Jesko Matthes / 18.11.2018 / 10:00 / Foto: Jesus Solana / 20 / Seite ausdrucken

Mein Vorschlag zur deutschen Spaltung

Zugegeben, ich habe in den letzten Wochen und Monaten meine Probleme, irgendetwas Politisches auch nur ansatzweise zu artikulieren, ich werde einfach ständig unterbrochen. Von meinen Lachanfällen. Kanzlerin und Innenminister, die ihren Rücktritt irgendwie verpasst haben, machen sich lieber selbst zu lahmen Enten; „Volksparteien“ werden – in Ermanglung eines eigenen Volkes – zu kleinen, bunten Trachtenvereinen; die Völkischen behalten, wie die Buchenhecken, sogar im Herbst und Winter ihre braunen Blätter; jene Grünlichen, die eben noch erbitterte Globalisierungsgegner waren, mutieren aus lauter Schiss vor Donald Trump zu lauter fröhlich-neoliberalen Globalisierern und ziehen ausgerechnet mit ihrer Naivität den „Volksparteien“ die Wähler ab, wenn auch nicht immer mit ganz sauberen Mitteln.

Merkel und Macron, die Retter Europas, wollen nicht wirklich sehr viel mehr für die Verteidigung investieren, gründen aber vor ihrem programmierten Scheitern sicherheitshalber noch schnell die „Europa-Armee“, während ganz Links und ganz Rechts – ebenfalls sicherheitshalber – schon lange Realisten geworden sind und gern weiter den vorauseilenden Kniefall vor Putin üben.

Eine der vielen absonderlichen demoskopischen Mehrheiten jener bunten und vielfältigen Weltbürger mit dem Wohnsitz Europa, Unterabteilung Deutschland, möchte unter diesen Bedingungen dann doch lieber Angela Merkel behalten, würde aber Angela Merkels Koalition sofort in die Wüste schicken. Ich selbst bin allerdings auch heilfroh, dass wir derzeit gar keine Wahlen haben, weder gefälschte noch ehrliche, dann muss ich mir die öffentlich-rechtlichen Koalitionsverhandlungssondierungssitzungssondermeldungen – „Seehofer soll gelächelt haben“, „Trittin und Lindner haben sich auf der Herrentoilette angeschrien“ – nicht schon wieder antun und kann stattdessen weiter wegzappen, wenn das ganze Elend der noch oder der noch nicht Regierenden per Nachrichten vorgeführt wird, oder, noch schlimmer, per Talkshow, in der ein ganzer Haufen politisch Untoter sich vor laufender Kamera selbst seziert. Ich gucke stattdessen „The Walking Dead“, Staffel 9.

Wenn ich mich davon erholt habe, dann will die eigentlich noch nicht völlig verblödete Nachrichten-Webseite des Stefan Aust – oder war es doch die von Holger Steltzner? – per Mausklick ausgerechnet von mir wissen, ob ich auf dem CDU-Vorsitz lieber Jens Spahn, Friedrich Merz oder Annegret Kramp-Karrenbauer hätte, während ich noch verzweifelt nach den beiden fehlenden Buttons für Martin Schulz und Oskar aus der Mülltonne suche. Also mache ich wieder die Glotze an und gucke „Alles was zählt“ auf RTL oder „The Voice of Germany“ auf SAT1. Da weiß ich dann wenigstens, was wirklich zählt, zum Beispiel ein schwer Herzkranker beim beherzten Sprung in einen Swimmingpool oder sein seit Tagen noch schwerer vergifteter Leibarzt auf der eigenen Intensivstation. Aber auch keiner von denen tut mir den Gefallen, endlich abzutreten, und am Ende sehe und höre ich genau deshalb lieber, wer die „Stimme Deutschlands“ ist.

Ziehen wir es durch 

Wie jetzt? Ich bin schon wieder einer von denen, die Hass und Hetze verbreiten und das Land spalten? Ja, welches Land denn eigentlich? Das ist doch jetzt alles so regenbogenbunt und vielfältig, und, wie uns gerade Theresa May lehrt, unsere Rettung kommt ganz von allein durch unser Aufgehen in Europa und der Welt! Ich muss gestehen: Auch mich überkommen orgasmisch-ozeanische Gefühle. Ziehen wir die Sache also endlich durch. Aber, bitte mit Sahne, schön föderal, entsprechend den politischen Vorlieben der einzelnen Bundesländer:

Niedersachsen, NRW, Bremen und fast ganz Hamburg kommen zu Benelux, das Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zu Frankreich, und das Ganze kann dann zusammen von einer Föderalregierung von Macron, Michel, Rutte und Juncker, wenn er im kommenden Jahr von der schweren Bürde seines jetzigen Postens frei geworden ist, regiert werden, aber selbstverständlich alles unter der Leitung von Angela Merkel.

Bayern kann inzwischen seinen Anschluss ans Reich feiern – Österreich natürlich, indem Sebastian Kurz dort einmarschiert. Ich sehe schon die Wochenschau, und wie die Schlagbäume fallen und das siegreiche Bundesheer in München vom rotweißrote Fähnchen schwenkenden Horst Seehofer empfangen wird, ganz privat natürlich, also nach dem 19. Januar 2019. Sachsen wählt auch irgendwie ziemlich rechts und kommt daher einfach wieder zu Polen. Das war unter August dem Starken auch schon mal so. PIS? – Das ist doch die Abkürzung für „Pegida in Sachsen“. 

Alsdann erinnern wir uns der Vorteile des Dreißigjährigen Krieges: Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg und Meck-Pomm wählen gern links und gehen daher direkt an die Schweden, um dort die Demokratie vor den „Schwedendemokraten“ zu retten, denn in Schweden haben die Linken, im Unterschied zu unseren eigenen Linken, die Welt schon lange gerettet, ungefähr schon seit Dag Hammarskjölds und Olof Palmes Zeiten, und brauchen gerade unsere Verstärkung.

Schleswig-Holstein geht der Einfachheit halber an Dänemark, die Landesgrenze lassen wir quer durch Hamburg südlich von Altona gehen, auch das war schon mal ungefähr so. Ich? Was ich dann mache? Wieso? – Ich ziehe natürlich in den Westerwald. Ein Teil gehört zu Hessen. Und Hessen habe ich vergessen.

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Michael Lorenz / 18.11.2018

Auch ich denke an rechtzeitiges Umziehen - je nachdem, wo die Trennlinie verläuft, nach Sachsen, Österreich- vielleicht auch Tschechien (Prag ist ein Traum!). Nur Warnung: rechtzeitig handeln. Wenn es auch der letzte Doofmichel merkt, dass er es ist, der das Licht ausmacht, sind die Grenzen schneller zu, als man ‘piep’ sagen kann. Denn so dämlich, die Grenzen für jeden Dahergelaufenen offen zu halten, wird dann nur einmal ein einziges Land in der Welt gewesen sein. Genau das, das dann auch verschwunden ist!

Hjalmar Kreutzer / 18.11.2018

Wenn Schweden dann seine überschüssigen Muselmanen nach Brandenburg entsorgt, gehe ich zu Ephraim Langstrumpf nach Takatuka-Land - oder mal eben in Frankfurt über die Oderbrücke nach Slubice. Mein altes DDR-Lehrbuch „Mowimy po polsku“, Verlag Volk und Wissen, muss noch irgendwo herumliegen. Oder ich beantrage Asyl in Chemnitz.

Dr. Gerhard Giesemann / 18.11.2018

Endlich mal ein konstruktiver Vorschlag, kein Gejammere, Abwicklung tut not, damit Ruhe sei im Kartong. Ich bin als Württemberger ohne hin Waldenser, das Kaff, aus dem ich stamme heißt Perouse, daneben liegt Pinache. Einer meiner Nachbarn heißt Vincon, ersparen Sie mir das/die Cedille (muss die Tasta noch französisieren) und sprechen Sie mir nach, auf Schwäbisch: Barruusa, Pinaasch, Wähhso, successivement.  Die sind da hängen geblieben, während die anderen (die Hugos) weiter jelatscht sind bis nach Ballin,wa? Meine Verwandten und Vorfahren im Norden, bei Goslar etc. sind aus Leyden in Holland zu jewandert, seitdem hänge ich verstärkt an der Flasche, der Leyden’schen.

Wilfried Cremer / 18.11.2018

Ich höre schon die Tschechen meckern, dass sie nichts bekommen. Ein Tunnel von Franzensbad nach Frankfurt zwecks Anbindung Hessens würde zwei Probleme auf einen Schlag lösen.

Jochen Brühl / 18.11.2018

Das wäre dann der Wunschtraum von Denis Yücel. Ich ziehe vorher nach Sachsen oder Schleswig Holstein.

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