Thomas Rietzschel / 28.09.2022 / 16:00 / Foto: Tucker M.Yates / 43 / Seite ausdrucken

Mehr Licht!

Nach der Umweltverschmutzung im Allgemeinen und der Luftverschmutzung im Besonderen haben sich die Klimabewegten von Thunberg und Neubauer bis zu den Geistesgestörten, die sich auf Autobahnen oder an großen Werken der Weltkultur anleimen – sie alle haben nun einen neuen Gegner gefunden: das Licht!

Sind sie einfach zu ungebildet, um zu erkennen, dass ihr neuer Schlachtruf von der „Lichtverschmutzung“, an sich schon eine sprachliche Missgeburt, einer Contradictio in adiecto gleichkommt, also einen Widerspruch in sich darstellt, da Licht und Schmutz so wenig zusammenpassen wie Feuer und Wasser? Doch damit nicht genug der auftrumpfenden Dummheit, besser gesagt des fulminanten Bildungsmangels.

Gäbe es doch kaum etwas, das zu unserem selbstverständlichen Wohlstand gehört ohne die Epoche der europäischen Aufklärung, Mit ihr wurde vor zwei-, dreihundert Jahren das Tor zur Moderne aufgestoßen. Nach Jahrhunderten dogmatisch religiöser Verdunkelung der Köpfe begann die Erleuchtung des Geistes durch die Vernunft. Die Menschen wagten zu denken, was zuvor mit Denkverboten belegt war. Die Engländer, die am Anfang dieser Entwicklung standen, sprachen denn auch vom „enlightment“, der Erleuchtung.

„Le siècle des lumières“

Die Franzosen, die fortan als die Wortführer der europäischen Aufklärung galten, nannten die Epoche „Le siècle des lumières“, das Zeitalter des Lichtes, über das der Philosoph Immanuel Kant 1784 schrieb, es sei der „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“. In den Annalen der Geistesgeschichte stehen dafür Namen wie Thomas Hobbes (1588–1679) oder David Hume (1711–1776), nicht zu vergessen der ältere John Locke (1632–1704), Vordenker der Liberalismus und einer freiheitlich verfassten bürgerlichen Gesellschaft, in der jedem das Recht einer eigenen Meinung zusteht.

Für Frankreich wären es Voltaire (1694–1778), Jean-Jaques Rousseau (1712–1778) und Diderot (1713–1784), der mit der Begründung der „Encyklopèdie“, dem ersten lexikalischen Werk, das das Wissen den Menschheit versammeln sollte und damit zugleich die absolute Deutungshoheit der Religion bestritt. Schon zuvor hatte René Descartes (1596–1650) mit seinem berühmten Satz „Cogito ergo sum“ – ich denke, also bin ich – die menschliche Vernunft über den Glauben an religiöse Mythen gesetzt. Für Deutschland, dem zweiten Kernland der Aufklärung, sind neben Kant allen voran Lessing, Schiller Fichte, Hegel zu nennen, überragend Goethe, dessen Leben und Wirken geprägt war vom Geist der Aufklärung, als Dichter wie als Naturforscher.

Wenn die Überlieferung stimmt, sollen seine letzen Worte auf dem Sterbebett „mehr Licht“ gewesen sein. Dass er damit gemeint habe, man solle die Gardinen vor den Fenstern beiseite schieben, könnte sein. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass er vor seinem letzten Atemzug noch einmal nach der weltlichen Erleuchtung des Geistes durch Wissen verlangte.

Kein Fernsehen, kein Radio, keine E-Bikes

Was wären wir ohne diese intellektuelle Selbstbesinnung der Aufklärung, ohne das Licht des Geistes, mit dem die Aufklärer das Denken befreiten. Erst daraus ergaben sich in der Folge naturwissenschaftliche, philosophische und auch politische Einsichten, ohne die unser heutiges Leben nicht vorstellbar wäre. Nicht nur, dass es keine Autos gäbe, auch die von den Grünen geliebten E-Bikes wären nie auf die Straße gekommen, keine Lastenfahrräder, die den Fußgänger das Fürchten lehren. Wir hätten kein Fernsehen, kein Radio, keine neuen Medien, keine Küchenmaschinen, keine medizinische Forschung. Es gäbe an den Wänden keine Schalter, mit denen wir die Deckenlampen anknipsen könnten.

Die Menschheit wäre nie Seuchen wie der Pest oder Cholera Herr geworden. Auch hätten die Klimabewegten keine Megaphone, mit denen sie ihre Sympathisanten bei Demonstrationen anheizen könnten, um neuerdings sogar vor der „Lichtverschmutzung“ zu warnen. In Weiterstadt, einer hessischen Kleinstadt, gab ein FDP-Abgeordneter dieser Tage zu bedenken, das Licht locke Milliarden von Insekten an und trage dazu bei, dass die Kleintiere vor Erschöpfung sterben. Ob der Mann sich auch Gedanken über die Menschen machte, die sich in der neuen Dunkelheit fürchten könnten, ist nicht bekannt. Klar ist aber auch so, wie es in ihm denkt: erst die Mücke, dann der Mensch. Allerdings wissen wir auch nicht, ob sich der Stadtverordnete unterdessen bereits in nervenärztlicher Behandlung befindet. 

Rolle rückwärts in mittelalterliche Zustände

Sicher ist es richtig, Energie einzusparen. Nicht jedes Geschäft muss noch um Mitternacht bühnenhell erleuchtet sein. Nicht jedes Rathaus, nicht einmal jedes Denkmal muss nächtens in grelles Scheinwerferlicht getaucht werden. Allein die Erhebung des Vernünftigen zum Verbot offenbart aber ein dogmatisches Denken, das erneut zu Verfinsterung führt. Wer da von einer Rolle rückwärts in mittelalterliche Zustände spricht, muss kein Schwarzseher sein. Eher schon sind es unverbesserliche Aufklärer, die davon abraten, unsere Städte zu verdunkeln, die Straßenbeleuchtung nach 22 Uhr zu dimmen, besser noch ganz abzuschalten. 

Wie passt das zusammen mit einer Zeit, in der sich die Menschen daran gewöhnt haben, auch abends auszugehen, weil sie sicher sein konnten, auf erleuchteten Straßen unbehelligt heimkehren zu können. Wie wird es zumal für die Frauen um ihre Sicherheit in der Finsternis bestellt sein? Erst recht nach der Zuwanderung junger Männer aus Kulturen, die nie eine Aufklärung erlebten. Die „kulturelle Bereicherung“, als die wir ihren Zuzug laut Merkel empfinden sollten, könnte dann schnell bedrohliche Ausmaße annehmen. Eine Gefahr, der die Kleriker des Ökologismus nach Kräften Vorschub geleistet haben. 

Der Energiemangel, der uns für den kommenden Winter ins Haus steht, ist ihnen zwar nicht ausschließlich anzulasten, durch die ideologisch begründete Energiewende, die Abschaltung der Atomkraft als sichere Energiequelle sowie durch den beschlossenen Abriss modernster Kohlekraftwerke haben sie allerdings ihren Teil zur Notlage beigetragen. Mit der Politik, die sie betreiben, werfen sie die Gesellschaft zurück in eine Zeit, als der religiöse Starrsinn die Vernunft unter Strafe stellte.

Nachts auf den Straßen und tags in winterkalten Räumen

Hemmungslos verdunkeln die Selbstgerechten mit ihrem Kampf gegen die „Lichtverschmutzung“ nicht allein die Straßen, mehr noch bedrohen sie einmal mehr die Freiheit der Bürger – und zwar mit allen Mitteln, die sie dem Fortschritt dieser offenen Gesellschaft verdanken. Genutzt wird, was wir ohne das „Siécle des Lumieres“ nie gewonnen hätten. Mit dem Kampf gegen die „Lichtverschmutzung“ sorgen die Demagogen  für eine Verfinsterung, in der sie selbst abtauchen können, gedeckt durch die Berufung auf Visionen, denen sie uns ausliefern – nachts auf den Straßen und tags in winterkalten Räumen, in denen wir dann dem Endsieg der Klimawende beim Flackern der Kerzen entgegenzittern.  

„Selbstverschuldet“, um nochmals auf Kants bereits zitierten Aufsatz „Was ist Aufklärung?“ zu kommen, „selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines Anderen zu bedienen. … Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen …, dennoch gern zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuschwingen.“

Ich will mir das zu Herzen nehmen und Weihnachten wie immer in der hell erleuchteten Stube feiern. Lichtverschmutzung hin oder her. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, mag das passen oder nicht. Außerdem kann er es für sich ja anders halten und in der Finsternis unter dem Christbaum herumkriechen, um nach Geschenken zu suchen. 

Foto: Tucker M.Yates Navy via Wikimedia Commons

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H.Milde / 28.09.2022

Wenn Licht aufleuchtet, huschen lichtscheue Gestalten in dunkle Löcher, in die sie andere, die sich eben nicht verGRÜNEN und verdummen lassen wollen, nur zu gerne mit hineinzögen und anketten würden. -> Platons Höhlengleichnis

Frank Stricker / 28.09.2022

Bald werden in allen größeren Städten wieder Nachtwächter unterwegs sein.” Die Turmuhr hat zehne geschlagen, der heilige Robert befiehlt euch Weihnachtsbeleuchtung, Heizung und sonstigen Tand zu löschen und abzudrehen”, sonst holt euch der Teufel, oder zumindest das Ordnungsamt…...

W. Renner / 28.09.2022

Tatsächlich ist leider nur die Verschmutzung von Politik und Medien durch Armleuchter zu beklagen.

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