Wolfgang Röhl / 17.02.2008 / 23:19 / 0 / Seite ausdrucken

Mein privater Öko-Brüller

Sobald Trendthemen wie Arbeitslosigkeit, Klimakollaps oder Neonazis im öffentlich-rechtlichen Fernsehen derart brachial durchgenudelt wurden, dass selbst die dort wirkenden Verantwortlichen irgendwann Frust und Ennui packen, schlägt unvermeidlich die Stunde der Deppen-Sender. Die wärmen den vorgekauten Problem-Brei einfach noch mal auf, aber mit noch schlechteren Darstellern und einem noch einfältigeren Drehbuch. Sat 1 (zur Erinnerung: das ist die Anstalt, die vor Jahren beim so genannten Kanzlerduell Schröder vs Stoiber nicht mal in der Lage war, einen moderierenden Stichwortgeber aus dem eigenen Personal zu stellen, weshalb sie sich einen bei einem Nachrichtensender ausleihen musste), dieser Volltrottelverein also strahlt morgen einen „Öko-Thriller“ aus, welcher auf der nach unten offenen Niveauskala einen neuerlichen Rekord setzt. In „Die Hitzewelle“ drehen skrupellose Industrielle (AKW-Betreiber, natürlich!) den Menschen im Ruhrpott das im Laufe eines heißen Sommers (global warming, of course!!) knapp gewordene Trinkwasser ab…

Eine tapfere blonde Hydrologin, die wie eine Avon-Beraterin auf Crack spielt, muss alle Register ziehen, um kranke Kinder (!!!) vor dem Verdursten zu retten.

Der übliche Käse mithin, aber einer, der mit enormem Sendungsbewusstsein vermarktet wird. Der Fernsehbeilage des stern verdanken wir hinreißende Einblicke in den Alltag hinter der Kamera. Die Darsteller reisten öko-korrekt mit der Bahn zum Drehort. Andere Transporte wurden mit Hybridfahrzeugen bewältigt, das Catering verzichtete auf die üblichen Plastikbestecke und statt Papp- wurden Porzellanbecher gereicht. Kurz, es war, als drehte eine Greenpeace-Crew einen Agitpropfilm für Gesamtschüler in Hessen-Süd.

Hauptdarstellerin Susanna Simon (stern-tv-magazin: „Das Denken in globalen Zusammenhängen wurde ihr gleichsam in die Wiege gelegt, wuchs sie doch bei den Großeltern in Alma-Ata auf“) benutzt seit den Dreharbeiten „die Rückseiten alter Drehbücher als Notizzettel“, hat ihren Müllverbrauch reduziert und ist „dadurch auch glücklicher“, wie sie sagt. Ihr Kollege Johannes Brandrup dreht jetzt beim Zähneputzen den Wasserhahn ab. Die Erde dankt. Und der Regisseur der Plotte, ein Ivo-Alexander Beck, möchte, dass sich auch Menschen über die Umwelt Gedanken machen, die nicht Al Gores „Eine unbequeme Wahrheit“ gesehen haben. Weshalb er praktischerweise beim Prekariatsfernsehen gelandet ist.

Beck droht mit weiteren „Öko-Thrillern“, weil Öko „das Thema des 21. Jahrhunderts“ sei. Paradoxerweise hofft der grüne Filmer auf viel Hitze bei den Dreharbeiten, weil er dann „am Filmset noch stärker auf Solarenergie setzen“ kann (stern tv magazin). Dabei hat er in Sachen Energieeinsparung das Soll ja schon übererfüllt. Er und das komplette Team hatten, wie man seinem Öko-Brüller unschwer anmerkt, beim Dreh sämtliche Gehirnströme abgeschaltet (Die Hitzewelle, Di., 19.2., Sat 1, 20.15 Uhr)

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