Mehr Windenergie wird nicht billiger, sondern noch teurer

Der Windkraftausbau macht die Windkraft nicht billiger, sondern teurer. Diese „Brücke“ führt ins Nirgendwo. Lässt sich schon die Offshore-Windkraft nicht auf Dauer runtersubventionieren, so gilt dies erst recht für windarme Länder wie Bayern. Das ist ein weiterer Sargnagel für den Industriestandort Deutschland.  

Es wurde als Durchbruch der Wettbewerbsfähigkeit der Offshore-Windindustrie gefeiert: BP und Total hatten sich im Juli dieses Jahres bei der letzten Ausschreibung der Bundesnetzagentur Flächen in Nord- und Ostsee gesichert, um 7,0 GW Windkraftanlagen auf hoher See bauen zu können. Die beiden Konzerne verzichteten sogar auf eine feste Einspeisevergütung und waren einverstanden, 12,6 Milliarden Euro Pachtgebühr zu bezahlen.

Bei Lichte betrachtet, sieht die Lage aus Sicht der Stromkunden weniger rosig aus. Die Zahlungen von 12,6 Milliarden Euro werden natürlich an die deutschen Stromkunden weitergereicht. Das macht alleine eine Strompreiserhöhung um 2,5 €ct/kWh aus. Zudem wissen wir aus Kalkulationen der Branche, dass Offshore-Strom nicht unter 10 €ct/kWh zu erzeugen ist. Denn die Kapital- und Materialkosten haben sich in den letzten vier Jahren um mehr als 50 Prozent erhöht.

Das bedeutet, BP und Total bauen die Windkraftanlagen, wenn der Börsenstrompreis bei etwa 12,5 €ct/kWh liegen wird. Hören wir nicht fast täglich, dass die Strompreise, die vor der Energiekrise bei 4 bis 5 €ct/kWh lagen, mit dem Ausbau der Windenergie gegenüber dem heutigen verdoppelten bis verdreifachten Niveau wieder sinken sollen? Wird nicht ständig davon gesponnen, dass die Industriestrompreise auf 5 bis 6 €ct/kWh herunter subventioniert werden sollen, um durch diesen Brückenstrompreis für wenige Jahre die Deindustrialisierung zu stoppen?

Grüne Effizienz und grüne Mathematik

Die Perspektive ist in Wirklichkeit: Diese Brücke führt ins Nirgendwo, denn Windenergie wird nicht billiger, sondern teurer. Und auf Dauer 12,5 €ct/kWh teuren Offshore-Windstrom herunterzusubventionieren, kann sich keine Gesellschaft leisten.

Für BP und Total ist es eine sichere Wette auf eine teurere Stromzukunft. Und wenn in Deutschland die Strompreise nicht steigen sollten, ist der Verlust für beide verschmerzbar. Denn BP und Total haben schließlich nur 10 Prozent des Pachtpreises einzahlen müssen.

Auch die Windenergie an Land wird teurer. Auch hier schlagen Kapital- und Materialkosten preissteigernd zu Buche. Daher musste Wirtschaftsminister Robert Habeck im letzten Dezember die Einspeisevergütung für Windenergie  um 25 Prozent anheben lassen. Nunmehr sind 7,35 €ct/kWh 20 Jahre lang zu vergüten.

Das gilt allerdings nur für einen normalen Windstandort in Norddeutschland mit etwa 6,5 m/s durchschnittlichem Wind. In Süddeutschland – namentlich in Bayern –, wo es wenig Wind gibt, werden bei der Hälfte der Windgeschwindigkeit etwa 11 €ct/kWh gezahlt. Dies ist eine volkswirtschaftliche Verschleuderung von Geld nach dem Motto: Wo weniger Wind ist, wird mehr gezahlt. Das ist grüne Effizienz und grüne Mathematik. Das kann man nur ideologisch verstehen: Weil man auch den windschwachen und ungeeigneten Süden mit Windkraftwerken beglücken will, zahlt man dort bis zu 50 Prozent mehr für die Kilowattstunde aus Wind. Somit ist jedes Windkraftwerk im Süden ein weiterer Sargnagel für die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie, denn mit 11 €ct/kWh ist in Deutschland weder die Grundstoffindustrie, die Düngemittelindustrie oder die chemische Industrie wettbewerbsfähig.

Ganz Verwegene träumen dann auch noch, aus diesem teuren süddeutschen Windstrom dann auch noch teuersten Wasserstoff zu machen. Denn die Windkraftanlagen in Süddeutschland stehen mehr, als sie drehen. Sie haben dort lediglich 1.600 Volllastsstunden von 8.760 Stunden des Jahres. Und wenn sie sich nicht drehen, füllt man die Lücke mit Strom aus teuerstem Wasserstoff, wenn es nach Olaf Scholz und seinem  Traumkabinett geht. Um diesen Verteuerungseffekt durch Windkraft im Süden ein wenig zu kompensieren, baut man die Anlagen höher, bis zu 250 m hoch. Der ökologische Eingriff mit tödlichen Folgen für Greifvögel, Fledermäuse und wandernde Insekten wird entsprechend gewaltig.

Industrie ist nicht mehr wettbewerbsfähig

Am Ende kommt man auch für den Windstrom an Land zu Kosten von 14 €ct/kWh, wenn man die notwendigen Kosten für den Netzausbau, die Kompensationskosten (Redispatch) und die Wasserstoffkraftwerke hinzuaddiert. Damit kommt die Deindustrialisierung an ihr Ziel: Industrie ist bei einem solchen Stromerzeugungspreis nicht mehr wettbewerbsfähig.

Damit wir uns nicht missverstehen: Windenergie an starken Windstandorten leistet einen begrenzten Beitrag in einem zukünftigen Energiesystem. Aber kein Industrieland wird es auf absehbare Zeit schaffen, 100 Prozent einer wettbewerbsfähigen Energieversorgung durch Solar und Wind zu gewährleisten. (Beitrag Solar und Wind zur Primärenergie in Deutschland 2021: 5,1 Prozent)

Auch in den USA und Großbritannien hat die Windenergie zu kämpfen

Zahlreiche geplante Offshore-Windprojekte werden zurzeit in den USA und Großbritannien nicht weiterverfolgt. Die Projekte vor der Küste des Staates New York wollen eine höhere Einspeisevergütung, um die gestiegenen Kosten für Komponenten und Kapital auszugleichen. Oersted und Eversource wollen eine 27-prozentige Mehrvergütung (880 MW Sunrise Wind Projekt), Equinor und BP wollen einen Aufschlag von 35 bis 66 Prozent für ihr 2,1-MW-Projekt Empire Wind. Gefordert werden 14 $ct/kWh im ersten Fall, im zweiten Fall reichen die Forderungen von 16 $ct bis 18 $ct/kWh. In Großbritannien sind bei der letzten Ausschreibung überhaupt keine Gebote mehr gemacht worden. In den USA und Großbritannien werden Offshore-Windparks aus wirtschaftlichen Gründen infrage gestellt.

In den USA gibt es nunmehr zudem eine intensive Diskussion über das Walsterben vor der Küste New Yorks. Seit 2017 sind 95 tote Wale an der Küste aufgefunden worden. Während die US-Behörden bislang einen Zusammenhang mit dem Ausbau der Offshore-Windturbinen vor dieser Küste verneinen, kommt der Naturschutzexperte Michael Shellenberger zu einem bedrückenden Verdacht. Die hohen Unterwasserschall-Vibrationen, die von den Turbinen kilometerweit ausgesendet werden, sowie die Zunahme des Service-Schiffsverkehrs zu den Turbinen stehen im Verdacht, die Walpopulation vor der Küste zu vernichten.

Ich würde mir sehr, sehr wünschen, dass Michael Shellenberger diesmal nicht recht hat.

 

Fritz Vahrenholt ist Honorarprofessor an der Universität Hamburg im Fachbereich Chemie und war bis 1997 Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg. Von 1998 bis 2013 war er in Vorstandsfunktionen im Bereich der Erneuerbaren Energien bei der Deutschen Shell AG, der Repower Systems AG und der RWE Innogy. Er war bis Ende 2019 Alleinvorstand der Deutschen Wildtier-Stiftung. Dieser Text ist ein Auszug aus seinem monatlichen Newsletter.

Foto: Youtube/Motion Graphics/Screenshot

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Leserpost

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Lutz Schröder / 05.10.2023

Ich habe gehört. Eine Zufahrtstraße für Windkraftanlagen benötigt eine Stabilität bis zu 80 Tonnen. Das ist praktisch die Belastbarkeit von Autobahnen. Es ist eben nicht mal ein Waldweg, der zur Windkraftanlagen als Zufahrt benötigt wird. Aber Bauern und Waldbauern kriegen Ärger wenn sie ihre Böden zu sehr verdichten. Alles nicht nicht zu Ende gedacht. Wie auch bei dem Bildungsstand.

Dietmar Herrmann / 05.10.2023

Ein sehr erhellender Artikel. Die sog. “Erneuerbaren”, damit sind jetzt nicht die Ehefrauen von Gerhard Schröder gemeint, decken 5% des Primärenergiebedarfs ab , wobei sich der Anteil mit Billioneninvestitionen auf 10% steigern ließe. Der Aufwand im Vergleich zum Ertrag wird dabei aber exponentiell ansteigen , da die windhöffigen Standorte ja nun schon abgegrast sind. Man kann noch mit viel Kapitaleinsatz Flora und Fauna zerstören, mehr nicht, Zum Mitschreiben für Robert: Energieausbeute skaliert mit Windstärke in der 3. Potenz, also halbe Windstärke ergibt nicht die Hälfte , nicht eine Viertel , sondern ein ein Achtel der Ausbeute. Merken, Setzen! Es stellt sich erstens die Frage, welcher Faktor die Industrie zuerst killen wird, die Versorgungsunsicherheit, der Strommangel an sich, oder das Preisniveau. Zweitens wäre es wichtig zu wissen, wann die unabwendbare Erkenntnis des Scheiterns in den grünen Hirnen ankommt und zu Handlungskonsequenzen führt. Bei Fanatikern wahrscheinlich nie. Ein Beispiel aus der Geschichte: Hitler ließ im Juni 41 Rußland angreifen. der Wirtschaftsführer Ley stellte dabei fest, daß der Krieg bis Ende Oktober in Blitzkriegmanier gewonnen sein müßte , sonst sei er verloren. Er kannte das Wirtschaftspotential und die Reserven. Es kam bekanntlich anders und spätestens nach Stalingrad Anfang 43 mußte jedem klar sein , wohin die Reise ging. Der italienische Verbündete dachte analytisch genug, um wenigstens ein halbes Jahr später die Flinte ins Korn zu werfen. Den Deutschen wurde erst 2 weitere Jahre später . als an jeder Straßenecke ein alliierter Soldat stand klar, daß es mit dem Endsieg wohl nichts werden würde. Wann kommt Robert zur Besinnung? Wenn zerlumpte Gestalten mit Keulen vor dem Ministerium stehen?

Sven Hoffmann / 05.10.2023

Ich hab’ da noch was für die Freunde der unerschöpflichen Winde und Sonnenstrahlen, deren Nutzung natürlich keinerlei Einfluss auf irgendetwas hat: Ein Windrädchen auf dem E-Autodach montiert, verlangsamt die Reisegeschwindigkeit kaum, denn es sind ja nur ach so kleine Windräder. Aber die Reichweite Leute, die Reichweite steigert sich ins Unermessliche! Und je schneller du fahren, desto länger du können fahren.  Mit zwei Autodachwindrädchen kommt man sogar noch weiter. - Nobelpreis! Mindestens ...

Walter Neumann / 05.10.2023

Der Spruch “Wind und Sonne sind gut, denn sie stellen keine Rechnung” war die größte Verblödung von Seiten der Grünen in Sachen günstige neue Energien. Und viele Wissenschaftler haben das unterstützt. Aber mit den Germanen kann man ja alles machen, wenn man nur richtig framt.

Peter Holschke / 05.10.2023

Is halt so! Die Mehrheit wollte es so, Manipulation, Lüge, Gehirnwäsche, Propaganda, dunkle Hintermänner und Profiteure, hin oder her. Offenbar wirken hier soziologische Prozesse größerer Natur. Wo steht geschrieben, dass eine Industrienation sich nicht selbst demolieren dürfen? Vielleicht ist das ja ein unbewusster Reflex aus den Erfahrungen von 1945. Diesmal zerstören “wir” unser Land eben selbst! Die grünen Enkel und Erben der NS-Ideologie exekutieren vermutlich und unbewusst, Hitlers Nerobefehl. Schon der hatte erklärt, dass es ihn nicht interessiert, was das deutsche Volk für sein primitives Überleben benötigt.  “Die Geschichte wiederholt sich immer zweimal – das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce”. Karl Marx. Und wer möge bestreiten, dass sich bei der ganzen grünem Agenda um eine gigantische Farce handelt.

Bodo Bastian / 05.10.2023

“Von 1998 bis 2013 war er in Vorstandsfunktionen im Bereich der Erneuerbaren Energien bei der Deutschen Shell AG, der Repower Systems AG und der RWE Innogy.” Warum, warum nur habe ich so ein komisches Ziehen in der Magengrube, wenn ich das lese…

SHolder / 05.10.2023

Die ganze Kiste wird doch immer durchschaubarer, angesichts “Vergütungsgarantien” mit 20 jähriger Laufzeit, sollte man sich die Gesellschafter der Windparks einmal genauer anschauen. Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass die Regierungen an die großen Summen an Ersparten Privatvermögen wollen - da Enteignung böse klingt, wird eben durch die Hintertür abgeschöpft. Wir werden alle nichts mehr besitzen und glücklich sein - so kann mittels Smartmeter, Digitalwährung, etc. - jeder einzelne nach Gutdünken gesteuert und nötigenfalls sanktioniert werden. Ist das Volk tatsächlich bereits so verdummt, dass es nicht begreift was geschieht?

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