Henryk M. Broder / 09.12.2008 / 23:33 / 0 / Seite ausdrucken

Matthias Küntzel: Kleine Erwiderung auf Posener

Bei Alan Posener steht der agitatorische Aufwand im umgekehrten Verhältnis zur Stichhaltigkeit des Arguments. Er unterstellt mir die absurde Position, Antisemitismus und Rassismus hätten nichts miteinander zu tun. Er weiß, dass dies nicht mein Standpunkt ist. Er kennt mein längeres Papier, das die Vorlage für den sehr viel kürzeren WSJ-Kommentar gewesen ist. Jeder kann es auf meiner homepage nachlesen. Darin heißt es:

“Erstens übersieht diese Gleichsetzung, dass sich die Ideologie des Antisemitismus auf die Elemente des Rassismus nicht beschränkt. Gewiss sind im modernen Antisemitismus immer rassistische Momente enthalten. Das wichtigste Merkmal aber, das den Antisemitismus von allen anderen Denkformen unterscheidet, kommt im Rassismus nicht vor. Ich meine damit…”

Kann mir jemand erklären, warum Posener so vehement ins Leere haut?

Auch sein zweite große Entlarvung, “wir” hätten Solingen und Mölln und den täglichen Rassismus vergessen, ist absurd.

Im meinem oben genannten Papier, das Posener wie gesagt kennt, heißt es:

„Es ist eine Sache, im post-nationalsozialistischen Deutschland den Rassismus zu thematisieren, der nach wie vor nicht nur auf Massenebene sondern auch institutionell verankert ist. Ich kenne zum Beispiel keine andere Demokratie, die indirekt – durch das Verbot der Doppelstaatsangehörigkeit – einen relevanten Teil der Bevölkerung vom „allgemeinen Wahlrecht“ ausschließt. Die Selbstverständlichkeit, mit der hierzulande „Polenwitze“ goutiert werden, gehört dazu und natürlich auch das rassistische Ressentiment gegen „die Muslime“. Dieses Ressentiment existiert in Internet-Foren ebenso, wie in den Texten eines Hans-Peter Raddatz – Texte, die Peter Widmann in diesem „Jahrbuch“ einer streckenweise lesenswerten und soliden Kritik unterzieht.

Es ist aber eine völlig andere Sache, diesen zu bekämpfenden Rassismus mit dem historischen und gegenwärtigen Antisemitismus auf eine Stufe zu stellen.“

Im dritten Punkt verteidigt er Benz so, wie dieser sich selbst verteidigt: Dass es absurd sei, ihm eine Gleichsetzung von Islamophobie und Antisemitismus zu unterstellen. Benz schreibt aber nun einmal: „Die Wut der neuen Muslimfeinde gleicht dem alten Zorn der Antisemiten gegen die Juden.“ (Er wiederholte diesen Satz am 8. Dezember 2008 aus Anlass der Institutskonferenz.) Er schreibt, es seien die „gleichen Methoden“, derer sich die Muslimfeinde und die rassistischen Antisemiten bedienten.

Er hätte aus dem reichen Repertoire der deutschen Sprache auch Worte wie „ähneln“ oder „erinnern an“ wählen können. Er entschied sich jedoch für das Verb „gleichen“. Warum ist es dann - so Posener - eine „absurde Unterstellung“, wenn ich von „Gleichsetzung“ spreche und davon, dass er „Muslim- und Judenfeindschaft auf eine Stufe“ stellt?

Zum argumentativen Riesen wird Posener, wenn er behauptet, Küntzel scheine eine Art Rangstufe der Rassismusopfer herstellen zu wollen. Ein vortreffliche Spekulation, aber leider nicht originell. Frank Jansen schrieb schon am 7. 12. 08 im Tagesspiegel: „Die Vorwürfe gegen Benz offenbaren einen fatalen Hang, eine Art Opfer-Hierarchie zu errichten.“

Da kann sich nur jedes gute Herz empören und dazu aufrufen, die gerade begonnene Diskussion über Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Rassismus und Antisemitismus stante pede wieder einzustellen.

Ich verstehe nicht, was Posener mit derartigen Effekthaschereien bewirken will. Ein Beitrag zur Aufklärung und Analyse sieht anders aus.

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