Matthias Matussek, Gastautor / 12.09.2009 / 23:20 / 0 / Seite ausdrucken

Das Problem Fleischhauer

Von Matthias Matussek

Mein Kollege und Freund Jan Fleischhauer hat eine ganze Menge, worauf er stolz ist. Einiges davon habe ich in meinem Sponti-Buch „Als wir jung und schön waren“, Fischer Verlag (zu bestellen unter: http://www.amazon.de/Als-wir-jung-schön-waren/dp/3100489241/raef=sr_1_4?ie=UTF8&s=books&qid=1225803888&sr=8-4) erwähnt. Zum Beispiel seine Kollektion japanischer Fleischmesser, seine Terassen-Geranien,  sowie das Polaroid, das ihn mit Karl Rove zeigt, dem republikanischen Fürsten der Finsternis.

Jetzt kommt noch etwas dazu: ein „Neocon-Bestseller“, mit dem Untertitel „Von einem, der aus Versehen rechts wurde“. Ich musste einfach darauf antworten. Ich fand es schal, humorlos, geschrieben wie mit zusammengekniffenen Lippen und vor allem 30 Jahre zu spät, der Renegatenzug der Nach-68er ist längst vorbeigerauscht. Dass er meine Replik als „Verbeugung“ liest, die er „wohlwollend“ zur Kenntnis nimmt, zeigt mir, dass er immer noch schwer benommen ist von seinem „Bestsellererfolg“. (Ich kenne mich mit Bestsellern aus – so groß ist der Erfolg dieses Breviers für die Junge Union nun auch wieder nicht).

Meine Empörung über den konservativen Klassenkampf von oben, zu dem auch die Schamlosigkeit der Banker gehört, scheint er zu teilen. Er versucht sie sogar zu übergipfeln. Er möchte nicht nur eine „Tracht Prügel“ verabreichen, sondern gleich „amerikanische F-16-Bomber anfordern“, die nachts „200 Kilo-Boben auf den Automaten werfen“.

Da haben wir das Problem Fleischhauer. Humor kann er nicht. Komisch wäre die Pointe natürlich nur dann, wenn es die Banker wären, die man über ihren Automaten abwirft (wieso 200 Kilo Bomben? um klar zu machen, wie sehr man sich aufregt?), und noch komischer wäre es, wenn man erführe, dass sie von einem erzählt wird, der seine Grillschürze auf Falte bügelt und auch an seine Oberhemden keinen fremden Bügler lässt, also eben dem Inbegriff des Bankbeamten.

Dass er sich über die grüne Grundsicherung, die 60 Milliarden verschlingen würde und die das unwürdige Hartz IV-Gewürge beenden würde, die Haare rauft, während die Banken, die er gerne bombardiert sehen möchte, mit mehreren hundert Milliarden aus ihrem Sumpf gezogen werden sollen, soll er mir mal erklären.

Ich kenne Jan Fleischhauer seit fast 20 Jahren. Ich habe ihn oft geschüttelt an den Urlaubs-Stränden dieser Welt, um die tiefsitzenden Verklemmungen zu lösen, ergebnislos. Habe, wenn unsere Kinder im Sand spielten und er mir in den selben die Vorstöße der deutschen Panzerdivisionen an der Ostfront oder die Kosten von Hartz IV für die Sozialkassen zeichnete, gerufen: “Jan, wach auf, keiner tut Dir was“, denn auch er ist ja in all seiner Verpanzerung durchaus liebenswert.

Nun also hat er ein steifes, ein spöttisches, ein schmallippiges Buch geschrieben, hat noch einmal mit den Linken abgerechnet, und es hat ihn erst recht nicht aufgelockert. Was muss denn noch passieren?

Ich glaube, dass gedankliche Lockerungen allen Seiten gut tun, der linken genauso der rechten. Hans Magnus Enzensberger hat mal ein bemerkenswertes „Lob auf die Inkonsequenz“ geschrieben. Vasallentreue taugt für Mörderideologien, aber nicht für das Spiel der Ideen. Ich glaube im übrigen auch nicht, das es Visionen sind, die die Gulags vorbereitet haben, sondern die visionslosen Techniker der Macht. Und Helmut Schmidts Spruch, dass wer Visionen haben will, zum Optiker gehen soll, ist sicher einer seiner dümmsten.

Soweit zum Sachlichen. Nun zur Lebensphilosophie, zur Poesie. Dass Du, Jan, annimmst, nur ein geplatztes Aktiendepot könne Anlass bieten, über die grossen Fragen des Leben nachzudenken, zeigt, wie klein die Gitter der Bilanzbuchhaltung sind, in die Du eingesperrt bist.

Es müssen ja nicht Heines Gedichte sein, oder das „Prinzip Hoffnung“ des unverwüstlichen Ernst Bloch oder Negris „Imperium“, die über den kleinen Charlottenburger Horizont hinausweisen. Es gibt doch auch auf der Rechten durchaus Denker, die ich für beispielhaft halte. Einzelgänger auf der Suche nach Selbsttranszendenz, nach einer Bestimmung, die über die Einbauküche hinausgeht.

Peter Mosebach, den Du, Jan,  zustimmend zitierst, ist einer von ihnen, der Dichter Ernst Jünger ein weiterer, und dessen Novelle „Auf den Marmorklippen“, das nur nebenbei, ist ein grosser poetischer Wurf über das Leben, die Gefahr und den Tod, und ganz sicher eines der grossen literarischen Werke des vergangenen Jahrhunderts.
Einen weiteren möchte ich Dir zur Lektüre empfehlen, Nicolas Gómez Dávila, den kolumbianischen Privatgelehrten, den Peter Mosebach vor seinem Tod 1994 besuchte.

Dávila ist Aphorist, das heisst, er vertraut seine Wirkung knappen zugeschliffenen Pfeilen an, die sich direkt unter die Haut bohren.

Vielleicht hatte er ja den Prototyp Fleischhauer vor Augen, als er schrieb: „Personen ohne Imagination lassen uns die Seele gefrieren“.

Gehöre ich nun zur Generation 40+, die Probleme mit dem Älterwerden haben? Ich glaube nicht. Ich glaube das Problem haben die, die nie jung waren.
Im übrigen schreibt man „Voraussetzung“ so, und nicht mit zwei „rr“.

Venceremos
Dein Matthias Matussek

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