Mehrgewichtiger Übergewinn

Man sagt nicht mehr „übergewichtig“, sondern „mehrgewichtig“. Das Wort „über“ ist böse. Wenn eine Firma mehr Geld einnimmt als erwartet, dann ist das böse, also ein „Übergewinn“, und gehört weggenommen. 

Die Euphemismus-Tretmühle ist bekanntlich jener sprachliche Mechanismus, wo ein als negativ beladen empfundenes Wort durch ein neues, vermeintlich neutrales Wort ersetzt wird – nur um selbst wieder die negative Konnotation anzunehmen.

Aus „Ausländer“ wurde „Migrationshintergrund“, was des Öfteren mit „Mihigru“ abgekürzt wird. „Mihigru“ wiederum klingt wie „Vokuhila“, was für „Vorne kurz, hinten lang“ steht, eine Frisurenmode mit eigener sozialer Note.

Ein Ausländer mit vorne kurzen und hinten langen Haaren, der einen Bart auf der Oberlippe trägt und einen Kirsch-Bananen-Saft trinkt, wäre dann übrigens ein Vokuhila-Mihigru mit Oliba und Kiba. Ja, wir haben schon manche lustige Runde gemeinsam auf der Euphemismus-Tretmühle gedreht.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Volltrottel – pardon: die Sprach-Aktivisten – die sich solche Euphemismen ausdenken, schlicht nicht verstehen, wie Sprache funktioniert – und so sehen sie nicht, dass der neue Ausdruck bald schlimmer klingen wird als der alte.

Lieber „arm“ als „schwach“

Statt „arm“ soll man sagen: „sozial schwach“. – Also ich wäre lieber „arm“ als „schwach“. – „Sozial schwach“, das ist ein Euphemismus, der dem Betroffenen sagt: „Du hast nicht nur kein Geld, du bist auch selbst schuld, denn du bist schwach! Pfui!“

Und statt „ungebildet“ soll man sagen: „bildungsfern“. – „Ungebildet“ sagt aus: „Du hast nicht viel Bildung genossen, das stimmt, aber du könntest es nachholen.“ – „Bildungsfern“ aber ist knallhart: „Du bist nicht nur ungebildet, du hast auch keine Chance es nachzuholen, denn du bist fern aller Bildung. Ich wohne ja bei der Bildung quasi daheim, aber du wohnst weit weg von der Bildung, viele Meilen von der Bildung entfernt. Vergiss es einfach! Ich würde ja sagen, dass du ‘ne Postkarte schicken sollst aus der Bildungsferne, aber ich wette, du kannst nicht mal schreiben!“

Man ist heute nicht mehr „alt“ oder „Senior“, man ist „60 plus“. Früher trösteten wir uns, dass das Alter „nichts als eine Zahl sei“, und dass man nur so alt ist, wie man sich fühlt. Nix da. Du bist „60 plus“. Tick tick tick, der Countdown läuft.

Ich hege ja den Verdacht, dass einige der angeblich negativen Untertöne, welche den bestehenden Worten zugeschrieben werden, zuerst im Kopf der Sprachbesorgten selbst herumgeistern. – Ich selbst bin ja Ausländer, und ich finde nicht, dass „Ausländer“ negativ belegt ist.

Ich hake nach: „Erzähl doch mal, du linker Sprachmoralist, was für negative Gefühle es in dir weckt, wenn du das Wort 'Ausländer' hörst!“

(Übrigens: Ist Ihnen das auch schon aufgefallen? Immer, wenn von „Migrationshintergrund“ die Rede ist, scheint dieser tatsächlich nicht im Hintergrund, sondern im Vordergrund zu stehen, sonst würde man ja nicht darüber reden.)

Sofort viel schlimmer

Ich habe letztens aber einen bestimmten Euphemismus gehört, der wird gar nicht erst in die Euphemismus-Tretmühle geraten. Der wird auch nicht auf den Stepper, aufs Laufband oder auf ein Fitness-Fahrrad geraten. Ja, dieser Euphemismus war sofort deutlich schlimmer als das, was ersetzt werden sollte. Als ich jenen politisch korrekten Euphemismus hörte, da musste ich so laut lachen, da habe ich mich glatt an der Sahnetorte verschluckt.

Man sagt heute nicht mehr „übergewichtig“. Man sagt … „mehrgewichtig“. Wohlgemerkt: „Mehr“, wie in „Mehrarbeit“ und „Mehraufwendung“, wie das Meer, wo die Walfische leben, Liebe machen und sich wohl auch mehren.

Auf ihrem Propaganda-Instagram-Channel „Say My Name“ klagt die „Bundeszentrale für politische Bildung“ über die „Diskriminierung von Mehrgewichtigen“. Man behauptet wahrheitswidrig: „Mehrgewichtig bedeutet nicht gleich ungesund.“

Warum die Bundeszentrale für politische Bildung, eine Behörde des Innenministeriums des Propagandastaates Deutschland, medizinische Fehlinformationen verbreitet? Ich weiß es nicht. Man wird sich wohl etwas dabei überlegt haben, aber mich überzeugt es nicht.

Lustig, aber kein Scherz

„Mehrgewichtig“ also statt „übergewichtig“. Okay, von mir aus. Das ist lustig, aber kein Scherz. Denken wir doch darüber nach: Was bedeutet das Wort „mehr“? Man sagt ja: Gewicht ist eine Nummer, wie das Alter.

Und wie das Alter ist auch das Gewicht ein Gefühl, spätestens wenn man vom Sofa aufstehen will, oder wenn man nach zu langer Zeit hundert Meter joggen geht, dann fühlt man den Unterschied.

Aber das Gewicht ist wie das Alter eben auch eine Zahl, und je höher diese Zahl jeweils ist, umso wahrscheinlicher hat es sich bald ausgezählt, und was dann für die Erben wirklich zählt, das sind ganz andere Zahlen.

„Mehrgewichtig“, das ist nicht einer, der so viel wiegt wie das Meer. – „Mehr“ ist hier offenbar komparativ gemeint, vergleichend. Der Mehrgewichtige wiegt mehr als … was? Wenn eine Zahl mehr beträgt als die andere, dann liegt sie über der anderen Zahl. „Über“ wurde aber durch „mehr“ ersetzt, Raider heißt jetzt Twix, und isst du zu viel von dem einen oder dem anderen, dann ändert sich so oder so nix.

Eine „Übergewinnsteuer“

Interessanterweise hat das deutsche Wort „über“ weltweit einen sehr positiven Klang. Eine Vermittlung von Autofahrten als Taxi-Ersatz heiß bekanntlich „Uber“. Wenn die Amerikaner „Über“ hören, denken sie nicht an „Deutschland über alles“, sondern an Nietzsche und allerfeinste Philosophie. „Übermensch“ lässt sich als „Superman“ übersetzen, und der steht außerhalb jeder Kritik, und das nicht erst, seit Henry Cavill ihn spielte. (Für viele weitere schöne deutsche Lehnwörter im Amerikanischen darf ich auf den Essay „Geisterfahrerin braucht Gas“ verweisen. Ob Sie sich dazu eine Knackwurst und einen Schnapps bestellen, oder Müsli und Quark, die Amerikaner werden Sie verstehen – und unseren Weltschmerz auch.)

Ja, das deutsche Wort „über“ gilt jetzt als überholt – aber das heißt noch nicht, dass es ganz überflüssig wäre. Man verwendet heute das Wort „über“, wenn etwas Böse ist. Die Grünen-Chefin Ricarda Lang sagt, dass sie „Übergewinne“ besteuern will, wenn Konzerne am Krieg in der Ukraine verdienen: eine „Übergewinnsteuer“.

Eine Überlegung wäre, dass die Grünen einen weiteren moralischen Ablasshandel planen: Eigentlich sind sie ja mehrheitlich gegen Krieg, aber man liefert doch Waffen, also besteuert man die von Steuern finanzierten Gewinne dieser Konzerne, und schon ist man überwiegend reingewaschen – ich finde solche Moral überragend!

„Übergewinn“ ist ein anderes Wort für den Residualgewinn, also den Betrag, der einem Unternehmen bleibt, nachdem es die Kosten des Kapitals selbst gedeckt hat.

Man könnte den Begriff „Übergewinn“ auch dehnen, indem man sagt, dass es ein „Übergewinn“ sei, wenn man mehr gewinnt, als man erwartet. Ohne irgendwelche Bücher eingesehen zu haben, wage ich jedoch die These, der Gewinn von Waffenkonzernen sich aktuell in exakt dem Rahmen bewegt, den man für einen Waffenkonzern im Kriegsfall erwarten sollte.

Gegen das überflüssige Mehrgewicht

Die Grünen wollen eine Steuer auf Übergewinn, nicht auf Übergewicht, pardon: Mehrgewicht. Ich finde das mehrheitlich lustig, dass und wie hier Worte ausgetauscht werden. Im Propagandastaat spielt man mit Wörtern und Bedeutungen, wie meine Kinder mit Lego spielen.

Weniger lustig finde ich, dass aus irgendwelchen Gründen mit Steuergeld aktiv Propaganda für die Normalisierung von Adipositas gemacht wird. Unter den moralischen Werten dieser neuen Zeit ist dies einer der merkwürdigsten.

Noch weniger lustig finde ich die Gründe für den Übergewinn der Waffenkonzerne. Ich suche einen Kompromiss zwischen meinem Mitgefühl mit den Menschen in der Ukraine – und meinen Versuchen, die eigene Seelenlage stabil zu halten.

Ich überlege, dass ich jetzt etwas vom Schreibtisch aufstehen werde. Ich sollte mehr Sport treiben. Gegen das überflüssige Mehrgewicht. In diesem Sinne: Ich wünsche Ihnen einen überragenden Tag und uns allen mehr guten Mut! (Aber nicht zu viel Übermut, wir wollen uns ja nicht überheben.)

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Dushan Wegner.

 

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

Foto: Frantisek Dostal CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Oliver Wilkening / 05.05.2022

Zitat: “Die Einbildung gedeiht auf dem Feld der Dummheit am besten.” Insofern liegen die “Wokies” ganz weit vorne.

Sebastian Rosenbauer / 05.05.2022

Sehr tolle Ausführung, danke! Ergänzend stellt sich mir noch die Frage, ob die Planspiele der Grünen und Sprachaktivisten auf Überlegungen oder Mehrlegungen basieren. Adipositas ist übrigens auch kein schönes Wort, da es sich vom Spitznamen Adi (von Adolf) herkommt…

Hans Kloss / 05.05.2022

Bildungsfern ist nicht gleich ungebildet. Die A.er die uns regieren, sind immer noch mehrheitlich gebildet. Genauso wie die Ärzte oder Journalisten. Alle drei Gruppen sind aber bildungsfern und da hilft nicht öfter benutztes Wort “Wissenschaft”.

Jörg Themlitz / 05.05.2022

Ja Sprache verwickelt sich. Übergewicht ist ja schon Blödsinn und hat genau wie Mehrgewicht keinen Maßstab, keine Definition. Mal sehen wo es hingeht. Vielleicht wird ein verschüttetes Wort wieder entdeckt und die Menschen dürfen aussprechen, was sie empfinden? z. B.: Man ist die, der oder das Kind fett und das Gesicht geht ins gesäßhafte. Und jemand ruft aus: “Meinen Sie wie bei Ricarda Lang?”, Der Mann der ehrlichen und klaren Worte, Reiner Calmund, hat gesagt, ´Meine Fettschürze wurde entfernt.` und nicht mein Mehrgewicht. Da es hier irgendwo schon angeführt wurde, PoC = people of color, beschreibt ja nicht mal ansatzweise die insinuierte Gruppe. Jeder Mensch hat eine Hautfarbe. BIAS, Braun In Allen Schattierungen wär viel besser. Was soll so ein Schwachsinn? Sind denn Ibiza Reisende people of temporary color? Ist der Sonnenstudio Stammkunde people of color without mexican and african background?  Eine allseits bekannte Gruppe ist: Satt Dumm Und Gelangweilt, die ihre Aufgabe darin sehen: “Laßt uns mit eiserner Hand die Menschheit ihrem Glück entgegentreiben.” War wohl die Torüberschrift vom Gulag Solowezki. (Quelle bleibe ich mal schuldig.) Wie immer bei Treibjagden waren, sind die Überlebenschancen der Getriebenen gering. Stehenbleiben, sich umdrehen und den Treibern entgegenstellen, wäre eine Chance zum Überleben. Zur Unterstützung sendet dann vielleicht jemand schwere Waffen? Okay das ist jetzt Quatsch.

Jakob Mendel / 05.05.2022

Statt „arm“ soll man sagen: „sozial schwach“. – Die Linken mal wieder mit ihren heillosen Begriffsverwirrungen: „Arm“ bedeutet, wenn man sich schon gestelzt ausdrücken will, „finanziell schwach“, aber eben nicht „sozial schwach“. Das ist ein fundamentaler Unterschied! (Daß die eine oder andere Behörde darauf hinarbeiten mag, aus einem finanziell Schwachen (z. B. einem Arbeitslosen) einen sozial Schwachen zu machen, spricht nicht gegen meinen Einwand, sondern dafür, daß gewisse Parteien ihre Klientel am liebsten selbst generieren. An sozial Schwachen kann sich ihr Bemutterungswille – nur böse Zungen sprechen von Bevormundungswahn – dann so richtig austoben.)

P. Wagner / 05.05.2022

Wegen diesem wunderbaren Sondervermögen sollte nun endlich mal eine Sonderbehandlung der Ampel-Figuren erfolgen.

Sabine Heinrich / 05.05.2022

Köstlich, Herr Wegner! Vielen Dank! Übrigens umschreibt man “stark übergewichtig” oder gar “fett” auch mit dem Euphemismus “kräftig” - so wie heute in der Vermisstenanzeige einer norddeutschen Zeitung (online) gelesen.

Dieter Ehrlich / 05.05.2022

Über- oder Mehr- ??? Nun besitzt doch Ricarda Lang doch eher eine “Besondere massebasierte Kompetenz”

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