Henryk M. Broder / 13.12.2018 / 11:00 / Foto: euranet_plus / 83 / Seite ausdrucken

Mein Name ist Elmar, und ich lasse die Terroristen nicht gewinnen

Eine der bräsigsten und seifigsten Gestalten, welche die deutsche Politik seit Erich Mende hervorgebracht hat, ist der CDU-Politiker Elmar Brok. Er gehört seit 1980 ununterbrochen dem Europäischen Parlament an und ist damit das dienstälteste Mitglied eines Hohen Hauses, das wie ein Wanderzirkus zwischen Brüssel und Straßburg pendelt, tausende von Marketendern und Marketenderinnen in seinem Gefolge.

Nach fast 40 Jahren als Berufspolitiker ergeht es Brok so wie Luis Trenker, der seit seinem ersten Film Berg des Schicksals immer nur Bergsteiger und Bergführer spielen musste, bis er nicht mehr zwischen seinem Leben und seinen Rollen unterscheiden konnte. Die Liste der Ämter, die Brok innehatte oder noch innehat, ist lang. Beinahe ebenso lang ist das Verzeichnis der Ehrungen, die ihm zuteil wurden, wobei der Pfeifenraucher des Jahres ihm am ehesten gerecht wurde.

Er sei, so hört man es immer wieder, "einer der einflussreichsten Politiker" des Europäischen Parlaments, eine Behauptung, die ebenso belegt ist wie die, dass es ein Leben nach dem Tode gibt. Jedenfalls ist er einer der präsentesten – oder sagt man meistpräsenten? – Angehörigen der Brüssel-Straßburger Nomenklatura, über die schon  William Shakespeare vor über 400 Jahren eine wunderbare Komödie geschrieben hat. 

So war es nur eine Frage von Stunden, bis Brok die Gelegenheit bekam, zum Attentat von Straßburg Stellung zu nehmen, in seiner Eigenschaft als Überlebender. Zum Zeitpunkt des Anschlags, erzählte er im DLF, sei er noch "im Parlament gewesen". Es war ein ganz normaler Tag mit einem unerwarteten Ausklang: 

"Wir hatten Debatte weiterhin, bis spät in den Abend, und hörten dann, was passiert ist und dass das Parlament abgeschlossen ist, dass wir nicht mehr das Parlament verlassen durften. Wir haben uns dann im Parlament bis spät in die Nacht aufgehalten und konnten dann schließlich weit nach Mitternacht erst auf eigenes Risiko das Parlament verlassen und zu unseren Hotels gehen. In der Innenstadt war sogar der Zugang höchst problematisch und wurde nur möglich durch Polizei, die die Kollegen dann in die Hotels gebracht haben".

Auf eigenes Risiko

Das ist ein Punkt, der in der Berichterstattung zu kurz gekommen ist. Der Attentäter hatte es offenbar auf die Abgeordneten abgesehen, die sich bis spät in die Nacht im Parlament aufhalten mussten und die Festung erst weit nach Mitternacht und nur auf eigenes Risiko verlassen konnten, derweil das Les Plaisirs Gourmands längst geschlossen hatte. 

Auf die Frage, ob und wie der Anschlag sein "persönliches Sicherheitsgefühl" verändert habe, antwortete Brok: Ich glaube, man muss auch zur Tagesordnung ein Stückchen übergehen, weil man sonst das nicht erträglich findet. Wenn man das als ständige Bedrohung betrachtet, dann ist Leben, glaube ich, nicht möglich und dann haben die Attentäter auch gewonnen. Deswegen werde er um neun Uhr im Parlament wieder sein, wie vorgesehen. Denn: Wenn wir das anders machten, hätte ja der Terrorismus gewonnen. Gerade wir Politiker müssen doch zeigen, dass wir dann das normale Leben weiterführen und uns durch diese Terroristen nicht das Leben vergraulen lassen.

So viel Zivilcourage hätte man dem Pfeifenraucher des Jahres nicht zugetraut. Die erste Pflicht eines Europa-Abgeordneten ist es, nach einem Terroranschlag das normale Leben weiter zu führen, als wäre kein Terroranschlag passiert, und sich das Leben nicht vergraulen zu lassen. Das ist vorbildlich! Daran sollten sich die Feiglinge aller Couleur ein Beispiel nehmen, die noch nicht begriffen haben, dass man ein Stückchen zur Tagesordnung übergehen muss und die Abgeordneten in ihrem heroischen Kampf gegen den Terror nicht alleinlassen darf. Weder in Brüssel noch im Straßburg, nicht einmal in Bielefeld-Heepen. 

Herr Ober, noch eine Runde Chateau Cheval Blanc für alle! Und die Rechnung an das Büro Brok, Allée du Printemps, B.P. 1024, F-67070 - Strasbourg Cedex, France.

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Marc Blenk / 13.12.2018

Lieber Herr Broder, was hätten sich die Jungs von Monty Python diebisch gefreut über so viel Material, dass ihnen heutzutage durch Wortmeldungen von EU - und Bundespolitikern zur Lage der westlichen Zivilisation so offenherzig dargeboten wird. Ganz sine pecunia. Unverbaute Einblicke in die wunderbare Welt der Schwerkraft.

Nathalie Nev / 13.12.2018

Auf eigenes Risiko mit und von der Polizei geschuetzt ins Hotel gebracht. Welch prachtvolle Leistung !

Uta Buhr / 13.12.2018

Das Bild dieses heroischen Wächters über europäische Werte sagt mehr als 10.000 Worte. Eigentlich sollte man diesem Brok noch den Titel des “lächerlichsten Europa-Abgeordneten des Jahres” verleihen. Worthülsen über Worthülsen ohne Sinn und Verstand. Wird man eigentlich in der EU für derartigen Schwachsinn so üppig alimentiert? Bei aller Kritik - Zivilcourage kann man diesem dienstältesten Absahner nicht absprechen. Immerhin hat er heldenhaft bis weit über Mitternacht im Parlament ausgeharrt, bis er das Hohe Haus auf “eigenes Risiko” - also unter Einsatz von Leib und Leben - verlassen konnte. Und dies sicherlich in einer gepanzerten Limousine! Wie schön, Herr Brok, dass Sie wieder im “normalen” Leben angekommen sind und den Terroristen den Stinkefinger zeigen. Nein, die sollen sich nicht als Sieger fühlen und schon gar nicht auf die Idee kommen, dass WIR uns von ihnen einschüchtern lassen.  Schrieben wir heute den 1. April statt des 13. Dezember hätte ich diesen Artikel doch glatt für Satire gehalten.

Matthias Braun / 13.12.2018

” Held sein, eine Minute, eine Stunde lang, das ist leichter als in stillem Heroismus den Alltag tragen. Nehmt es nur auf euch, das Leben in diesem grauen, eintönigen Alltag, dieses Wirken, für das euch niemand lobt, dessen Heldentum niemand bemerkt, das in niemandem Interesse für euch erweckt; wer diesen grauen Alltag erträgt und dennoch dabei Mensch bleibt, der ist wahrhaft ein Held.” Fjodor Michailowitsch Dostojewski

M.Schaletzki / 13.12.2018

Hut ab…...40Jahre Zecke im Pelz des Steuerzahlers. Ich persönlich habe von diesem Mann noch nie was gehört, geschweige irgendeine Tat (zum Wohle des Volkes) von ihm bemerkt. Na ja, den Namen habe ich mir auf meine Liste gesetzt…..man weiß ja nie…man sieht sich immer zweimal im Leben !

Heidi Hronek / 13.12.2018

Uns Normalbürgern bleibt ja auch nur solcher Sarkasmus, um diese Lichtgestalten ertragen zu können. Ich möchte aber schon noch gerne erleben, dass sich die Polizei einmal weigert, diese hochgeistigen EU-beamten zu schützen. Also bitte dem nächsten Goldstück mit Pistole nicht in den Weg stellen, falls er ins EU-Parlament möchte.  Die Unterwäsche der Helden dann aber vor das Fenster hängen.

Michael Lorenz / 13.12.2018

” … wobei der Pfeifenraucher des Jahres ihm am ehesten gerecht wurde.” Und ließe man das “nraucher” weg, wäre es sogar ein Volltreffer!

B.Klingemann / 13.12.2018

Brok, der Euro-Held von Straßburg! In dem Interview sagt er (wie auch viele andere Verblendete), dass man in modernen Gesellschaften mit solchen Anschlägen leben müsse. Das denke ich nicht. Wenn man dem Islam als Triebfeder benennt und diese Anschläge, diese Morde und diese Menschen ächtet, weiß man, was man bekämpfen muss, damit es nicht zur Regelmäßigkeit wird. In Polen, Ungarn oder Tschechien gibt es diese Form der Anschläge nicht. Andersherum: Wenn ich in der Türkei oder in Saudi Arabien einen christlich motivierten Anschlag verüben würde, wüsste ich ungefähr was mir blüht. Und das wäre keine Taxifahrt durch Europa. Und auch keine brokschen Abmilderungsfloskeln.

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