Thilo Schneider / 02.09.2018 / 12:00 / Foto: Timo Raab / 20 / Seite ausdrucken

Mein Name ist Schneider, ich komme aus Kairo

Neulich war ich in Ägypten im Urlaub. Das alleine ist keine Sensation, schließlich waren schon viele Leute in Ägypten Im Urlaub, seit Moses Pauschalausreisen aus dem Land der Pharaonen organisiert hat. Aber ich wurde, mitten im Urlaub, Opfer von #metwo. Sozusagen. Aber ich habe das auch provoziert. Das war so: Ich lag mit der besten Gefährtin von Allen am Pool, als die jungen Burschen auf den Nachbarliegen wohl mitbekamen, dass wir uns auf Deutsch unterhalten. Einer der Gruppe sprach mich daraufhin an, ob ich kurz Feuer für seine Zigarette hätte, und dann eröffnete er mir ungefragt, dass er mit seinen Kumpels aus Gelsenkirchen hier wäre. Und dann stellte er mir diese eine Frage, die Menschen mit Migrationshintergrund ja oft, viel zu oft, zu hören bekommen: „Woher kommst du?“ (Er wählte die Du-Form, weil wir Pauschal-Urlauber ja alle eine große Familie sind…)   

Ich sah ihn an. Er und seine Jungs hatten eine recht dunkle Hautfarbe, die keinesfalls nur vom Rollen unter der afrikanischen Sonne kommen konnte und er hatte einen leichten orientalischen Akzent. Und einen rheinländischen Akzent, was in der Mischung irgendwie drollig klang. „In einem Polizeibericht würde „südländisches Aussehen“ stehen“, dachte ich mir. 

Also antwortete ich: „Aus Kairo“. 

Mahmut, so stellte er sich vor, grinste. „Nein“, meinte er, woher ich aus Deutschland käme, und ich antwortete spontan und ohne nachzudenken: „Ich komme nicht aus Deutschland“. Das war glatt gelogen, aber ich war neugierig, was passieren würde. Mahmut sah mich an und überlegte: „Dann kommst Du aus Österreich“, tippte er. „Nein“, antwortete ich, „ich bin Ägypter. Aus Kairo.“ Mahmut sah mich von oben bis unten an. „Du siehst gar nicht aus wie ein Ägypter“, stellte er überrascht und mit einem Gesichtsausdruck fest, als hätte ich ihm erklärt, dass soeben Kühe über seinen Kopf fliegen. Er musterte mich und sah einen etwas dicklichen älteren Herren mit einer peinlich weißen Hautfarbe und grauen Strähnen im schütter werdenden Haar. Aber mit einer heißen Blondine neben sich, die jetzt leise vor sich hin kicherte. Dann grinste Mahmut. „Komm, du bist Deutscher“, schlug er erneut vor.

Ich sah Mahmut durch seine Sonnenbrille direkt in die Augen. „Woher willst du das wissen?“, fragte ich. „Du sprichst fließend Deutsch, du bist weiß, also bist du Deutscher“, folgerte er messerscharf, und dann wollte er wissen, wie ich heiße. Ich nannte ihm meinen Namen. „Das ist aber sowas von einem deutschen Namen, Alter“, verkündete er triumphierend und bestätigte sich dann noch einmal: „Du bist Deutscher.“ Ich hielt seinem Blick stand. „Nein, ich bin Ägypter“ beharrte ich. „Du siehst aber nicht aus wie ein Ägypter“, hielt er tapfer dagegen. Und ließ mich an seinen Gedanken abermals teilhalben: „Du siehst nicht aus wie ein Ägypter, du heißt nicht wie ein Ägypter und du sprichst Deutsch. Also bist du Deutscher!“ „Ich laufe auch nicht wie ein Ägypter“, gab ich lächelnd zurück, und dann schnappte die Falle zu: „Wie sieht denn deiner Meinung nach ein Ägypter aus?“ Mahmut runzelte die gebräunte Stirn über der Sonnenbrille. „Der ist ziemlich klein und braun und spricht kein Deutsch und heißt mit Nachnamen sicher nicht Schneider, sondern Hassan oder so“, teilte er mir mit.

Ich nickte mit dem Kopf: „Mhmm. Ganz schön rassistisch. Warum soll es keine Ägypter mit deutschen Namen geben, die weiß sind und Deutsch sprechen? Alleine Kairo hat eineinhalb mal so viele Einwohner wie komplett Hessen mit Frankfurt und Offenbach, und da willst du jetzt sagen, dass es völlig ausgeschlossen ist, einen weißen Ägypter mit guten Deutschkenntnissen zu treffen?“ Mahmut kratzte sich am Kopf: „Aber warum sprichst du als Ägypter so gut Deutsch und hast so einen deutschen Nachnamen?“ „Mein Großvater war Handelsattache der deutschen Handelskammer in Kairo, bis die Nazis die Macht ergriffen, und da sind er und mein Vater seinerzeit in Kairo hängengeblieben“, log ich, ohne rot oder braun zu werden. Mahmut war irritiert: „Bist du ein Jude?“ „Nein“, antwortete ich und bildete mir ein, einen kleinen erleichterten Seufzer von ihm zu hören. „Aber ich werde dir das jetzt nicht nachweisen“, setzte ich hinzu und ließ das Gummiband meiner Badehose schnalzen, „aber was wäre, wenn ich es wäre?“ Mahmut sah nachdenklich durch mich hindurch. „Juden sind nicht gut“, sagte er wie in Trance.  

Dann lächelte er. „Aber das kenne ich! Meine Eltern kamen in den 70ern aus dem Libanon nach Deutschland und deswegen bin ich Deutscher, habe aber auch noch den libanesischen Pass!“, erklärte er mir stolz. Dann gab er mir einen Klaps auf den linken Oberarm, wie einem guten Freund. „Vermisst du Deutschland oder willst du dahin wieder zurück?“, wollte er wissen. „Nein, ich war ja noch nie dort. Scheint da auch ziemlich viel los zu sein, wie ich von anderen Reisenden so manchmal höre…“, entgegnete ich. „Stimmt“, gab Mahmut zurück. „Viele Ausländer und Flüchtlinge“, stellte er fest. „Deswegen mache ich lieber Urlaub in meinem Land“, erwiderte ich. „Und die Touris fahren ja auch wieder heim“, ergänzte er. „Und wie ist es in Deutschland mit der Ausländerfeindlichkeit?“, wollte ich wissen. Mahmut winkte ab. „Quatsch. Es ist völlig normal, dass die Leute fragen, woher man kommt, wenn man ein wenig anders als erwartet aussieht. Ich hätte ja auch nicht geglaubt, dass du Ägypter bist…“, fügte er hinzu. 

Meine Gefährtin rührte sich auf der Nachbarliege und mimte grinsend die Österreicherin: „Du, I dad a weng jetzt an Mittogessn gehn, mogst a mit mit dein neichen Freind?“ Mahmut strahlte. „Sie ist aber Österreicherin!“, freute er sich über seine Erkenntnis. „Mahmut“, sagte ich und klopfte ihm auf die Schulter, „Du musst noch viel lernen. Sie ist Südafrikanerin, aber in Österreich aufgewachsen und in die Schule gegangen und jetzt Afrikakorrespondentin für das österreichische Fernsehen. Du bist voller Vorurteile und rassistischer Stereotypen.“ 

Und jetzt sah Mahmut endlich Rinder über seinen Kopf fliegen. Wenn man seinem erstaunten Gesichtsausdruck glauben durfte. Die beste Gefährtin und ich gingen ins Restaurant und bestellten uns ein exotisches ausländisches Gericht: Sauerbraten mit Klößen, ägyptische Art. Im Urlaub kann man ja ruhig mal etwas Fremdes probieren.     

Foto: Timo Raab

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Ratlosigkeit / 02.09.2018

Grandios. Lauthals gelacht. Das ist von valentinesker Qualität. Oder ist es die Wirklichkeit?

B.Kröger / 02.09.2018

Ach, Herr Schneider, glauben Sie nur nicht, dass unsere Gutmenschen das kapieren…

Renate Weiß / 02.09.2018

Großartig - ganz herzlichen Dank für diesen köstlichen Text! Mir ist momentan mein Humor derart abhanden gekommen, dass ich mich sehr, sehr freue, mein Lachen wieder zu haben.

Udo Kemmerling / 02.09.2018

“Der Humor in den Zeiten der Katharina Barley.” Titel des neuen Buches von Thilo Garcia Marquez.

Bernd Diefenbach / 02.09.2018

Weltklasse!

Michael Jansen / 02.09.2018

Na hör’n Sie mal Herr Schneider! Wie kann man denn so fies sein, unsere links-grünen deutschen Rassismus-Betroffenheitsfanatiker so zu verscheißern, ganz egal ob die Geschichte nun echt ist oder nur gut erfunden? Es ist doch erschreckend, wenn man bewundern kann, wie ganz alltägliche soziale Vorgänge, wie das Interesse für die Herkunft eines Menschen, der optisch nun mal nicht unbedingt als gebürtiger Deutscher einzuordnen ist, gleich als rassistischer Übergriff gewertet wird (natürlich nur in Deutschland und von Deutschen). Dies alles geschieht in Wahrheit natürlich nur deshalb, damit die Anklagenden sich selbst moralisch überhöhen können und sich versichern können, auf der richtigen, guten Seite zu stehen und “Haltung” zu zeigen. Dabei stellt es wohl eher ein intellektuelles Armutszeugnis aus, wenn man ein “Sag mal, wo kommst du eigentlich her?”, gefragt von einem ganz normalen Mitbürger, nicht von einem Nazispruch wie “Was willst du Kanake denn hier?” unterscheiden kann und beides in die gleiche rechte Ecke stellt. Aber Differenzierung war in den Kreisen bekanntlich noch nie sonderlich gängig, das könnte schließlich das Denken zu beschwerlich gestalten.

Marc Jenal / 02.09.2018

Nette Geschichte, egal ob erfunden oder wahr. Meistens zeigen erst solche Rollenwechsel bzw. die umgekehrten Rollenverhältnisse das tatsächliche Ausmass der politischen Korrektheit bzw. Verrücktheit, Absurdität und Schräglage der “Europäer”. Ob nun in Bezug auf Geschlechterverhältnisse oder wie hier bezogen auf Nationalitäten und Herkunft/Vorfahren. Viele “Europäer”, die sich nicht für rassistisch halten, denken in diesen Kategorien, stellen an sich selbst völlig andere Ansprüche, als an spezifisch gewählte Gruppen von Zuwanderern. Diese Haltung ist zu tiefst rassistisch auch wenn es gut gemeint ist. Dafür wird jegliche Logik über Bord geworfen, selbst von an sich sonst intelligenten, vernunftbegabten Leuten. Auf die Spitze getrieben ermöglicht diese Haltung, völlig absurde Situationen. Nicht rassistische Leute, die an Menschen anderer Herkunft erfüllbare, ähnliche Massstäbe ansetzen wollen werden als rassistisch beschimpft von rassistischen Leuten, die an Menschen spezifisch anderer Herkunft andere, sehr tiefe Massstäbe ansetzen, von sich selbst aber behaupten sie wären keine Rassisten. Konkret auf Deutschland bezogen, müssten eigentlich als rechts bezeichnete Parteien gegen den alltäglichen Rassismus vieler sich als nicht rechts Bezeichnenden kämpfen (insbesondere das übertriebene Messen mit 2 Mass) und dies auch laut und deutlich formulieren. Ich wundere mich, warum dies nicht gemacht wird.

Sabine Drewes / 02.09.2018

Einfach nur irre köstlich! Aus dieser Perspektive kann jeder sehen, der nur sehen will, wie verlogen das ganze rassistische Geschwafel hierzulande ist, wenn man jemanden nach seiner Herkunft fragt.

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