Wolfgang Röhl / 02.06.2008 / 21:41 / 0 / Seite ausdrucken

Mein liebstes Desinfo-Radio. Laudatio zum Zehnten

Liebes NDR-Inforadio,

du bist heute zehn Jahre alt geworden. Glückwunsch! sage ich, obwohl das natürlich überflüssig ist, denn du feierst dich ja schon den ganzen Tag lang selber. Schließlich bist du ein ARD-Sender, und unter Bescheidenheit leidet ihr Zwangsgebührenfunker zuletzt. Trotzdem will ich dir melden, dass du mein Leben bereichert hast, auf vielen langen Autofahrten ins Büro. Nie hast du mir den geringsten Anlass gegeben, meine solide gewachsenen Vorurteile zu überdenken. Nämlich die, dass die ARD zu ihrem größten Teil ein krass tendenziöser Haufen ist, angetreten und konstituiert, uns Hörer von früh bis spät mit einer Weltsicht zuzutexten, wie sie bei der SPD, den Grünen, den Gewerkschaften und – neuerdings aber hallo! – der SED-Nachfolgepartei herrscht (wie immer sich Letztere gerade nennt, komme da kaum noch mit)...

Dein Kosmos, liebes NDR-Inforadio, ist einfach und klar. Fiese Amerikaner wollen den Rest der Welt wirtschaftlich kolonisieren und kulturell verblöden. Ihre Umtriebe zwingen andere oft, ziemlich hässliche Dinge zu tun, die man, äh, nicht direkt entschuldigen, aber gut erklären, wenn nicht gar verstehen kann. Über den Großen Satan in Washington und seinen kleinen Gehilfen in…(du weißt schon, wo, hihi) hast du uns immer wieder aufgeklärt, ihre Machenschaften gebrandmarkt, sie zur Ein- und Umkehr aufgerufen. Dass der Islam eigentlich nur den Frieden will, wenn man ihn nur ließe, und dass beispielsweise die Jungs in Palästina so verzweifelt sind, dass sie gar nicht anders können, als Raketen auf ihre Nachbarn zu lenken – wer hätte uns das besser vermittelt in all den Jahren als du, NDR-Inforadio. Ein einziger Satz aus dem fabelhaften Film „Z“ (1968) umschreibt dein außenpolitisches Berichten: „Die Amerikaner stecken immer hinter allem, auch wenn man es nicht merkt“. Schade nur, dass du nicht gemerkt hast, dass dieser Satz ironisch gemeint war.

Ironie ist deine (etwas unglückliche) Liebe. Regelmäßig sendest du auch so genannte Satire. Da werden O-Ton-Schnipsel aus eurem Archiv zusammengerührt und von einem superlustigen Redakteur mit kregler Schmunzelstimme kurzkommentiert. Der „Buschi“ und die „Angela“ haben da Hauptrollen, in denen sie echt alt aussehen. Ganz großes Schülertheater, ey!

Was unser kleines Land betrifft, so sind die Rollen für dich auch da klar verteilt. Die Armut ist groß, besonders die Kinderarmut. Das liegt an den Heuschrecken und den Neoliberalen, die den Hals nicht voll kriegen können. Viele Menschen können kaum überleben und kriegen auch praktisch nichts vom Staat - manche Familien haben schon Mitte des Monats kaum noch Geld, die Handy-Karten ihrer Kinder aufzuladen! Besonnene Gewerkschafter wollen das ändern und erhalten viel Sendezeit, das Wie en Detail zu erklären. Sogar die Gewerkschaft GDL, die Böswillige eine kleine, aber radikale Erpresserbande nennen, kommt bei dir prima rum. Da du ein Staatssender bist, liebes NDR-Inforadio, müssen deine Redakteure natürlich ab und zu pro forma das Statement eines Unionsmenschen oder gar eines „Arbeitgeber“-Vertreters (har, har!) einspielen. Das schneidet ihr dann aber so clever zu, dass deren Einlassungen immer irgendwie defensiv, ja bescheuert klingen. Selber schuld, mögt ihr denken, wenn die sich auf euch einlassen. Ohne darauf zu bestehen, mal anderthalb Sätze Kontext zu reden, ununterbrochen von einer eurer echt toll dreisten Moderatorinnen. Recht habt ihr! Sollen die sich doch in der „Welt“ oder im „Focus“ ausmähren! Pressefreiheit ist die Freiheit 85 ARD-Hörfunksendern, ihre Meinung zu verbreiten, soll ein gewisser Paul Sethe mal gesagt haben. Oder so ähnlich.

Keinen Fußbreit Senderaum gibt es für Faschisten und Klima-Leugner. Faschos sind in eurem Duktus meistens „Rechte“; ihre Gewalt ist dementsprechend „rechte Gewalt“. Womit klar ist, dass sie praktisch der verlängerte Arm des bürgerlichen Lagers sind. Faschos stecken unter jedem Sofa, und wo ihre Taten ruchbar werden, seid ihr mit mindestens drei Ü-Wagen dabei. Stellt sich mal heraus, dass ein Kind einfach in einem Schwimmbad ertrunken ist oder ein schwieriges Mädel sich selber Hakenkreuze in die Haut geritzt hat – kurz gemeldet und Schwamm drüber. Man kann doch gar nicht genug warnen und mahnen, oder?

Erst recht gilt das für die Klimakatastrophe. DIE ist euer Ding, aber wie! Kein Tag, an dem nicht unerhörte Bedrohungen über euren Sender laufen. „Skeptiker“, die manches etwas anders sehen als der Chefapokalyptiker in Potsdam, brauchen gar nicht erst den Wecker auf sechs Uhr früh stellen. Ihr ruft die garantiert nicht an! Ganze Stäbe in eurer kuscheligen Anstalt müssen nur damit beschäftigt sein, immer neue schwerst betroffene Klimafolgenforscher aufzutreiben, die worst-case-scenarios hinaus posaunen, als schrieben sie Drehbücher für Emmerich & Co. Dass Medien, die sich verkaufen müssen, damit letzthin etwas zurück haltender wurden (Klimapanikmache hat sich als Quoten- und Kioskgift entpuppt), muss euch nicht stören. Ihr lebt ja von unseren Gebühren, und eure stattliche Rente ist gesichert. Wenn sich die Chose dereinst als irre Übertreibung heraus stellen sollte, ähnlich einer Hysterie der 80er (Aids in Deutschland, alles wird „durchseucht“, remember?)  – wer, bitte, könnte euch schon an die Eier kriegen. Ihr seid dann in einem nicht so schlechten Altenheim. Oder tot. Beides jedenfalls mit grundgutem Gewissen.

Vorerst noch ein langes Leben, liebes NDR-Inforadio! Du bist seit zehn Jahren mein Leuchtturm in einer schwer durchschaubaren Welt. Ich werde ja älter, nehme nicht mehr an jeder Debatte teil. Weiß aber: was du hoch jazzt,  ist garantiert suspekt. Und vice versa. Bis hierher vielen Dank.


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