Markus C. Kerber, Gastautor / 23.01.2025 / 14:00 / Foto: Imago / 54 / Seite ausdrucken

Mehr Geld reicht nicht aus

Die Neuaufstellung der Bundeswehr ist mit Geld alleine nicht zu machen. Die Beschaffung neuer Ausrüstung braucht qualifiziertes Personal und schnelle und sachkundige Entscheidungen; neue Soldaten findet man nur, wenn der Wehrgedanke gestärkt wird.

Vor einigen Tagen ging ein greller Schrei über die Äther: Verteidigungsminister Pistorius will sich mit einem Verteidigungsetat von zwei Prozent des BIP nicht zufriedengeben. Er hält drei Prozent, also 120 Milliarden Euro, für angemessen. Diesem Ausgabenopportunismus, der beim neuen Herrn im Weißen Haus Wohlgefallen auslösen kann und soll, liefern Ökonomen pflichtschuldigen Beifall.

Unter Hinweis auf ihren wissenschaftlichen Status erheben verschiedene Autoren die Forderung, Deutschland möge noch vor der Wahl die Verteidigungsausgaben schuldenfinanziert erhöhen (Clemens Fuest / Moritz Schularick, FAZ vom 29.11.2024). Dieses neue wissenschaftliche Interesse am Verteidigungsauftrag des Grundgesetzes und die eventuelle Privilegierung von verteidigungspolitischen Ausgaben im Bundeshaushalt ist begrüßenswert, weil es eine überfällige Diskussion anstößt. Viel zu lange wurde verkannt, dass große Teile des Verteidigungshaushalts – insbesondere die Materialneubeschaffung und der Materialerhaltungsaufwand – zwar bislang finanzwissenschaftlich als Staatskonsum eingeordnet werden, ökonomisch aber als Investition zu qualifizieren sind.

Dass es so lange bei dieser Fehlbetrachtung geblieben ist, obschon die Rüstungsindustrie stets auf die Impulswirkung von Verteidigungsausgaben für die Volkswirtschaft hingewiesen hat, hängt auch damit zusammen, dass in der Wissenschaft die Auseinandersetzung mit der Rüstungswirtschaft verpönt war. An den Universitäten galt sogar vielfach die sogenannte Zivilklausel: Wissenschaftler durften sich nicht mit wehrtechnischen Fragen auseinandersetzen.

Komplexe Entscheidungen über die Festlegung von technischen Anforderungen

Nun versuchen verschiedene Wissenschaftler, schnell – leider auch durch übereilte Vorschläge – vor die politische Welle zu kommen. Dies ist auch der Fall bei dem Vorstoß von Fuest und Schularick. Denn die Forderung nach mehr Geld für die Bundeswehr – möglichst noch vor der Wahl – verkennt die beschaffungsökonomische Inflexibilität in Deutschland. Rüstungsausgaben setzen extrem komplexe Entscheidungen über die Festlegung von technischen Anforderungen und die Erreichung bestimmter technischer Fähigkeiten für Rüstungsgüter voraus. Mit welchen technischen Einsatzfähigkeiten Lenkflugkörper, Panzer, Fregatten oder Satelliten ausgestattet sein sollen, ist nicht etwa Gegenstand einer ad-hoc-Entscheidung des Ministers, sondern setzt eine gründliche Betrachtung über die Einsatzparameter der deutschen Streitkräfte voraus.

  • Will man, wie bisher, U-Boote nicht mit Lenkflugkörpern ausstatten oder ist ihre Ausstattung damit als der einzigen zweitschlagsfähigen Plattform in der Ostsee dringend geboten?
  • Soll man weiterhin taktische Drohnen nach dem Muster von Luna oder von Heron bauen? Oder geben die taktischen Einsatzmöglichkeiten in der Ukraine zu denken darüber auf, welcher Drohnentyp operativ taktisch bevorzugt werden sollte?
  • Brauchen wir in Zukunft einen neuen Kampfpanzer oder sind die Möglichkeiten der Innovation beim Kampfpanzer Leopard – modernisiert zu Leo 3 und auf der Rüstungsmesse in Eurosatory präsentiert – das Optimum dessen, was man kurzfristig erreichen kann.

Mehr Effizienz

Die zahlreichen von Pistorius erteilten Beschaffungsaufträge haben zwei Dinge gemeinsam:

  • Sie verstärken das Bild des handlungsfähigen, robusten Landesverteidigers in der Öffentlichkeit;
  • Sie werden erst dann für die Streitkräfte verfügbar sein, wenn der laufende Konflikt um die Ukraine beendet sein wird. Denn gerade die Beschaffung von militärischem Großgerät dauert in Deutschland lange, zu lange.

Mit mehr Geld sind Entscheidungsoptimierungen nicht zu erreichen. Demgegenüber ist mehr Effizienz bei den beschaffungsökonomischen Prozessen gefordert. Die Behörde in Koblenz, die sich mittlerweile Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung (BaainBW) nennt, ist viel zu langsam und stellt bei der Neuaufstellung der Streitkräfte ein Hindernis dar. Wenn, wie bisher, für komplexe Waffensysteme 10 bis 20 Jahre gebraucht werden, um ihre Anforderungen zu definieren und sie herzustellen, dann kommen sie schließlich zum Einsatz, wenn sich die Einsatzanforderungen schon wieder geändert haben. Mit den beschaffungsökonomischen Strukturen der Koblenzer Behörde und ihren vielen wehrtechnischen Dienststellen ist diesem Problemstand nicht beizukommen. Entscheidungen müssen schneller durch Unterstützung des Planungsamtes der Streitkräfte umgesetzt werden. Die Fregatte 125 wurde 2004 geplant, doch keines der vier ausgelieferten Schiffe ist voll einsatzfähig.

Es braucht weniger Personen

Bei der Drohnenbeschaffung hat die Bundeswehr die Entwicklung verschlafen und muss nun von den ukrainischen Streitkräften und ihren Rüstungsingenieuren lernen.

Schließlich brauchen wir dringend eine Abkehr von der bisherigen Tabuisierung und kapitalmarktrechtlichen Diskriminierung von Rüstungsgütern. Es gibt immer noch Investmentfonds, die nicht bereit sind, in die Rüstungsindustrie zu investieren. Sie verletzen dadurch nicht nur die Interessen ihrer Kunden, wie aus dem rasanten Anstieg des Börsenkurses von Rheinmetall abzulesen ist, sondern sie hängen einer Denke an, die spätestens mit dem Ausbruch des Ukrainekriegs widerlegt worden ist (Vgl. hierzu Kerber, Führung und Verantwortung, Edition Europolis, 2023) Die Wissenschaft hat lange Zeit diesen Zeitgeist unterstützt und sich weder mit der Streitkräfteökonomik noch mit der Rüstungsbeschaffung ernsthaft auseinandergesetzt.

Um die Prozesse allerdings zu verschlanken, braucht man nicht mehr Geld, sondern vor allen Dingen weniger Personen. Der Personalüberhang im Verteidigungsministerium bei zivilen Stellen und bei Stabsstellen im militärischen Bereich behindert eine dynamische Streitkräftemodernisierung. Hier bedarf es einer Zeitenwende und nicht kumpelhafter Umgangsformen zwischen dem Inhaber der Befehls-Kommandogewalt und seinen Untergebenen, sondern durchgreifender Personalentscheidungen. Zuförderst aber ist aus dem Gebot des Grundgesetzes, Streitkräfte aufzustellen (Art. 87a I 1 GG), die Pflicht des Staates abzuleiten, für den Wehrgedanken zu werben. Hierüber müssten sich Politiker Gedanken machen. Bislang wurden Truppenbesuche nur dazu benutzt, um die eigene Popularität zu stärken und sich bei Soldaten beliebt zu machen.

Frau von der Leyen meinte gar, Verteidigungspolitik bestehe aus der Fortsetzung der Sozialpolitik mit anderen Mitteln. Dieses und der allzu wohlgefällige Umgang der Politiker mit dem Bundeswehrverband müssen durch eine ernsthafte und tabulose Diskussion über eine verbesserte Rüstungsplanung unter Beachtung der industriellen Voraussetzungen deutscher Souveränität ersetzt werden. Vielleicht wäre es hierzu sinnvoll, bestimmten Vertretern der Wissenschaft eine Informationswehrübung anzubieten. Dann könnte die Hoffnung keimen, dass ihre Vorschläge praktikabler sind als die Luftschlösser, mit denen sie sich als Vorreiter eines neuen Verteidigungsfrühlings beliebt machen wollen.

 

Dr. jur. Markus C. Kerbergeb. 1956, ist Jurist und Professor für Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, E.N.A. 1985 (Diderot), Gastprofessor an der Warsaw School of Economics und der Université Panthéon-Assas. Er ist Autor der Schrift „Führung und Verantwortung: Das Strategiedefizit Deutschlands und seine Überwindung“, die hier im Achgut-Shop erworben werden kann.

Die Edition Europolis umfasst Titel und Essays zum Neuen und Alten Europa, zu Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsrecht. Sie können sämtliche Titel über den Achgut-Shop hier bestellen.

 

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E Ekat / 24.01.2025

Mal wieder runterkommen von der Russen-Hatz. Sich aus den Klauen der eigenen Propaganda befreien. Die Aggression der Russen, darin bestehend, mit uns friedliche Geschäfte machen zu wollen ist zu Ende. Die Nato hat das verhindert. Wir müssen deren Rohstoffe nicht mehr abnehmen, die wenden sich jetzt dem Osten zu.

Ralf Pöhling / 23.01.2025

Der entscheidende Faktor bei einer effektiven Verteidigung ist die Erkenntnis darüber, wer wirklich der Feind ist und wer nicht. So lang das nicht passiert, ist jede Armee sinnlos. Man frage sich doch mal, warum sich die Bewerber beim Bund vor den Eingängen der Beratungscenter nicht stapeln und die Kasernen nicht aus allen Nähten platzen. Das hat schon seinen Grund. Wer will schon Söldner für ausländische Mächte sein? Wir brauchen hier eine schwerbewaffnete interne Verteidigung, die nur unser eigenes Territorium verteidigt. Als allererstes. Alles andere rutscht sonst in falsche Kanäle für fremde Interessen. Die NATO ist nicht Teil der Lösung, sie ist das eigentliche Problem. Weil nicht wir durch die NATO verteidigt werden, sondern andere, während unser eigenes Territorium wegen irgendwelcher verfassungswidrigen Knebelverträge schutzlos dasteht. Wieso gehen unsere Waffen eigentlich andauernd ins Ausland und nicht in die innere Verteidigung? Kann mir das mal jemand schlüssig erklären? Dass Deutschland nicht souverän und de facto immer noch besetztes Land ist, ist für den Profi beim Systemtest direkt nachweisbar. Und an diesem Umstand müssen wir ganz schnell etwas ändern.

Karl-Heinz Böhnke / 23.01.2025

Ausgaben sind immer Verbrauch. Entsteht aus diesem ein Erlös, sind die Ausgaben dafür eine Investition. Ohne ausweisbare Rendite bleiben Ausgaben nur Konsum. Somit sind Ausgaben für Straßen zur Förderung der Investitionen oder Feuerwehr zum Schutz derselben lediglich Konsum, der mit Steuern auf Erlös oder Gewinn finanziert wird. Waffen sowie ihr Verwalten und Verwenden können somit stets nur Konsum, nämlich Abschreibungen ohne Erlös sein. Oder welche Rendite haben die Leoparden in der Ukraine? Abgeschrieben sind sie jedenfalls, weil sie nirgendwo mehr genannt werden. Vor allem kommt es doch nicht darauf an, wie viel Geld ausgegeben wird für die Wehrkraft, sondern wie wirkungsvoll die Anschaffungen dafür sind. Und da ist die Bundeswehr seit Jahrzehnten einer der schlechtesten Verwerter. Mit diesem Problem steht sie allerdings in der westlichen Welt nicht alleine da. Es ist so ruhig geworden um die weitreichenden Raketen aus der Nato.

Steve Acker / 23.01.2025

Pistorius wird ja so hochgepriesen. der tolle macher. Was hat er denn erreicht ? 100 mrd standen doch zur verfügung . Vor 2 Wochen in der Welt. Pistorius:  “bundeswehr ist blanker als blank” Deutschland soll ja kriegstüchtig gemacht werden. es wird explizit nicht von Verteidigungsfähig gesprochen. also soll Deutschland wieder Angriffskriege führen oder sich beteiligen. ‘Wie vor 80 jahren. Erschreckend.    

Steve Acker / 23.01.2025

Früher hatte ich so die Einstellung dass eine Armee ja notwendig ist, zur Verteidigung und so. Heute sehe ich:  Ich würde niemals heute zur Armee gehen, und schon gar nciht in den Krieg. Als Soldat ist man nur der D..p und darf die Unfähigkeit der Politiker mit Leben und Gesundheit bezahlen. Krieg ist ein Mittel um von Innerpolitischen Versagen abzulenken, oder um Machtspielchen auszuüben. Dafür darf dann der Soldat herhalten. Und gegebenenfalls wird er auch noch gezwungen sich zu vergiften, mit Corona-spritze. es sassen ja noch Soldaten im Knast weil sie die Spritze verweigert haben. man wird dafür bestraft dass man sich nicht krank machen lassen will

F. Michael / 23.01.2025

Wieviel Sondervermögen will man in der Buntenwehr noch versenken und es dann in die Bandera-Ukraine transverieren? Bei den Bränden in Amerika ist bekannt geworden, dass dort etliche Generäle der Ukraine Villen hatten, welche verbranten. Gekauft mit unseren Stergeldern, wie die Villen am Mittelmeer von Ukraine ReGIERungsmitgliedern. Wir müssen nicht kriegstüchtig werden sondern friedenstüchtig und unsere Infrastruktur zerfällt inzwischen.

Dietrich Herrmann / 23.01.2025

Die Menschen mit Namen Kallas und Tusk werden Europa immer näher an den Krieg treiben.

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