Michael W. Alberts, Gastautor / 26.10.2022 / 12:00 / Foto: Pixabay / 56 / Seite ausdrucken

Mehr Meinungsvielfalt statt Mehrheitswahlrecht

Der Parteienstaat hat die Kontrolle über alles an sich gezogen. Mit dieser Diagnose hat Fabian Nicolay die Debatte eröffnet. Prof. Markus C. Kerber empfahl das Mehrheitswahlrecht. Der Vorschlag klingt gut, doch zur Revitalisierung der Demokratie taugt er nicht.

Der Parteienstaat hat die Kontrolle über alles an sich gezogen und die Gewaltenteilung unterminiert – so die überzeugende Diagnose von Fabian Nicolay. Als vermeintliche Therapie empfiehlt Prof. Kerber, den Bundestag ausschließlich per jeweiliger 50-Prozent-Mehrheit aus den lokalen Wahlkreisen zu besetzen, um die vom Parteifunktionärs-Establishment ausgesuchten Abgeordneten von den Landeslisten zu vermeiden, die ohne rechten Kontakt zum wählenden Bürger und deshalb irgendwie an allem schuld sind.

Der Vorschlag ist vielleicht aus quasi akademischer Sicht interessant – zur Revitalisierung der Demokratie in Deutschland taugt er nicht. Schon deshalb, weil es zu einer solchen fundamentalen Reform nicht kommen wird. Bereits eine ernsthafte Diskussion darüber würde daher unnötig Aufmerksamkeit binden, die anderswo dringender gebraucht wird; sie würde auch diejenigen bürgerlichen Kreise spalten, die gemeinsam für eine Rückkehr zu einer an den Interessen des Volks orientierten Politik kämpfen könnten.

Man kann sich lustig machen über den ziemlich deutschen Gerechtigkeits-Sinn dafür, dass eine Partei mit X Prozent der Wählerstimmen auch genau X Prozent der Sitze im Parlament bekommen muss. (Dazu dienen ja die Landeslisten und die massive Aufblähung des Bundestags durch Ausgleichsmandate.) Dass andererseits eine Partei mit nur 44 Prozent aller Wählerstimmen eine dicke Mehrheit im Parlament erhält, wie bei Mehrheits-Wahlrecht ohne weiteres möglich (UK 2019) – in Deutschland wohl undenkbar, denn die Präferenzen der Wähler werden damit stark verzerrt und große Teile der Bevölkerung fühlen sich nicht angemessen repräsentiert.

Die trotz „gerechtem“ Verhältniswahlrecht gewachsene Kluft zwischen Volk und Bundestag als repräsentativem Verfassungsorgan ist freilich nur ein Teil des Problems: Zusätzlich wächst die Kluft zwischen nationalem Parlament und tatsächlicher politischer „Gestaltung“ des Gemeinwesens insgesamt, denn: Deutschland ist längst kein wirklich souveräner Staat mehr, weil weitreichende Befugnisse nach Brüssel abgegeben worden sind – zugunsten einer keinem einzigen Wähler zwischen Polen und Portugal verantwortlichen monströsen Technokratie, die sich anmaßt, demokratisch legitimierte nationale Regierungen wie ungezogene Schulbuben zu behandeln.

Internationale Politik ohne demokratische Basis

Was nutzt also die theoretische Bürgernähe eines im Wahlkreis bewährten echten Volksvertreters in einem Bundestag, der immer weniger zu beschließen hat, weil die EU-Kommission, gelenkt von Lobbykreisen und Hinterzimmer-Diplomaten, kaum noch einen Lebensbereich auslässt in ihrem totalitären Weltrettungswahn. Beim Europäischen Parlament handelt es sich nur um eine teure Spielwiese, deren konkreter Einfluss sehr begrenzt ist: Die Strippen werden durch die Brüsseler Nomenklatura gezogen, entschieden wird per Kungelei durch einige Regierungs-Chefs.

Wenn eine Regierung ausnahmsweise doch die Bürger fragt – so wie die irische 2008 anlässlich der EU-Reformen – und die Bürger sagen Nein, dann ändert das nichts: es wird einfach so oft abgestimmt, bis es passt. Der europäische Gruppenzwang ist allemal stärker. Schließlich kann es ja nicht sein, dass wegen 100.000 Iren, die nicht hinreichend von Brüssel überzeugt sind, der ganze schöne Kontinent nicht vorankommt!

Weitere fundamentale Vorfestlegungen, an denen nationale Parlamente so gut wie nichts mitzureden haben, werden auf globaler Ebene, etwa im Rahmen von UN-Konferenzen getroffen. Das ist dann hinterher angeblich „völkerrechtlich“ (eigentlich: „Regierungs-rechtlich“?) verbindlich und gilt als sakrosankt – die deutschen Wähler hat aber niemand gefragt, bevor im Namen Deutschlands das absurde „1,5-Grad-Ziel“ von Paris für das Weltklima akzeptiert wurde, oder großzügige Absichtserklärungen pro Massenmigration.

Immerhin gibt es noch wichtige Bereiche, in denen die nationale Politik einiges zu sagen hat. Also würde sich wenigstens dafür eine Wahlrechtsreform lohnen? Das zentrale Argument für das Modell „Mehrheit je Wahlkreis / keine Landeslisten“ ist die Vorstellung, ein echter Volksvertreter, der spätestens im zweiten Wahlgang mindestens die Hälfte der Wähler hinter sich hat, sei nicht so von seiner Partei abhängig, sondern sehr viel stärker von seiner Popularität bei den örtlichen Mitbürgern. Soweit die Theorie – die man zum Glück an der Praxis anderer Länder prüfen kann!

Das Establishment gewinnt immer

Länder mit einem solchen Wahlrecht neigen zu einem Zweiparteien-System; jedenfalls gilt das für Amerika. Dort werden die nationalen Abgeordneten zum Repräsentantenhaus und zum Senat per Mehrheit der örtlichen Wähler bestimmt, darüber hinaus können die Wähler sogar schon vorher bei den „Primaries“ entscheiden, welche Person die (eigene) Partei überhaupt zur endgültigen Wahl aufstellt. Mehr Einfluss der Bürger auf die Besetzung des Parlaments ist kaum vorstellbar – die Unabhängigkeit der Abgeordneten von ihren Parteiführungen müsste also riesengroß sein. Die Realität ist eine andere:

Die beiden großen US-Parteien haben – natürlich – ebenfalls ihre Establishments, die mehr hinter als vor den Kulissen die Strippen ziehen und auch die Auswahl der Kandidaten stark beeinflussen. Und nach der Wahl? Die „Demokraten“ haben im bisherigen Repräsentantenhaus zwar nur vier Stimmen mehr als die Hälfte, werden aber von ihrer Anführerin Pelosi und deren Entourage knallhart unter Kontrolle gehalten – auch weil die Führung auf reich gefüllten Wahlkampf-Töpfen sitzt, über deren Verteilung an örtliche Kandidaten sie nach eigenen Vorlieben entscheidet. Im Ergebnis ist die sehr knappe Mehrheit kaum durch „Abweichler“ gefährdet.

Ähnlich im Senat, wo gegenwärtig zwischen den beiden Parteien ein Patt herrscht, mit jeweils 50 Senatoren. Auf der Seite der „Demokraten“ gibt es in dieser Situation, wo es wirklich auf jede einzelne Person ankommt, nur ein bis zwei Senatsmitglieder, die nicht sofort alles abnicken: Joe Manchin und Kyrsten Sinema. Gerade Manchin hat guten Grund zu einem Anschein von Überparteilichkeit, denn er kommt mit West Virginia aus einem Staat, den Donald Trump mit Riesenvorsprung gewonnen hat.

Und doch ist der Senator vor kurzem an entscheidender Stelle nach einigem theatralischem Zögern umgefallen, hat sich von seinen Anführern ködern (kaufen) lassen mit Gefälligkeits-Zusagen für West Virginia, die wohl nicht einmal eingehalten werden. Am Ende entscheidet also selbst unter den Umständen eines ausgeprägten Mehrheits-Wahlsystems mit „starken“ Wahlkreisvertretern die Partei, wenn es darauf ankommt. Hätte eine Partei eine klare Mehrheit im Senat, etwa mit 56 gegen 44, könnten sich natürlich ein paar mehr Mitglieder ein „eigenes Profil“ erlauben, aber das würde dann bei der Gesetzgebung wiederum folgenlos bleiben, vermeintliche „Bürgernähe“ hin oder her.

Dass es nur zwei Parteien gibt, führt außerdem dazu, dass in vielen Regionen des Landes, die einigermaßen deutlich nach links oder rechts neigen, eine Partei sich über Jahrzehnte hinaus als praktisch unangefochtene politische Kraft festsetzen und sich das ganze Gemeinwesen in denkbar korruptester Art zu eigen machen kann, einschließlich des Justizapparats. In großen Metropolen wie New York, Chicago, Los Angeles und vielen weiteren Ballungszentren haben die „Demokraten“ aufgrund der demographischen Situation (z.B. Anteile der „schwarzen“ Bevölkerung sowie des „urbanen“ akademischen Milieus) kaum eine „Abwahl“ zu fürchten und damit praktisch freie Hand.

Starke Wahlkreisvertreter – nur Wunschdenken

In Deutschland hat es aufgrund der größeren Anzahl von Parteien über die Jahre immerhin gewisse Verschiebungen gegeben, in vielen Großstädten von der SPD zu den Grünen, teils auch zur CDU. Zumindest im Grundsatz kann man hoffen, dass eine wirksame Konkurrenz der Parteien dazu beiträgt, dass allzu üble Machenschaften im kommunalen Filz auffliegen könnten und mehr Transparenz möglich ist. Keine Garantie gegen Machtmissbrauch und Korruption, aber doch ein potenzielles Gegenmittel.

Zurück auf die nationale Ebene: Zum Beispiel 2017 sind nur 15 von 200 CDU-Abgeordneten über Landeslisten in den Bundestag gekommen, mehr als 9 von 10 MdB der langjährigen Kanzlerpartei sind also als Wahlkreis-Gewinner ins Parlament eingezogen und hätten die Chance gehabt, nur und ausschließlich ihrem Gewissen zu folgen. Und? War die CDU-Fraktion ein Hühnerhaufen aus potenziellen Abweichlern? Offensichtlich nicht. Das Gleiche gilt für den 2017er Landtag von Nordrhein-Westfalen mit ausschließlich (!) direkt gewählten Unions-Abgeordneten. Die schwarzgelbe Koalition hatte nur eine hauchdünne Mehrheit, die allem Anschein nach nie gefährdet war.

Der starke Lokalmatador, der auf nationaler Ebene mutig den Mächtigen entgegentritt, ist offenbar reine Fiktion. Ein Politiker mit Ehrgeiz will nicht im Wahlkreis berühmt sein, sondern bundesweit. Er will Einfluss erlangen – der vom Establishment zugeteilt wird, bei Wohlverhalten. Merkel hat mit ihrer Machtfülle letztlich jeden Widerspruch in ihrer Partei auszumerzen gewusst – die vielen theoretisch unabhängigen Abgeordneten mit starken Wahlkreis-Mehrheiten haben nicht aufgemuckt. Sie hat sogar eiskalt verfügt, dass in Thüringen eine völlig korrekte Ministerpräsidentenwahl rückgängig gemacht wurde.

Selbst wenn der Bundestag „nur“ aus etwa 400 Abgeordneten bestünde, allesamt starke Individuen direkt aus dem Wahlkreis: Wie soll daraus in Berlin konkrete Politik werden? Ohne Bündelung durch Parteien und Fraktionen wäre das Geschäft gar nicht organisierbar. Es bedarf auch der Spezialisierung: Wenn Abgeordnete die Regierung kontrollieren sollen, gerade aus der Opposition, muss jemand von Partei X im Themenfeld Y kompetent sein und kluge Fragen stellen; der Wahlkreis ist dabei weitgehend irrelevant, auch wenn ein MdB aus Südschwaben vermutlich nicht die Zuständigkeit für das Fischereiwesen anstreben wird.

Die organisatorische Bündelung politischer Denkrichtungen durch Parteien ist insofern kaum vermeidbar. Das eigentliche Problem liegt darin, dass Pluralismus und echter Wettbewerb weitgehend abhanden gekommen sind und der „Zeitgeist“, maßgeblich definiert durch Medien und aktivistische „Eliten“ (überhöht als „Zivilgesellschaft“), eine freie Debatte gar nicht mehr zulässt: Wer abweicht vom Zentralnarrativ, ist mindestens „unsolidarisch“ und im Zweifel ein Nazi, wie in der Pandemie durchexerziert. Kein Wunder, dass sich viele an die „Blockflöten“ in der DDR-Volkskammer erinnert fühlen, die eine Vielfalt von Weltanschauungen und „echte Demokratie“ vorgaukeln sollten.

Das deutsche Polit-Oligopol

Gegen den offiziellen alternativlosen „Groupthink“ bräuchten unzufriedene Bürger eine faire Chance, durch Gründung einer neuen Partei das Korsett zu sprengen (wie in Italien und Schweden erfolgreich vorgeführt). Aber dagegen steht in Deutschland die Fünf-Prozent-Hürde – deren dauerhafte Überwindung durch die AfD fast ein Wunder ist und wozu es schon eines Bündels grotesk bürgerfeindlicher Beschlüsse der Bundesregierung bedurfte, die so demonstrativ gegen die nationalen Interessen gerichtet waren, dass damit eine Protestpartei beinahe absichtlich provoziert worden zu sein scheint – quasi zur Abschreckung, als „rechtes“ Gespenst.

Aus ökonomisch-ordnungspolitischer Perspektive ist die deutsche Politiklandschaft ein Quasi-Oligopol, das den Markteintritt für potenzielle Wettbewerber unfair erschwert, womit das System innovationsfeindlich und korrekturresistent wird, zum klaren Nachteil der „Verbraucher“. Gäbe es ein politisches Bundeskartellamt zur Sicherstellung ausreichenden freien Wettbewerbs der Meinungen, müsste es längst einschreiten. Stattdessen setzt der Staatsapparat auf Zensur und betreutes Denken.

Kleinstgruppierungen aus dem Bundestag herauszuhalten, ist angeblich den Erfahrungen der Weimarer Republik geschuldet: Stabilität vor Meinungsvielfalt. Je mehr Parteien gebraucht werden, um eine Mehrheit im Parlament zu erreichen, desto schlechter… aber stimmt das überhaupt? Immerhin zeigt das Beispiel Israel, dass auch unter solchen Voraussetzungen erfolgreich regiert werden kann, in einem Land, das über Jahrzehnte mit existenziellen Herausforderungen in einem feindseligen Umfeld zu kämpfen hatte.

Unsere Nachbarn in den Niederlanden haben 2021 sagenhafte 17 Parteien in ihr Parlament gewählt. Ist Holland in Not wegen chaotischer Unregierbarkeit? Nein, der „liberale“ Ministerpräsident Rutte ist stark genug, seinem Land umstrittene Maßnahmen aufzuzwingen (bis zur partiellen Zerstörung der Landwirtschaft, Masseneinwanderung). Die stramme Gefolgschaft zu den Zielen der WEF-Globalisten ist dabei keine Folge der zersplitterten Parteienlandschaft, denn eine ähnliche Politik („Net Zero“, massive Covid-Lockdowns) wird auch in London betrieben, unter klassischem Mehrheitswahlrecht.

Dieses System hat Boris Johnson eine massive Parlamentsmehrheit für seine „Tories“ beschert – durch inkonsequente Politik und Intrigen seiner partei-internen Gegner hat er trotzdem das Amt verloren. Das zeigt: Nicht mal durch ein Mehrheitswahlrecht kann man die „Stabilität“ einer Regierung garantieren. Es kommt vielmehr stark auf die öffentliche Debatte an, auch auf einflussreiche Kreise hinter den Kulissen, sowie offensichtlich immer noch auf das konkrete Verhalten einzelner Personen.

Pluralismus durch neue Kräfte

Wer in Deutschland plötzlich ein Mehrheitswahlrecht installieren will, betreibt im Ergebnis eine weitere Verengung des Meinungsspektrums – wo offensichtlich das Gegenteil dringend notwendig wäre. Auch wenn die Politik angeblich „schön bunt“ geworden ist und gewisse Abgeordnete penetrant ihre „Diversität“ zelebrieren: Das narzisstische Panoptikum praktiziert eine bürger- und freiheitsfeindliche Politik mit dem Zeitgeist. Die Demokratie ist gefährdet, nicht wegen der Existenz von Parteien, sondern weil die technokratischen Eliten die offene Debatte zu anstrengend finden und den Bürger zu einem gehorsamen Büttel ihrer größenwahnsinnigen Phantasien machen: brav maskiert und „geimpft“, elektronisch dauer-überwacht und zensiert, gnadenhalber alimentiert.

Diesen ideologischen Extremismus kann man zwar in Deutschland am Erstarken der Grünen festmachen, aber die Vorstellung, das Abgleiten in extreme Positionen liege an zu vielen Parteien, ist trotzdem leicht erkennbar Unfug: Die mächtigen Eliten in den USA treiben die bedeutendste Demokratie der Welt in die gleiche lebensgefährliche, menschenfeindliche Ideologie: Klimawahn, „Impf“-Fanatismus, weit offene Grenzen, inflationäre Gelddruckerei – ganz ohne zusätzliche grüne Partei. Auch Zweiparteien-System und Mehrheitswahlrecht sind eindeutig keine Garantie für bürgerfreundliche Bodenhaftung; dort genauso wie hier agieren die Mächtigen mit maßloser Arroganz und politischer Brechstange.

Der Kampf der bürgerlichen Individuen gegen den übermächtigen Staat ist nicht zu gewinnen durch angebliche „Bürgernähe“ von Wahlkreis-Matadoren. Freiheit und Selbstbestimmung können nur durch neue politische Kräfte im öffentlichen Meinungskampf zurückgewonnen werden; wir brauchen endlich wieder echte pluralistische Debatten mit wirklich unterscheidbaren Strömungen. Die fünf etablierten Parteien von ganz links (SED, Grüne) bis mittelinks (Union) füllen nur ein halbes Spektrum; die eine andere Partei ist erfolgreich tabuisiert und nölt (verständlicherweise) meist beleidigt vom Katzentisch.

Die Fünf-Prozent-Hürde muss weg…

…um neuen Parteien eine faire Chance zu geben. Vielleicht mit einer anderen Art von Spitzenkandidaten, die in den etablierten Parteien keinen Platz hätten. Schlimmer kann es kaum werden, sieht man sich das aktuelle Personal an. Vielleicht zieht ein Dieter Bohlen mit Freunden in den Bundestag ein – das wäre kein Unglück, sondern eine Bereicherung. Mehr echte Alternativen könnten auch mehr Bürger aus der Lethargie holen – während ein Mehrheitswahlrecht die Stimmen vieler Bürger fast irrelevant werden lässt, weil in ihrem Wahlkreis eine Partei klar dominiert und die eigene Teilnahme damit ziemlich witzlos wird.

Nur mit mehr aktiven Bürgern hat Demokratie – als nationale Selbstbestimmung – noch eine Chance gegen die global-technokratische Machtergreifung. Letzterer spielt die gegenwärtige Koalition schwungvoll in die Hände; auch eine unter Mitwirkung des gegenwärtigen „Oppositionsführers“ würde die bewusste, zutiefst demokratie- und bürgerfeindliche Selbstaufgabe Deutschlands nur mit minimal anderer Geschmacksnote fortsetzen.

Den AfD-Anhängern muss gesagt werden: auch auf der bürgerlich-konservativen Seite (rechts von Blackrock-Gender-Klima-Merz) ist Platz und Bedarf für mehr als eine Partei – diese Seite des Spektrums würde mit einer zusätzlichen Kraft nicht „gespalten“, sondern gestärkt. Im übrigen gilt: Über die Abschaffung der vollkommen überflüssig gewordenen Fünf-Prozent-Hürde zu debattieren, lohnt sich auf jeden Fall – schon um die herrschenden Parteien zu entlarven, die sich aus lauter Angst vor potenzieller Konkurrenz und Kontrollverlust feige hinter der Hürde verstecken.

Foto: Pixabay

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Boris Kotchoubey / 26.10.2022

Um den Vorschlag, die 5% abzuschaffen, zu bewerten, reicht es, die Parteien anzuschauen, die jetzt an dieser Hürde scheitern. Mehr oder weniger akzeptabel finde ich dabei lediglich Die Basis, aber auch dort sehe ich eine Reihe von verwirrten Urgrünen und ehemaligen Bolschewisten. Sonst Ökopartei, Die Partei, die Bibeltreuen Christen, schleißlich eine der reichsten (ohne Witz!) politischen Parteien, die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands. Und von ihnen sollen wir unsere Rettung erwarten? Nein, das Problem sitzt tiefer. Die ganze Diskussion setz voraus, dass es Menschen gibt, die eigentlich eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft aufbauen wollen, aber nicht wissen, wie sie das machen. In der Tat gibt es solche Menschen, v.a. im Osteuropa, beispielweise gerade in der Ukraine - sie wollen, aber wissen nicht; die Deutschen aber wollen nicht: Ob des Staates alten Karren // Weise führen oder Narren // Dieses geht mich gar nicht an // Denn ich bin ein Untertan.

Hans-Peter Dollhopf / 26.10.2022

Das Abhängigkeitsverhältnis von Staat und Volk ist auf den Kopf gestellt. Ursächlich lebt der Staat vom Volk! Das Volk zahlt und die Gegenleistung ist Willkür. Dem Staat ist jede Form von Wert schöpfender Tätigkeit fremd. Bei seiner Expansion zieht der Staat mehr und mehr Volk in Abhängigkeit von sich. Alimentation in ihm, dem Staat, Nutzen verschaffender wie unnützer Form. Politik ist Herrschaft. Und Herrschaft ist unnütz. Wie Gottesgnadentum.

Moritz Ramtal / 26.10.2022

Es ist ein Trugschluss das UNO, WHO, EU oder sonstwelche Regelungen hier gelten. Der Souverän vergibt alle Regierungsmacht und Rechte jede 4 Jahre neu. Die neue Regierung kann neu entscheiden. Es wird hierbei so getan als müsse man Leihwagen nicht zurückgeben, wenn man sie in der Leihe verkauft.

Hans-Peter Dollhopf / 26.10.2022

Herr Alberts, das Dasein jedes Einzelnen beruht auf seiner beständigen Reproduktion. Deren Bewältigung geht im Gemeinwesen effektiver. Ein anderes Wort für Reproduktion ist Wertschöpfung.  Deren gemeinschaftliche Bewirtschaftung heißt Verteilung.  Die Art der Bewältigung der Verteilung nennt man Recht und Sitte.  Beispiel: Jemand bricht sich ein Bein und verliert damit seine zur Reproduktion notwendige Mobilität. Die Gemeinschaft, seine Familie, seine Sippe, sein Stamm,  versorgt ihn bis zur Verheilung mit Lebensnotwendigem. Das ist keine Gesundheitspolitik, sondern Ursächlichkeit. Alle Macht, alle Reproduktion, alle Wertschöpfung, geht vom Volke aus. Das Volk ist somit souverän, unabhängig, frei und organisiert sich immer schon von selbst.  Es war nie unmündig, zu keiner Zeit. Leben funktioniert! Einfach so.

Klaus Keller / 26.10.2022

Nachtrag zum Thema Bürgerbeteiligungen: Spielstand bei den offenen Briefen an den Bundeskanzler pro/kontra Waffenlieferungen an die Ukraine. Pro (Initiator Zentrum Liberale Moderne) 92.999 Kontra (Initiator Emma Redaktion) 427.486. - Ergänzung: Emma muss man nicht vorstellen. Zentrum Liberale Moderne: Zitat Wikipedia: Das Zentrum Liberale Moderne (LibMod) ist eine deutsche Denkfabrik, die 2017 vom Grünen-Politiker-Ehepaar Marieluise Beck und Ralf Fücks gegründet wurde. Seit 2019 wird das Zentrum im Rahmen der institutionellen Förderung finanziell aus dem Bundeshaushalt unterstützt. - Die Finanzierung der LibMod durch den Bundeshaushalt wäre schon eine eigne Debatte Wert. - PS 427.486 Demonstranten vor dem Reichstagsgebäude wären sicher beeindruckender gewesen. Hätte es was genutzt Wahrscheinlich nicht. Nutzt es noch ein Paar Splitterparteien in den Bundestag zu schicken? Wahrscheinlich auch nicht.

Georg Andreas Crivitz / 26.10.2022

Der Artikel beschreibt den Ist-Zustand sehr treffend. Der Einordnung der »etablierten« Parteien stimme ich zu: es wird das Spektrum von linksextrem (Linke/Grüne) bis gemäßigt links (CDU/CSU) abgebildet. Was fehlt sind Konservative und Liberale, die sich zwar z. T. in der AfD finden, aber letztlich durch den von den »etablierten« Parteien geführten »Kampf gegen rechts« wirkungslos bleiben.

Klaus Keller / 26.10.2022

Da es in der Schweiz scheinbar besser funktioniert sollte man sich das dortige System ggf genauer ansehen. Wikipedia zu den Volksrechten auf Bundesebene: Initiativrecht: - 100’000 Bürger können per Volksinitiative einen Volksentscheid über eine Verfassungsänderung erzwingen. Mit der benötigten Anzahl Unterschriften wird das Parlament beauftragt, einen Gesetzestext auszuarbeiten, oder es kann ein ausgearbeiteter Text zur Volksabstimmung gebracht werden, dies muss aber innerhalb von 18 Monaten vollbracht werden. - Referendumsrecht: Das Volk kann Parlamentsentscheide im Nachhinein umstossen oder bestätigen, nämlich in einer Volksabstimmung nach einem obligatorischen (z. B. bei Verfassungsänderungen) oder fakultativen Referendum (hier sind mindestens 50’000 Unterschriften in 100 Tagen notwendig). - Petitionsrecht: Alle urteilsfähigen Personen (auch nicht wahlberechtigte) dürfen schriftlich formulierte Bitten, Anregungen und Beschwerden an die Behörden richten. Diese müssen die Petitionen zur Kenntnis nehmen. In der Praxis wird jede Petition behandelt und beantwortet, was jedoch nicht vorgeschrieben ist. - 30 Mal dasselbe ändert nichts am grundsätzlichen Problem.

Bernhard Maxara / 26.10.2022

Alles richtig, aber daß beispielsweise die gegenwärtige Regierung in keiner Weise den Wählerwillen abbildet, liegt wohl auf der Hand.  Und welcher FDP-Wähler diese Koalition mit den Unfreiheitlichsten gewollt hat, steht wohl auch sehr dahin. Im Augenblick erscheint also ein Mehrheitswahlrecht besser.  Und übrigens: Daß der Bundespräsident von den Parteien ausgeklüngelt wird anstatt vom Volk gewählt zu werden, ist eine unverschämte Beleidigung des vielzitierten “Souveräns”.

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