist: als ein Stein gewordener Beleg für das, was wir verloren haben.   

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Leserpost

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Andreas Rochow / 11.12.2017

Wir leben eben in Zeiten des Zeichensetzens und lauern brav auf neue Anweisung von linksoben.

K. Kirschberg / 11.12.2017

Das haben die althergebrachten Poller nicht verdient. Ich wünsche mir das Wort “Merkelstein” bzw. deren Mehrzahl. Es sollte in jedes Wörterbuch aufgenommen werden und sehr lange an das Versagen deutscher (und europäischer) Politik erinnern.

Sepp Kneip / 10.12.2017

“...als ein Stein gewordener Beleg für das, was wir verloren haben. ” Die Schlußfolgerung ist zwar richtig, aber ich würde die Aussage als zweite Quintessenz abwandeln in als Stein gwordener Beleg dafür, dass wir verloren haben. Wir haben tatsächlich schon verloren, auf der ganzen Linie. Dabei stehen wir erst ganz am Anfang dieses “Flüchtlings”-Dramas. Merkel hat Deutschland und seinen Bürgern eine schreckliche Niederlage beigebracht, die durch nichts zu rechtfertigen ist. Schon gar nicht durch den von ihr beschworenen, aber geheuchelten, Imperativ der Humanität. Deutschland ist ein anderes Land geworden. Aber kein besseres, was die Poller beweisen.

Mike Loewe / 10.12.2017

Poller klingt so abwertend. “Integrationssteine” wäre doch ein schönes Wort des Jahres, aber leider nennt (noch) niemand die Poller so. “Integrationssteine” deshalb, weil sie helfen, den radikalen Islam in unsere Gesellschaft zu integrieren. Oder unsere Gesellschaft in ihn. Zukünftig ebenfalls für die Integration hilfreich könnten im Alltag getragene Kettenhemden gegen Messerstiche sein.

Stefan Bley / 10.12.2017

Vielleicht wäre auch das Wort “Flüchtling” als Unwort des Jahres geeignet. Dieses kaschiert ebenfalls gehörig, da eine Abgrenzung zur Mehrheit der Wirtschaftsmigranten nicht mehr erfolgt.

Axel Ziegler / 10.12.2017

„Hauptsache der Poller wird als das wahrgenommen, was er ist: als ein Stein gewordener Beleg für das, was wir verloren haben“. Ich glaube es müsste wohl eher heissen: „ ...ein Stein gewordener Beleg, daß (!) wir verloren haben“. Wir sollten der Wahrheit ins Auge sehen. Wir sind dabei, wie 1914 bis 1918 eine ganze Epoche zu begraben.

Michael Lorenz / 10.12.2017

“Die Leute, denen die Poller gelten, weilen nun mal unter uns ...” Exakt DA liegt der Fehler. Und wer über die Bemerkung nachdenkt, unterlasse nicht das Nachdenken darüber, dass folgender Satz auch richtig ist: “Die Leute, denen die Poller gelten, weilen NICHT unter Polen, Ungarn, Rumänen, ...” Erstaunlich, oder?

Roland Müller / 10.12.2017

Ich hätte das Wort Merkel-Lego genommen.

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