Fragen über Fragen, die sich zu Beginn einer neuen Regierungs-Episode stellen. Antworten können Spuren von Ironie enthalten. Fangen wir an:
Kann sich die Demokratie durch den ständigen Ausbau des Wohlfahrtsstaates selber vernichten?
Auf keinen Fall, weil niemand, weder die liberalen Ökonomen noch die linken Politiker, diese Möglichkeit in Erwägung zieht, und weil in Deutschland der eiserne Grundsatz gilt: Was nicht sein darf, kann auch nicht sein. Bekanntermaßen hatte dies der 9. November 1989 glasklar bewiesen. Noch niemals in der Geschichte gelangte das Undenkbare zur Wirklichkeit! Stets waren Zufälle keine Zufälle, weil voraussehbar, außerdem dominiert lineares Denken. Der Beweis: Ständig ist die Staatsquote angestiegen, inzwischen in fast allen größeren westlichen Staaten auf über 50 Prozent und zugleich die Verschuldung über 100 Prozent (Deutschland: 70 Prozent). Und, ist ein Staat davon zusammengebrochen? Na also! Noch niemals haben populistische Strömungen mit Forderungen einer exzessiven Ausdehnung der Sozialleistungen die Wirtschaft überfordert oder gar in Richtung einer tiefgehenden Wirtschaftskrise treiben können. Es lassen sich überhaupt keine konkreten Umstände für eine neue Diktatur denken, und was nicht denkbar ist, kann auch nicht geschehen!
Muss sich die Demokratie und die kapitalistische Wirtschaftsform neu erfinden, um zu überleben?
Ja, unbedingt, wenngleich die Richtung in dickem Nebel verschwindet. Aber Reformen aus historischer Erfahrung schon einmal nicht, denn was haben die sozialdemokratischen Reformen Deutschland gebracht, die Noske, Scheidemann und Ebert? Bitte nicht weiter argumentieren, wir wissen es! Und Und auch all diese kruden Vorstellungen von mehr direkter Demokratie; in Berlin zum Teil verwirklicht, und, hat es geholfen? Und die Antimonopolgesetze und die Mitbestimmung? Haben diese die unanständige Anzahl von zehn verschiedenen Marken unter dem VW-Dach und den Abgasskandal verhindert? Na also! Immer wieder wird behauptet, die Anzahl der demokratisch regierten Staaten habe erheblich zugenommen und die weltweite Armut sei enorm zurückgegangen; wird schon so sein, aber was ist mit der Klimakatastrophe, die doch wohl nicht von sozialistischen Staaten wie Kuba oder Nordkorea stammt? Was ist mit der Verschuldung Afrikas und Südamerikas, die doch wohl nichts mit Russland zu tun hat?! Wir müssen Demokratie und Marktwirtschaft nicht unbedingt abschaffen, aber wir müssen sie radikal neu denken, nicht als Reform und nicht als Revolution, dieses Gegensatzpaar ist unmodern so wie eben auch rechts und links, oder war es links vor rechts, allerdings würde dann „Im Zweifel links“ auch wegfallen.
Den Raubtierkapitalismus haben wir noch, behaupten seine Gegner; zugleich haben wir den Wohlfahrtskapitalismus, wird von seinen Anhängern beteuert. Den real existierenden Sozialismus hatten wir schon. Ist jedoch umstritten, das sei nicht der richtige Sozialismus gewesen; den demokratischen Sozialismus sollen wir erst noch bekommen, das soll dann der richtige Sozialismus werden, meinen seine Propheten, aber diese singen in einem vielstimmigen Chor durcheinander, also über diesen neuen Sozialismus weiß niemand nichts Genaues, aber das wissen alle ganz bestimmt. Und was ist mit der Freiheit? Das ist die Kardinalfrage, denn existent ist diese bisher nur in Demokratie und Marktwirtschaft, aber immer nur einer Variante nachzuhängen, ist auf die Dauer vielleicht auch langweilig, aber nicht lebensgefährlich.
Wie könnte China ohne Gesichtsverlust um einen Krieg herumkommen?
Diese Frage ist essenziell, aber dem steht eine andere Frage gegenüber: Welche Auswirkungen hätte ein Gesichtsverlust der Freien Welt für die Freie Welt? In meiner Jugend wurde eifrig die kleine rote Mao-Bibel studiert. Heute nicht mehr. Das ist ein realer Verlust. Heute glauben die deutschen Politiker tief und innig an die Wirkung der Diplomatie. Mao hatte die Gewehrläufe gemeint. Die Ursünde bestand vor 50 Jahren darin, dass der Westen China in die UNO aufgenommen hat und Taiwan als Entgegenkommen für die Rückkehr Chinas in die Weltpolitik schnöde fallen ließ. Und nun ist die Kacke am Dampfen. Nicht nur für Taiwan, auch für Indien, Japan, Philippinen und Vietnam; weitere Staaten stehen auf der chinesischen Warteliste. Ob nicht vielleicht so ein klitzekleiner Krieg helfen könnte, wie Ende der 30er Jahre der „Grenzzwischenfall“ in der Mongolei zwischen der UdSSR und Japan? Aber damals gab es noch keine Atomwaffen. Vielleicht doch besser die Finger davon lassen, aber wissen wir es denn tatsächlich so genau, ob der Westen so etwas ausprobieren oder sich lieber in Diplomatie wiegen wird? Wissen wir auch nicht.
Oder lässt der Westen es auf einen zufälligen Ausbruch ankommen, um dann zu reagieren, oder lässt sich China von der Drohkulisse westlichen Staaten abschrecken? Gleichfalls unbekannt. Sollen wir jetzt in Deutschland nicht besser Atombunker bauen? Keine schlechte Idee, bis der Krieg kommen würde (man beachte den Konjunktiv!), könnten wir darin Champignons züchten und somit importunabhängiger werden. Auch schlecht, wir sind ja schon Exportweltmeister und ohne Import von Dosenpilzen würden wir es noch mehr sein. Am besten fleißig alle unsere Elektroautos in China bauen lassen, wie VW es verlauten lässt, wenn nämlich die Absatzprognosen nicht eintreffen sollten, würden die Chinesen darauf sitzen bleiben und freundlicher zu uns werden. Oder? Immer diese besch… Fragen!
Kann die Uneinheitlichkeit des Westens gegenüber dem Islam, China und Russland zu seinem Untergang führen?
Theoretisch durchaus, die Geschichte kennt keine Ausschließlichkeiten, aber auch keine Vorherbestimmung. Praktisch aber kaum, weil der Islam einfach eine friedliebende Religion ist, wie die deutschen Bischöfe beider Konfessionen unentwegt bestätigen, oder können sich alle Bischöfe irren? Na also! Und ebenso haben auch China und Russland gar kein Interesse an einem Zusammenbruch des Westens, wer sonst sollte ihnen dann Gas und Konsumgüter abkaufen? Afrika und Kuba sehr gern, aber nur geschenkt, denn Geld ist ja so etwas von altertümlich, dass es bei uns ernsthafte Bestrebungen gibt, es wenigstens schon einmal in barer Form abzuschaffen; aber ob die Chinesen ohne Hintersinnigkeit etwas verschenken werden? Zweifel daran sind nicht unberechtigt. Immerhin wissen wir, dass das Schicksal der Völker nicht aus Eindimensionalitäten besteht, und dazu gehört der Umstand, dass unsere Spitzenpolitiker allesamt nur auf Zeit gewählt werden, indessen Xi und Putin nicht, wenn also Xi clever wäre, würde er einigen deutschen Politikern, ich nenne absichtlich keine Namen, eine Villa in der Schweiz spendieren oder Putin auf der heimgeholten Krim gleich ein exklusives Ressort? Ihre verheerenden politischen Entscheidungen würden sie dann persönlich nicht ganz so arg treffen. Können Sie sich noch erinnern, was aus den französischen und britischen Appeasement-Politikern von 1938 nach dem 1.9.1939 geworden ist? Der eine starb zwei Jahre später, den anderen steckte Hitler in Festungshaft, aber wenigstens überlebte er, nicht in Ehren.
Forciert die EU durch ihre gleichgültige Haltung die Eroberung Taiwans bzw. einen Krieg zwischen China und den USA?
Das ist keine Frage, denn es ist eine Frage. Benötigt China die Neutralität Europas? Mit den paar piepigen Atomwaffen Frankreichs und Großbritanniens wohl kaum. Und die deutschen Kriegsschiffe? Das war nur ein Scherz! Wichtiger wäre die wohlwollende Neutralität Russlands. Das wissen die Deutschen am besten, aus zwei Vergangenheiten heraus. Aber ist das nicht genau der Punkt, an dem Deutschland ins Spiel käme? Erstens wäre das kein Spiel, weil Deutschland mit seiner Mentalität sowieso aus dem Spiel wäre, und zweitens könnte Deutschland der Gewinner sein, weil Russland mit niedrigen Gaspreisen Deutschland locken würde. Deutschland müsste Putin nur versprechen, die widerspenstigen Polen im Zaume zu halten. Frankreich ließe sich durch den Bezug von Atomstrom leicht ruhigstellen. Die EU wäre vor der Involvierung in einen Krieg gerettet. Also wie dem auch sei, so oder so, hin oder her, die EU ist im Weltspiel drin, als quantité negligeable.
Bringt uns die typisch deutsche Angst um?
Ausgeschlossen! Was könnte uns wohl umbringen? Wir sind die viertstärkste Wirtschaftsmacht, Exportweltmeister, haben vergleichsweise eine niedrige Schuldenquote, keine IT-Monopole, ein exzellentes soziales Sicherungssystem, schwache linksextreme und rechtsextreme Parteien, aber keine APO, sind einigermaßen gut durch die Pandemie gekommen und verfügen weltweit über die stärkste Klimabewegung. Wovor haben die Deutschen Angst? Dass sie all das verlieren könnten! Aber nicht durch andere von außen, nur durch sich selbst, sozusagen von innen heraus. International und auch von uns selbst wird völlig verkannt, dass die Deutschen ein zutiefst religiöses Volk sind. In unserem Denken und Fühlen ist der Leviathan ein ständiger Begleiter. Wir müssen nicht erst in einen Tempel gehen, um uns der Gefahr bewusst zu werden; sie verlässt uns ja nie! Wir sind das einzige Volk, in dem die Erbsünde eine ständige und unauslöschliche Heimstatt gefunden hat. Außer den Deutschen hat kein anderes Volk durch seine gesamte Geschichte hindurch gesündigt. Und wir sind das einzige Volk, das unablässig nach Erlösung sucht. Beides gehört zusammen, so wie Gott und Teufel nur zusammen existieren können. Die Angst hält uns in Bewegung. Das unterscheidet uns von anderen Völkern. Gott und Teufel ringen in den Zwischenwelten miteinander, wodurch sie einander bedingen; genauso hängt unsere Existenz gleichermaßen von Angst und Tollkühnheit ab. Mittelmaß ist unserem Volkscharakter nicht gegeben.
Zerstört die Gleichschaltung der Medien in Deutschland die Suche nach Alternativen in der Politik?
Zu dieser Frage zuerst eine Frage: Wann hat es in den zurückliegenden 80 Jahren in Deutschland Alternativen gegeben? Zur Währungsreform? Durchaus: Hunger! Zur Westbindung? Durchaus: Einsamkeit in Schönheit! Zu den Ostverträgen? Durchaus: weltweite Isolierung in Beweihräucherung! Zur Wiedervereinigung? Durchaus: Hartz IV für die gesamte DDR-Bevölkerung sowie für die 500.000 russischen Soldaten! Hatten die Medien dies erreicht? Zur Währungsreform keinesfalls; zur Wiedervereinigung halb und halb. Also ein durchwachsenes Urteil. Darauf die zweite Frage: Sind die Medien überhaupt gleichgeschaltet? Das ist keine semantische Frage, denn sie wurden nicht gleichgeschaltet, sie haben sich freiwillig gleichgeschaltet. Dieser Unterschied ist für ihre Wirkung durchaus nicht belanglos. Die einflussreichsten Medien sind nicht durch Abweichungen einflussreich, sondern durch Gemeinsamkeiten. Sie wollen keine Alternativen, deshalb sind sie ja einflussreich. Sie mögen auch keine Wettbewerber, deshalb wollen sie sich am liebsten durch den Staat finanzieren lassen. Gab es denn in der DDR Alternativen? Eben!
Führen Pandemien wie Corona zum Abbau von Demokratie und Freiheit?
Ganz klar und eineindeutig: Das ist Ansichtssache! Der Herr Drosten wusste oft ganz genau das nicht, was er nicht wusste. Der Herr Streek wusste oft, was er nicht wusste. Darum war der eine Politikberater und der anderen nur Professor. Häufig wurde in der Pandemie die Frage gestellt: Wollen wir überleben oder wollen wir Freiheit? Indessen sind die Deutschen viel weniger Denker und Dichter, als uns unterstellt wird. Wir sind Pragmatiker, denn wenn wir tot sind, nützt uns die Freiheit ja schließlich und endlich reineweg gar nichts. Das mit der Unfreiheit in der Pandemie ist wie in der Diktatur der DDR, wir ergeben uns dem Staat, dafür umsorgt der uns, wir fühlen uns aufgehoben und sicher, neudeutsch heißt das Win-Win-Situation, selbstverständlich nicht so ganz, halt nur so ein klein wenig, nicht, dass jemand auf die Idee käme, ich hätte das ernst gemeint, ist ja auch nur meine eigene Erfahrung. Das Einzige, was darunter leidet, ist die Kreativität, das ist auch verständlich, sonst könnte ja jemand auf die kreative Idee kommen, dass die Freiheit auch ihre Reize hat.
Sind westliche Eliten durch das jahrzehntelange Wachstum ihres Wohlstandes demoralisiert?
Vielleicht. Wahrscheinlich schon. Aber sicher ist das nicht. Dazu gibt es sehr voneinander abweichende Meinungen. Fast alle Wissenschaftler sehen eine derartige Korrelation nicht, und Ausnahmen fallen nur den Ausnahmen auf, weil sie Ausnahmen sind. Und: Können sich alle Experten irren? Das ist bisher nicht bekannt. Trotzdem sollen aus Fairness Gegenargumente nicht unberücksichtigt bleiben. Der Macron hat doch tatsächlich die deutsch-französische Gemeinschaft durchbrochen, als er das Gendern in Behörden, Schulen und Hochschulen verbot. Der Mann traut sich was! Verständlich, ist doch der Lebensstandard in Frankreich deutlich niedriger als in Deutschland, unschwer an den zahlreichen kleinen Autos zu erkennen. Ergo: Mehr deutsche Subventionen nach Frankreich, damit die Eliten so werden wie bei uns. Trotzdem, einen Schritt zurück: Wieso sollte Wohlstand demoralisierend sein? Die Antwort hat schon der Brecht gegeben: Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Aber, aber, ein kommunistischer Dichter als Vorbild! Na ja, ein Dichter war er schon. Nun mal im Ernst. Warum sehnen wir uns nach einem Lastenfahrrad? Nicht wegen des Klimas, sondern weil wir zu fett und zu träge und unfähig geworden sind, in Alternativen zu denken. Wie viele Paar Schuhe haben Sie im Schrank, und wie viele Socken? Sehen Sie! Aber gemach, gemach, Hauptsache, die Tassen sind noch nicht weniger geworden, allerdings bin ich mir da bei den Unternehmern, die grünen Kapitalismuskritikern fette Vortragshonorare anbieten, nicht so völlig sicher.
Ist Deutschland fähig, auf weltweite Machtverschiebungen adäquat zu reagieren?
Bis jetzt überhaupt nicht! Warum? Weil es nach Ansicht der maßgeblichen deutschen Politiker eine solche Machtverschiebung überhaupt nicht gibt! Also, falsche Frage? Deutschland hat keine politische Macht und will auch keine, vielleicht nur so ein klein bisschen durch die wirtschaftliche Hintertür, aber bitte nicht darüber reden, obgleich, was Deutschland nicht hat und auch nicht will, das kann es auch anderswo nicht geben. Punktum! Eventuell könnte es sein, dass Machtverschiebungen uns berühren, aber niemals werden wir Machtverschiebungen berühren. Falls Sie jetzt meinen, dass dies doch alles so ziemlich wirr klingt, dann könnte es sein, dass Sie vielleicht nicht so ganz und gar völlig falsch liegen. „Fähig sein“ kommt von Fähigkeiten. Welche Fähigkeiten wurden Frau Merkel zugeschrieben? Kompromisse zu erreichen. Dafür ist Macht nicht erforderlich, nur Sitzfleisch. Welche wurden unserem Außenminister zugeschrieben? Einen guten Schneider gefunden zu haben. Dafür reicht Geld, in diesem Fall das der Steuerzahler. Und dem künftigen Kanzler? Warten, auf die Fehler der anderen. Dafür reicht eine zerstrittene Partei, und dann in der Partei noch eine zweite Partei, also „Das Eigene und das Fremde“. Die Macht anderer Staaten und der Kampf um Macht? Die deutschen Eliten haben einen Grundsatz verinnerlicht: Was wir nicht sehen, existiert auch nicht, und was nicht existiert, auf das müssen wir auch nicht reagieren. Wie sagen wir es den kleinen Kindern: Schließe die Augen und du siehst nichts, mache sie dann auf und du siehst immer noch nichts.
Lesen Sie morgen Teil 2.